zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Mehr als Teilzeit

Wie IBM die Arbeitszeiten an die Bedürfnisse von Familien anpasst

In vielen Firmen gilt nach wie vor: Hauptsache anwesend. Sonst klappt es nicht mit der Karriere. Teilzeit oder von zu Hause arbeiten sind da kontraproduktiv. Doch es findet ein Umdenken statt – langsam. „Um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein oder zu werden, muss man heutzutage Arbeitszeitmodelle anbieten, die bei Familien gut ankommen“, ist Dieter Scholz, Personalchef bei der deutschen Tochter des US-Technologiekonzerns IBM, überzeugt.

Die IBM Deutschland mit Sitz in Ehningen bei Stuttgart arbeitet – inspiriert vom US-Mutterkonzern – schon seit Jahren am Thema Familienfreundlichkeit. „Wir bieten die Kombination von flexiblen Arbeitszeiten und mobilen Arbeitsplätzen“, sagt Scholz. So können die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit bis zu 15 Stunden pro Woche reduzieren, von zu Hause aus arbeiten oder ihr Arbeitsverhältnis bis zu sechs Jahre ruhen lassen, sei es für die Kinderbetreuung oder für die Pflege Angehöriger. Auch nach so langen Abwesenheiten stellt das Unternehmen einen „adäquaten Arbeitsplatz“ bereit. „Wichtig ist, dass die Kollegen während dieser langen Zeit sich weiterbilden und Kontakt zu ihrer Abteilung und ihrem Chef halten“, betont IBM-Manager Scholz. Die Firma hält dafür Material und Online-Weiterbildungskurse bereit. „So stellen wir sicher, dass Qualifikationen erhalten bleiben“, sagte der 56-jährige Personaldirektor des Computerkonzerns mit bundesweit rund 21 000 Mitarbeitern an 40 Standorten. In Ehningen, München oder Hamburg reserviert IBM Plätze in Kindergärten und handelt Sonderkonditionen aus. Im schwäbischen Stammsitz etwa wird das Mittagessen vom IT-Riesen gesponsert, dafür kommt die Einrichtung den Mitarbeitern mit längeren Öffnungszeiten entgegen.

Sigrun Eggerling, technische Beraterin bei IBM und Mutter von zwei kleinen Kindern, hat sich für die 30-Stunden-Woche entschieden. Von ihrer Arbeitszeit verbringt sie zehn bis 15 Prozent zu Hause. Aus Sicht der Spezialistin, die auch viel bei Kunden unterwegs ist, hat die Abwesenheit vom Betrieb aber auch ihre Grenzen. „Wenn man zu häufig von zu Hause arbeitet, gehen persönliche Kontakte verloren, das Networking leidet.“ Die Kinder betreut der Mann, für den es zwar als einziger Mann in der Krabbelgruppe zunächst ungewohnt gewesen sei. „Jetzt findet er die Sache aber interessant“, erzählt die 36-Jährige.

Auch IBM-Eventmanagerin Esther Jeske, alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Jungen, braucht für ihre Arbeit nicht mehr als einen Laptop, eine Internet-Funkverbindung und ein Telefon. Deshalb kann sie ihre 80-Prozent-Teilzeitstelle an zwei Tagen in der Woche vom Home Office aus erledigen. Dienstag und Mittwoch sind dann ihre „Büro-Meeting-Tage“, Freitag ist frei. „Ich finde das super, für mich funktioniert das gut.“ Für sie erleichtert die Möglichkeit, ganze Tage zu arbeiten beziehungsweise frei zu nehmen, Familienleben und Arbeit zu trennen. Denn sonst werde man niemanden gerecht, ist sie überzeugt.

Eggerling und Jeske gehören zu den vielen Frauen, die von der Flexibilität profitieren. Männer sind gerade bei längeren Abwesenheiten nach Scholz' Beobachtung in der Minderzahl. „Es werden zwar immer mehr Anträge von Männern, aber Rollenverhalten lässt sich nicht von heute auf morgen ändern.“ Warum tut sich die deutsche Wirtschaft mit der Familienfreundlichkeit noch immer so schwer? Scholz vermutet: „In vielen Firmen wird es nicht gern gesehen, wenn ein Mitarbeiter nicht körperlich im Büro anwesend ist – sie fürchten, die Kontrolle zu verlieren.“ Aber vor allem die junge Generation wolle das nicht mehr: „Die sind permanent vernetzt und arbeitsfähig – neun Uhr Arbeitsbeginn, zwölf Uhr Kantine und 18 Uhr nach Haus gehen, kommt für die nicht mehr in Frage.“ Von Julia Giertz, dpa

Julia Giertz[dpa]

Zur Startseite