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Wirtschaft: Manager auf Zeit

Kommen, um wieder zu gehen: Nicht nur bei der Rettung von Karstadt ist ein Interimsmanager aktiv. Die Nachfrage nach erfahrenen Springern auf höchster Unternehmensebene wächst

Es war ein Wagnis. Doch genau das reizte ihn. In sechs Monaten sollte Clemens Pflanz die im Jahr 1824 gegründete und über drei Generationen familiengeführte Kerzenfabrik Eika nahe Fulda, die ein Investmentfonds aus der Insolvenz gekauft hatte, als Interimsmanager wiederbeleben. Der 45-Jährige, bis dato strategischer Berater bei Roland Berger, kam, sah und reüssierte.

Pflanz, der zuvor beim amerikanischen Konsumgüterkonzern Mars und beim französischen Luxusgüterkonzern LVMH als Geschäftsführer gearbeitet hatte, gab der Kerzenfabrik eine neue Ausrichtung. Kerzen seien nicht nur ein Leuchtmittel, sondern gäben ein besonderes Lebensgefühl. Zugleich löste er die einseitige und saisonale Abhängigkeit vom Weihnachtsgeschäft und fädelte Kooperationen mit der Hotellerie ein. Dafür nutzte er auch seine Kontakte aus der Zeit beim Champagnerhaus Moët & Chandon in Paris. Das Ergebnis: Eika heißt heute Kerzenmanufaktur und beschäftigt wieder rund 160 Mitarbeiter. Und Pflanz ist um eine operative Erfahrung reicher: „Das war eine sehr spannende Zeit, die mich bestärkt hat, auch künftig unternehmerisch, tätig zu sein.“

Pflanz und die Kerzenmanufaktur Eika sind keine Ausnahme. Immer mehr Firmen nehmen die Hilfe von Interimsmanagern in Anspruch. Die Aufgabenbereiche gehen dabei von der Überbrückung von Vakanzen wie bei Tod, Krankheit oder nach fristlosen Kündigungen, über Restrukturierungen und Strategiewechsel bis hin zur Erschließung neuer Auslands- oder Produktmärkte. Auch die Insolvenzverwaltung beziehungsweise die Neu- oder Umpositionierung sind ein Einsatzbereich.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Warenhauskette Karstadt. Im Auftrag von Investor Nicolas Berggruen gibt Thomas Fox hier den hemdsärmeligen Sanierer. Fox und Berggruen kennen sich schon von einem früheren Notfalleinsatz. Fox führte für Berggruen eine Tochterfirma des insolventen ostwestfälischen Möbelproduzenten Schieder wieder zurück in die schwarzen Zahlen. Interimsmanager wie Pflanz und Fox kommen vorübergehend in Unternehmen und sorgen dafür, dass die gestellte Aufgabe zügig und effizient erledigt wird – frei von innerbetrieblichen Zwängen und Seilschaften. Im Durchschnitt bleiben die Manager-Nomaden in Deutschland 7,3 Monate, bevor sie weiterziehen. „Wir kommen, um wieder zu gehen“, bringt es Hans Böhne, ein nach elf Jahren sehr erfahrener Interimsmanager auf den Punkt.

Ob Eika oder Karstadt, das Managen auf Zeit boomt. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Umsatz der Branche auf 800 Millionen Euro verzehnfacht. Der Vorsitzende der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management (DDIM), Jens Christophers, ist optimistisch, dass die derzeit rund 5 000 professionellen Notfallhelfer unter den deutschen Managern mit ihren Einsätzen die Eine-Milliarde-Umsatzmarke im nächsten Jahr knacken.

„Interimsmanager werden immer gesucht. In der Krise sind Restrukturierer gefragt, im Boom Motivierer und Rekruter“, berichtet auch Dietmar Kablitz, Geschäftsführer von EIM in München, einer der führenden Vermittler von Interimsmanagern. Aktuell, im wieder anziehenden Markt, haben vor allem versierte Finanzprofis auf Geschäftsführer- und Vorstandsebene Konjunktur. Und „für bestimmte Tätigkeiten, etwa in der IT oder im Bereich Optimierung von Kosten und Lieferketten bestehen sogar schon personelle Engpässe“, beobachtet Christophers vom Berufsverband.

Der Trend zum befristeten Einsatz kommt nicht von ungefähr. Die Arbeits- und Berufswelt hat sich verändert – und zwar sowohl Angebot als auch Nachfrage. So reduzieren Unternehmen auf der einen Seite seit Jahren ihren Anteil an fest angestellten Managern. Projektarbeit und maßgeschneiderte, flexible Lösungen sind an der Tagesordnung. Auf der anderen Seite haben sich auch die Bedürfnisse der Manager gewandelt. „Die Tätigkeit ist attraktiv, weil Hochdruck- mit Freizeitphasen wechseln, keine Routine einkehrt und es ständig neue Herausforderungen gibt“, sagt Kablitz von EIM. Interimsmanagement sei gerade für erfahrene Manager eine Alternative. Und zunehmend auch für jüngere, wie Christophers vom DDIM beobachtet: „Die Generation Golf, also die heute 40- bis 50-Jährigen, ziehen verstärkt das moderne Nomadentum als Alternative in Betracht.“

Denn der Einsatz als Springer rechnet sich. Verbandsangaben zufolge verdient ein Interimsmanager in der Regel mehr als sein festangestellter Kollege. Der Tagessatz liegt im Schnitt bei 1500 Euro brutto plus Reise- und Unterkunftskosten. In Großbritannien und den Niederlanden, den beiden bestentwickelten Märkten in Europa, sind Projektkarrieren statt der hierarchischen Karriere schon viel verbreiteter als in Deutschland.

Ihren schlechten Ruf als „schlampige Abwickler“, den sich die Branche in den 90ern eingehandelt hatte, als die Treuhand bei westdeutschen Industriekonzernen Manager abzog, konnte sie wieder abschütteln. „Die Vorurteile sind heute alle abgebaut“, sagt Kablitz. Auch Christoph Schmitz von der Gewerkschaft Verdi erkennt die Professionalisierung an. So begrüßt er die bisherige Bilanz des Karstadt-Sanierers Thomas Fox. „Auch ohne spezielle Handelserfahrung hat er sich gut eingearbeitet und messbare Ergebnisse geliefert.“ Mit Sorge sieht er aber, dass mancherorts „Management-Söldner“ zum Einsatz kommen, wenn es um Schließen und Streichen gehe.

Experten zufolge wie Rüdiger Kabst, Professor für Personalmanagement an der Universität Gießen, wird es in Zukunft häufiger enge Kooperationen von Unternehmensberatern und Interimsmanagern geben. Der Springer trete seltener als Einzelkämpfer in Aktion. Immer häufiger würden für Börsengänge, Unternehmenskäufe, und internationale Aufgaben komplett externe Projekt-Teams mit unterschiedlichem Know-how zusammengestellt. (HB)

Claudia Obmann, Tanja Kewes

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