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Wirtschaft: Mannesmann: Vodafone-Chef rechtfertigt Abfindungen

Ganz wohl war dem neuen Mannesmann-Eigentümer vor der Hauptversammlung offenbar nicht. Die britische Vodafone schloss am Mittwoch kurzerhand Fotografen und Fernsehen aus.

Ganz wohl war dem neuen Mannesmann-Eigentümer vor der Hauptversammlung offenbar nicht. Die britische Vodafone schloss am Mittwoch kurzerhand Fotografen und Fernsehen aus. Hatte die größte Mobilfunkgesellschaft der Welt Angst vor unschönen Bildern aufgebrachter Kleinaktionäre? Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hielt den Ausschluss von Bildjournalisten für "kein gutes Zeichen". Nach eigenen Worten hat der DSW-Geschäftsführer Jörg Pluta soetwas noch nie erlebt.

Abfindungen weiter im Kreuzfeuer

"Sehr emotional und aggressiv" begann dann Pluta zufolge auch die Hauptversammlung vor 300 anwesenden Aktionären. Aktionäre warfen der früheren Unternehmensführung vor, den Konzern durch millionenschwere Abfindungen ausgeplündert zu haben. Als "Gangster", "Heuchler" und "Pharisäer" bezeichneten Vertreter der 7400 freien Aktionäre, die noch 0,5 Prozent des Mannesmann-Kapitals halten, die Empfänger der hohen Summen. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt gegen insgesamt zehn frühere Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der Mannesmann AG. Diese stehen im Verdacht der Untreue im Zusammenhang mit Abfindungen und Sonderzahlungen von 148 Millionen Mark. Neben dem früheren Mannesmann-Chef Klaus Esser sind unter anderem Vodafone-Chef Chris Gent, IG-Metall-Chef Klaus Zwickel und der designierte Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann betroffen.

Die Vermutungen bedürften der dringenden Sachaufklärung, forderte der DSW-Geschäftsführer Pluta an die Adresse von Vodafone. Vodafone erklärte eine Aufklärung zunächst für überflüssig. Doch entgegen ursprünglicher Planungen der Firmenleitung soll erst die nächste Hauptversammlung über die Entlastung jener zehn Manager und ehemaligen Führungsmitglieder entscheiden.

Nichtsdestotrotz rechtfertigte Vodafone-Chef Chris Gent die Abfindungszahlungen. Er verwies darauf, dass die Mannesmann-Gremien die Zahlungen an die Führungskräfte genehmigt hätten. Nach der Billigung der Fusion durch Brüssel sei es "äußerst wichtig" für Vodafone gewesen, mit dem Mannesmann-Management konstruktiv zu arbeiten. "Weder ich noch andere Vodafone-Manager oder Mitarbeiter haben zu irgendweiner Zeit Führungskräften oder Mitarbeitern von Mannesmann finanzielle Angebote oder Anreize gemacht", sagte Gent. Die Abfindungen entsprächen deutschem Recht und den Statuten von Mannesmann. Im Gegensatz zu Gent äußerte sich der IG-Metall-Chef Klaus Zwickel auf der Hauptversammlung nicht zu dem Vorfall. Seine Gewerkschaft wies jedoch die Vorwürfe zurück. Zwickel habe der Prämie für Esser nicht zugestimmt, da er sich bei der Entscheidung darüber enthalten habe.

Weitere Themen der Hauptversammlung war die Abfindung der wenigen, übrigen Mannesmann-Aktionäre. Ihnen wurde angeboten, ihre Aktien entweder bei einer jährlichen Garantiedividende von 11,77 Euro zu behalten. Oder sie für 206,53 Euro pro Stück an Vodafone zu verkaufen.

Emotionsträchtig war die Hauptversammlung auch deswegen, weil gestern die Umbenennung der Mannesmann AG in Vodafone AG beschlossen wurde. Künftig wird sie der Vodafone Deutschland GmbH unterstellt sein. Mit dem Namen schwindet das traditionsreiche, 110 Jahre alte Unternehmen Mannesmann dann ganz von der Bildfläche. Nach der spektakulären feindlichen Übernahme vor eineinhalb Jahren hatte Vodafone das Düsseldorfer Unternehmen bereits schrittweise zerlegt.

110 Jahre Industriegeschichte

Statt sich kritisch Rede und Antwort zu stehen, hätten Aktionäre und Management am Mittwoch also friedlich eine Gedenkminute einlegen müssen. Immerhin geht ein bedeutendes Kapitel in der Wirtschaftsgeschichte zu Ende. Die Mannesmann AG schrieb Industriegeschichte mit - und zwar nicht erst mit dem bis dahin in Deutschland beispiellosen Übernahmekampf im vergangenen Jahr, der große Wellen geschlagen hatte. Der Düsseldorfer Konzern war ein Erfinder, Avantgardist und Schwergewicht in einem. Mit seinen zahlreichen Wechseln und Brüchen dürfte das Unternehmen selbst in der europäischen Wirtschaftslandschaft recht einzigartig dastehen.

Eine Pioniertat stand bereits am Anfang des Unternehmens. Die Brüder Reinhard und Max Mannesmann erfanden 1885 in der Remscheider Feilenfabrik des Vaters ein Walzverfahren zur Herstellung nahtloser Stahlröhren.Von vornherein gehörte die Berliner Mannesmannröhrenwerke AG zu den zehn größten Kapitalgesellschaften im Deutschen Reich. Bald sicherte sich das Unternehmen auch die Zulieferung. 1929 wurde das eigene Hüttenwerk in Duisburg eröffnet. Nach dem Bruch während des Zweiten Krieges und der Nachkriegszeit wuchs sich die 1955 gebildete Mannesmann AG zu einem großen Mischkonzern aus. Damals wurde wegen Risikostreuung die Diversifizierung empfohlen - und Mannesmann diversifizierte. Das Unternehmen am Rhein dehnte sich, beginnend in den 60er Jahren, in andere Branchen aus. Zunächst in den Anlagenbau, später in die Automobiltechnik. Pionier wurde die Mannesmann AG wieder im Jahr 1990. Als erstes deutsches Unternehmen wagten die Düsseldorfer den Sprung in die Telekommunikation. Innerhalb weniger Jahrer wurde das neue Geschäftsfeld zum umsatzstärksten Bereich.

kwi

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