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Alles muss raus. Die Videoworld-Filiale in Berlin-Zehlendorf verkauft ihre letzten Bestände an die Kunden.

© Sven Darmer

Medienwandel: Die Videothek stirbt

Weil immer mehr Menschen Filme und Serien im Internet streamen, müssen viele Verleiher aufgeben. Auch in Berlin schließen die meisten Filialen.

Vor zehn Jahren gehörten sie zum festen Bild einer Stadt. In jedem Kiez gab es mindestens zwei von ihnen. Doch nun verschwinden die Videotheken aus dem Stadtbild. Sie sind Opfer des digitalen Wandels. Die Kunden streamen Filme, statt sie im Laden auszuleihen.

Die Videoworld-Filiale in Berlin-Zehlendorf ist die nächste Videothek, die ihre Tore schließen muss. Seit Wochen findet hier der Ausverkauf des Sortiments statt, die Filiale soll demnächst dichtmachen. Klassiker wie „Star Wars“ und „Herr der Ringe“ landen für wenig Geld in den Taschen ihrer neuen Besitzer. Der kleine Parkplatz des Ladens ist so voll wie lange nicht mehr. 15 Jahre existierte der Filmverleiher am südwestlichen Rand der Stadt, jetzt ist Schluss. „Netflix und die zu hohe Miete sind die Ursache“, sagen die Mitarbeiter. „Der Vertrag läuft jetzt aus und wird nicht verlängert. Es rentiert sich nicht mehr.“

Ein Rückgang von mehr als 75 Prozent

Was in Zehlendorf passiert, spielt sich auch an vielen anderen Orten Deutschlands ab. 2007 gab es nach Angaben des Interessenverbandes für Video- und Medienfachhandel bundesweit mehr als 3000 Videotheken plus 1000 Automatenvideotheken. 2016 waren es nur noch 900. Ein Rückgang von mehr als 75 Prozent. „Die Kunden streamen lieber gemütlich von zu Hause aus über Portale wie Netflix, Maxdome oder Amazon. Und neben den legalen Portalen sind es vor allem auch die illegalen Streaming-Möglichkeiten im Internet, die die Preise drücken“, erklärt Verbandsvorstand Jörg Weinrich.

Videotheken funktionieren nach einem einfachen Prinzip. Sie kaufen begrenzt und meist für einen bestimmten Zeitraum Filme oder Videospiele und das Verleihrecht bei den Produzenten ein. Über die Vermietung der Filme an Dritte wird der Einkauf finanziert. Da Videotheken aber, anders als die meisten Streaming-Portale, keinen monatlichen Preis für die Nutzung verlangen, sind die Einnahmen an eine möglichst hohe Zahl an Ausleihen gebunden. Hinzu kommen die günstigen Preise. Kunden bezahlen nicht mehr als 1,50 Euro, um ein Video einen gesamten Tag lang auszuleihen.

Videotheken liegen am Ende der Verwertungskette eines Films

Problematisch wird es dann, wenn nicht mehr genügend Kunden die vorher eingekauften Filme tatsächlich ausleihen wollen. Zudem liegen Videotheken und das Fernsehen am Ende der Verwertungskette eines Films. „Die Filmproduktion ist so teuer, dass man Filme nicht einige Monate nach Kinostart in einem Verleih-Abonnement verschleudern kann“, sagt Weinrich.

Aber auch die Übersättigung des Filmmarktes ist ein Problem. „Die Filmproduktion hat in den letzten 15 Jahren immens zugenommen. Damals lief ein Blockbuster bei uns über Jahre gut, heute wird er nach zwei Monaten durch den nächsten riesigen Kinohit ersetzt. Die Menschen kommen mit dem Gucken und wir mit dem Bestellen nicht mehr hinterher“, berichtet ein Mitarbeiter einer anderen Videothek in Schöneberg.

Ursache für den Tod der Videotheken ist nach Angaben von Verbandsvorstand Weinrich auch die hohe Nachfrage nach Serien, die auf den Streaming-Portalen laufen und Zuschauer an diese binden. Doch die Bequemlichkeit der Kunden ist nur die eine Seite, auf der anderen Seite machen auch die rasant steigenden Mieten in den meisten deutschen Großstädten den Verleihern das Geschäft schwer. „Für die Wohnungen hier nebenan gibt es eine Mietpreisbremse. Für den Gewerberaum nicht. Würden wir unseren Betrieb nebenan in einer Wohnung führen können, gäbe es uns noch“, sagt ein Mitarbeiter der Zehlendorfer Videothek. Sie würden fast 6000 Euro Miete bezahlen für gerade einmal rund 250 Quadratmeter. Um solche Summen zu bezahlen, reichen Umsatz und Gewinn nicht.

Einige Videotheken profitieren von dem Wandel

Doch andere haben noch Hoffnung: „Durch die massenhaften Schließungen anderer Videotheken profitieren wir. Bei uns läuft das Geschäft noch sehr gut“, erklärt ein Mitarbeiter einer Videothek, die in Steglitz liegt. Der Laden ist gut besucht, alle paar Minuten reicht ein Kunde die Ausleihkarte über den Tresen. Gefragt sind aber nicht nur Filme, sondern vor allem Videospiele, „weil man die online nur kaufen und nicht für einen Euro testen kann“, sagt der Mitarbeiter. Auch für Familien mit Kindern seien Videotheken nach wie vor attraktiv, denn das Ausleihen von Filmen werde gern mit einem Familienausflug verbunden. „Wir haben hier deshalb auch eine große Auswahl an Naschsachen.“

Marie Just

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