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Wirtschaft: Mehdorn stößt auf Widerstand

Aufsichtsrat ist verwundert über die angeblichen Streckenkürzungen - Protest der Gewerkschaftenchi Nur knapp einen Monat nach seinem Amtsantritt hat der neue Vorstandsvorsitzende Hartmut Mehdorn bei der Deutschen Bahn schon für gewaltigen Wirbel gesorgt. Stück für Stück sickerten in den vergangenen Tagen seine Umstrukturierungspläne durch: Der Fernverkehr soll neu geordnet, das Streckennetz gestrafft, die Verbindungen zwischen den Ballungszentren ausgebaut werden.

Aufsichtsrat ist verwundert über die angeblichen Streckenkürzungen - Protest der Gewerkschaftenchi

Nur knapp einen Monat nach seinem Amtsantritt hat der neue Vorstandsvorsitzende Hartmut Mehdorn bei der Deutschen Bahn schon für gewaltigen Wirbel gesorgt. Stück für Stück sickerten in den vergangenen Tagen seine Umstrukturierungspläne durch: Der Fernverkehr soll neu geordnet, das Streckennetz gestrafft, die Verbindungen zwischen den Ballungszentren ausgebaut werden. Mehdorn will "Angebote, die die Kunden überzeugen", ein überschaubares Tarifsystem, mehr Service, mehr Pünktlichkeit. Doch zugleich sollen die Kosten heruntergefahren werden: durch mehr Wirtschaftlichkeit im Betrieb, neue Organisationsstrukturen und einem beschleunigten Personalabbau.

Ob Mehdorn diese Pläne umsetzen kann, steht in den Sternen. Nicht nur die Gewerkschaften kündigten massiven Widerstand an. Auch im Aufsichtsrat sorgen die Pläne für Verwunderung. Über einen Abbau von 70 000 Stellen sei im Aufsichtsrat noch nicht gesprochen worden, sagte Albert Schmidt, verkehrspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied des Bahn-Aufsichtsrates, dem Tagesspiegel. Aber auch bei einer radikalen Ausdünnung des Netzes "wird es ernsthafte Diskussionen" geben.

Laut Mehdorn führt kein Weg an drastischen Kosteneinsparungen vorbei: "Wir müssen unsere Produktivität weiter steigern und Kosten senken, um die Kraft für zukunftssichernde Maßnahmen zu haben", schrieb er in einem Brief an die Mitarbeiter. Erstmals nannte er darin Zahlen der mittlerweile überarbeiteten Mittelfristplanung: Im Personalbereich müssten bis zum Jahr 2004 rund 3,6 Milliarden Mark eingespart werden - direkt umgesetzt liefe dies auf einen Abbau von 70 000 Stellen hinaus, knapp ein Viertel der noch vorhandenen 260 000 Stellen. Dies sei aber nur "ein rein theoretischer Ansatz", so der Bahnchef. Vielmehr wolle er "gemeinsam mit den Sozialpartnern alle möglichen und aus heutiger Sicht vielleicht auch noch unmöglich erscheinende Sparmaßnahmen ausschöpfen, um hier einen für das Unternehmen und die Mitarbeiter akzeptablen Weg zu finden."

Im einzelnen nannte er Altersteilzeit, Vorruhestandsregelungen sowie Einmalzahlungen für freiwilliges Ausscheiden. Dies reiche aber nicht aus. "Kein Tabu sein", so Mehdorn, dürften deshalb "die Vermittlung von Mitarbeitern zu anderen Unternehmen, marktgerechte Vergütungen oder die Verkürzung der Arbeitszeit bei entsprechender Kostenanpassung". Mit den Gewerkschaften stehen ihm harte Verhandlungen bevor.

Sparen will Mehdorn aber auch im Streckennetz. Neben dem vom Aufsichtsrat schon abgesegneten Konzept "Netz 21", das die Entflechtung von schnellem Fernverkehr, Regionalverbindungen und Güterverkehr vorsieht, will Mehdorn das Angebot im Fernverkehr deutlich attraktiver machen. Nach bislang unbestätigten Meldungen soll es künftig bundesweit acht Knotenpunkte geben, zwischen denen ICE-Züge im 30-Minuten-Takt verkehren. Um dafür Platz zu schaffen, soll das Verkehrsangebot insgesamt gestrafft werden. Im Fernverkehr stehen 40 Millionen Zugkilometer zur Disposition, weitere 10 Millionen im Nahverkehr.

Gegen diese Kürzungspläne regt sich erheblicher Widerstand. "Sollten tatsächlich 40 Millionen Zugkilometer im Fernverkehr wegfallen, wäre das ein Viertel des derzeitigen Angebotes", sagt Bahn-Aufsichtsrat Albert Schmidt. Ähnlich wie die Gewerkschaften warnte er den Bahnvorstand davor, zu einseitig auf die Kosteneinsparungen zu setzen. Ein Rückzug widerspreche auch dem Auftrag der Bahnreform. "Wenn die Bahn mehr Umsatz auf die Schiene bringen will, dann muss sie auch für den nötigen Zulauf sorgen." Dem Aufsichtsrat, betonte er allerdings, seien "solche Zahlen bislang nicht bekannt". Auch Holger Jansen, Sprecher des Fahrgastverbandes "Pro Bahn", beklagte "Widersprüche" im den bislang bekanntgewordenen Plänen. "Die Bahn könnte in diesem Jahr gut zehn Prozent mehr Umsatz im Fernverkehr erzielen - aber nicht mit deutlich weniger Zügen." Der Bahn-Vorstand sollte "eine etwas deutlichere Linie erkennen lassen", fordert er.

Auch die interne Organisation des Bahnkonzerns will Mehdorn straffen. Die Bahn müsse wieder als "Einheit" auftreten, den Kunden "ein Angebot aus einem Guss" gewährleistet werden, gab er als Devise aus. Im Management wird es deshalb einige Veränderungen geben: Dem Vernehmen nach soll der neue Fernverkehrsvorstand Christoph Franz auch die Verantwortung für den Nahverkehr übernehmen. Unterstützen soll ihn dabei Ulrich Homburg, bislang Chef des Konkurrenten Deutsche Eisenbahngesellschaft (DEG). Der bisherige Nahverkehrsvorstand Klaus Daubertshäuser soll das Marketing übernehmen. Für Controlling und Revision soll künftig Thilo Sarrazin verantwortlich zeichnen, bislang noch Chef der Treuhandtochter TLG. Und auch für Cargo-Vorstand Sinnecker, der in den Ruhestand wechselt, gibt es offenbar schon einen Nachfolger: der kürzlich von Thyssen zur Bahn gewechselte Cargo-Marketingchef Dieter Lindenblatt.

chi

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