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Die Bahn startet „die größte Modernisierungsoffensive, die die Schiene je gesehen hat".

© dpa

Mehr Geld für Gleise, Brücken und Tunnel: Bahn plant Verspätungen, die niemand bemerken soll

28 Milliarden Euro sollen in das vielerorts marode Schienennetz fließen. Das bedeutet neue Baustellen - dank eines ebenfalls neuen Fahrplans ändere sich für die Kunden aber nichts, sagt die Bahn.

Baustellen sind eine lustige Sache. Zumindest bei der Deutschen Bahn. Dann kommt der kleine Maulwurf ins Spiel, Max mit Vornamen. Seit 20 Jahren latscht die Kunstfigur mit Warnweste, Bauhelm und einem nicht sehr intelligenten Blick über Plakate, Flugblätter und sogar Comics, die die Deutsche Bahn in Auftrag gegeben hat. Seine Mission: Den Kunden erklären, dass leider mal wieder gebaut werden muss, dass es Dreck und Lärm gibt – und dass sich meistens auch noch die Züge verspäten.

In den kommenden Jahren wird Max intensiv strapaziert werden. Denn die Bahn startet „die größte Modernisierungsoffensive, die die Schiene je gesehen hat“, wie es Infrastruktur-Vorstand Volker Kefer am Montag in Berlin formulierte. 28 Milliarden Euro sollen bis 2019 in den Erhalt von Brücken, Tunneln, Gleisen, Stellwerken und Weichen im gesamten Land fließen. In Spitzenzeiten könne es 850 Baustellen am Tag geben. Das sei unerlässlich, schließlich stammt ungefähr jede dritte Brücke noch aus der Kaiserzeit. Die Folge für die Züge: Sie müssen abbremsen, Umwege fahren oder werden, im schlimmsten Fall, durch Busse ersetzt.

Zehn bis zwanzig Minuten zusätzliche Reisezeit

Trotzdem soll nach dem Plan der Bahn möglichst kaum jemand etwas mitbekommen von den vielen Baustellen. „Kunden, die sich nicht für das Bauen interessieren, sollen möglichst nichts merken“, sagte Jörg Sandvoß, der bei der Netztochter des Konzerns für den Fahrplan zuständig ist. Wie das? Die Arbeiten sollten möglichst in der Nacht oder am Wochenende stattfinden – und wo das nicht gehe, werde der Fahrplan entsprechend angepasst.

Das bedeutet: Die Bahn verspätet sich zwar im Prinzip, wenn aber gleichzeitig im Fahrplan mehr Puffer vorgesehen ist, verspätet sie auch wieder nicht. Selbst bei größeren Eingriffen ins Gleisnetz werde der Zuschlag aber meist nicht höher als zehn bis zwanzig Minuten ausfallen, versicherte Sandvoß. Bei Umleitungen könne es aber auch schon mal eine Stunde sein.

Schienen halten ungefähr 20 Jahre. Dann müssen sie ersetzt werden - das ist bis 2019 bei 17000 Gleiskilometern der Fall.
Schienen halten ungefähr 20 Jahre. Dann müssen sie ersetzt werden - das ist bis 2019 bei 17000 Gleiskilometern der Fall.

© Doris Spiekermann-Klaas

Die Bahn kann plötzlich so viel Geld verplanen, weil sie einen neuen Vertrag mit dem Bund geschlossen hat. Das Prinzip dabei ist, dass die Gewinne, die das Unternehmen an den Eigentümer Bund ausschüttet, komplett wieder in die Infrastruktur gesteckt werden. Hinzu kommen Haushaltsmittel. Dank dieser sogenannte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung kann die Bahn das Netz unabhängig von Etat-Engpässen des Bundes pflegen, ohne wieder und wieder das Plazet des Parlaments einzuholen. Dafür muss die Bahn das Geld sinnvoll einsetzen. Dies wird anhand von Qualitätskriterien geprüft – werden sie verfehlt, muss der Konzern Millionen-Strafen zahlen. Das Ziel ist, den Investitionsstau auf der Schiene binnen zwei Jahrzehnten abzubauen.

Mehr Geduld aufbringen müssen Bahn-Reisende beispielsweise bei der Sperrung des Nord-Süd-Tunnels der S-Bahn zwischen Mitte Januar und Anfang Mai. Im Sommer werden dann die Fernbahn-Gleise zwischen Zoo und Friedrichstraße zeitweise stillgelegt. 850 Millionen Euro will die Bahn bis 2019 in Berlin investieren, hinzu könnten noch weitere Projekte kommen. Der größte Batzen der derzeit fest stehenden Maßnahmen, 3,3 Milliarden Euro, fließt nach Bayern. Mit der Herkunft des Bundesverkehrsministers habe das aber nichts zu tun, beteuerte Bahn-Vorstand Kefer.

1700 neue Jobs

Auch in anderen Bundesländern stehen umfangreiche Sanierungen an. Die erst 2002 eröffnete ICE-Strecke Köln-Frankfurt am Main wird im Frühjahr an vier Wochenenden komplett gesperrt, im Mai die schnelle Trasse zwischen Hannover und Göttingen. Auch die Strecken Köln-Aachen, Köln-Siegen, Mannheim-Stuttgart, Nürnberg-Ansbach und München-Ingolstadt sind betroffen. Das Staatsunternehmen muss 1700 Leute einstellen, um die zusätzliche Arbeit an der Infrastruktur erledigen zu können, hieß es.

Und dann? Die frischen Milliarden würden mitnichten dazu führen, dass sich die Züge nicht mehr verspäten, sagte Fahrplan-Experte Sandvoß. Es gehe nicht um ein „Pünktlichkeits-Verbesserungs-Programm“. Das Netz sei vielmehr „ein Kontinuum“. Sieht so aus, als müsste sich Max Maulwurf noch ziemlich lange strapazieren lassen – es sei denn, die Bau-Planer schwenken irgendwann auf eine Ameise oder einen Käfer um. Doch dann könnten die Baustellen noch unbeliebter werden.

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