zum Hauptinhalt
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

© imago images/photothek

„Maut-ist-sein-Hobby-Scheuer“: Verkehrsminister schlägt EU-weite Pkw-Maut vor

Andreas Scheuer gibt keine Ruhe: Die Pkw-Maut in Deutschland ist vom Tisch, nun fordert er eine europaweite Gebühr. Die Opposition ist nicht begeistert.

Die deutsche Pkw-Maut ist krachend gescheitert, Verkehrsminister Andreas Scheuer deswegen massiv in der Kritik. Der CSU-Politiker versucht nun in die Offensive zu kommen - mit einem überraschenden Vorstoß für eine Art EU-weit einheitliche Vignette. Damit blitzt er aber beim Koalitionspartner SPD ab.

Ein Sprecher Scheuers sagte am Mittwoch in Berlin, es gebe in verschiedenen Ländern verschiedene Ansätze - und nun gehe es darum, wie diese zusammengebracht werden könnten - für eine nutzergerechte Finanzierung der Straßen mit einer klimatechnischen Lenkungswirkung. Er begründete den Vorstoß auch damit, dass mehrere EU-Mitgliedsstaaten im Zuge der deutschen EU-Ratspräsidentschaft auf das Ressort zugegangen seien.

Hintergrund ist eine Debatte über eine Weiterentwicklung der EU-Eurovignetten-Richtlinie. Diese enthält keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Benutzungs- oder Mautgebühren einzuführen. Falls Länder das aber machen, müssen die Vorgaben der Richtlinie beachtet werden. In vielen Ländern gibt es streckenbezogene Autobahngebühren oder Vignetten.

In einem internen Schreiben des Verkehrsministeriums an andere Ressorts hieß es, bei der Richtlinie seien einige Neuregelungen geplant. Wenn Mitgliedstaaten bereits ein System für Straßenbenutzungsgebühren eingeführt hätten, sollten künftig, acht Jahre nach Inkrafttreten, alle Fahrzeuge, die auf der Autobahn fahren, Gebühren entrichten - also auch Pkw, jedoch nicht Motorräder und Busse.

[Wenn Sie die wichtigsten Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Beim Gebührensystem solle es eine Wahlfreiheit geben, also ob zeit- oder streckenbezogen. Außerdem seien Erleichterungen im Hinblick auf die Umsetzung der CO2-Differenzierung geplant.

Das Bundesumweltministerin konterte am Mittwoch und lehnte Scheuers Vorstoß ab. Ein Sprecher von Ministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, eine EU-weite Vignette führe in die falsche Richtung. Er wies darauf hin, dass die Bundesregierung eine Bepreisung des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) im Verkehr ab 2021 beschlossen hat - damit sollen Benzin und Diesel schrittweise verteuert werden. Die CO2-Bepreisung soll in den kommenden Jahren stufenweise steigen, im Gegenzug sollen Pendler entlastet werden.

Umweltministerium will keine „Doppelbelastung“

Das Umweltministerium wolle keine „Doppelbelastung“ für Autofahrer, hieß es. Eine Vignette hätte außerdem den Nachteil, dass es eine Art „Flatrate“ wäre, die Vielfahrer belohne und Wenigfahrer belastet, so der Sprecher Schulzes.

Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kirsten Lühmann, sagte: „Verkehrsminister Andreas Scheuer prescht mit einem alten Vorschlag voran, der weder abgestimmt noch sinnvoll ist, und mit dem er schon bei seinen europäischen Kollegen abgeblitzt ist.“ Fahrer, die ihr Auto häufiger stehen lassen und auf klimafreundliche Alternativen umsteigen, gehörten beim Vignetten-Modell zu den Verlierern, denn sie zahlten denselben Preis wie Vielfahrer.

Auch SPD-Chefin Saskia Esken reagierte verhalten. „Die Maut als Bezahlmodell ist sicher auf europäischer Ebene besser angelegt als dieser untaugliche Versuch, der in Deutschland gemacht wurde - unter dem schrecklichen Begriff „Ausländermaut“, der ja an die Wand gefahren ist“, sagte sie bei ihrer Sommertour in Baiersbronn. Sie empfahl Scheuer aber, grundlegend zu überlegen, was die richtigen Ansätze für die Verkehrspolitik seien. Die SPD stehe zum Beispiel längst für ein Tempolimit auf den Autobahnen ein und für eine Einschränkung des Individualverkehrs zugunsten von mehr ÖPNV.

Kellner: „Maut-ist-sein-Hobby-Scheuer“

Auch aus der Opposition kam Kritik. „Minister Scheuer agiert nach dem Motto: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Anstatt ein unverhältnismäßig aufwändiges und datenschutzrechtlich brisantes System zu etablieren, wäre dem Klima mit einer europäischen Einigung zur Reform der Energiesteuer viel besser gedient“ kommentierte der Linke-Verkehrspolitiker Jörg Cezanne.

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte: „Wenn Andi Scheuer jetzt nach seinem Maut-Desaster mit dem Vorschlag einer neuen, europaweiten Maut kommt, ist das nicht mehr als ein weiterer billiger Versuch, den beschlossenen CO2-Preis noch zu stoppen.“

Eine politische Einigung über eine europaweite Maut und deren technische Umsetzung würde Jahre dauern, wenn sie überhaupt gelänge. „Diese Zeit haben wir angesichts der Klimakrise nicht mehr.“ Und Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer der Grünen, twitterte: „Maut-ist-sein-Hobby-Scheuer zündet die nächste Nebelkerze, um von seinem Versagen als Verkehrsminister abzulenken.“

Das Modell für eine deutsche Pkw-Maut war im vergangenen Jahr gescheitert. Der Europäische Gerichtshof hatte die Pläne gekippt - sie seien diskriminierend für die Halter und Fahrer aus anderen EU-Ländern. Die Opposition wirft Scheuer schwere Fehler zulasten der Steuerzahler vor. So habe er Verträge zur deutschen Pkw-Maut voreilig unterschrieben. Der Minister weist die Vorwürfe zurück. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false