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Mehrwertsteuer: Die Stunde der Wahrheit

Die Deutschen hatten vor dem neuen Jahr gezittert - denn die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent drohte. In den ersten Wochen spüren die Menschen die Folgen für den Geldbeutel jedoch kaum.

Hamburg - Viele Geschäfte brannten ein Feuerwerk an Rabatten ab. Der Winterschlussverkauf machte den Vergleich von Preisen noch schwerer. Und Ikea verschob die Mehrwertsteuer-Erhöhung sogar um einen Monat. Ab 1. Februar aber schlägt der schwedische Möbelhändler auf seine Produkte die drei Prozentpunkte auf. Und auch die meisten Rabatt-Aktionen sind vobei. Der Januar sei der "Rabatt- und Ausverkaufsmonat", räumt Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer des Hauptverbands des deutschen Einzelhandels (HDE) ein. Ab dem Februar beginne nun die "Stunde der Wahrheit".

Die Dichte der Rabattaktionen sei im Monat nach der Erhöhung des Mehrwersteuersatzes von 16 auf 19 Prozent "noch heftiger als sonst im Januar" gewesen, sagt Pellengahr. So hatte die Elektronik-Kette Media Markt anfangs bei bestimmten Produktgruppen ganz auf die Mehrwertsteuer verzichtet. Saturn hatte nach eigenen Angaben rund 500 Artikel im Preis gesenkt. Auch bei Kleidung gab es den ganzen Januar über Tiefpreise, auch wegen des Winterschlussverkaufs.

Tiefpreis-Offensiven bergen Risiken

Verbraucherschützer sehen solche Tiefpreis-Offensiven kritisch. "Das Preisempfinden geht zunehmend verloren", sagt Christian Fronczak, Sprecher des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv). Auch für die Unternehmen sei dies nicht gut. "Wer fortwährend behauptet, dass gerade heute das Schnäppchen des Lebens zu machen sei, macht sich auf Dauer unglaubwürdig." Eine gewisse Verwirrung der Verbraucher kann auch Pellengahr nachvollziehen: "Einerseits freuen sich Kunden über Rabatte, auf der anderen Seite mag sie das Gefühl beschleichen, dass das vorher zu teuer war", sagt der HDE-Geschäftsführer.

Verbraucherschützer jedenfalls ist ein Spiel mit offenen Karten lieber. So lobt vzbv-Sprecher Fronczak bei Ikea eine "transparente Preispolitik". Dies sei allemal besser als eine verbreitete "schleichende Preisanpassung" wie sie von manch anderem Geschäft betrieben werde. Ikea hatte bereits im Oktober angekündigt, die Erhöhung der Mehrwertsteuer voll an seine Kunden weiterzugeben, dafür mit einmonatiger Verzögerung ab 1. Februar.

Preisversprechen kommen nicht beim Kunden an

Unter dem Strich gibt es einen Monat nach der Erhöhung nur noch wenige Mehrwertsteuer-Inseln. Einzelne Unternehmen hatten einen Boykott der 19 Prozent versprochen: C& A bezahlt nach einen Angaben "die Mehrwertsteuererhöhung für unsere Kunden", auch die Bekleidungs-Kette Esprit will es weiter so halten. C&A wirbt dabei mit einem Siegel des TÜV Rheinland, das eine Stabilität fast aller Verkaufspreise von Juni 2006 bis Juni 2007 bescheinigt. Auch der Elektronikanbieter Conrad hat sich dem "Preis-TÜV" unterzogen.

Doch letztlich halten Verbraucherschützer alle Preisversprechen für relativ. Ob diese beim Kunden ankommen, hängt für vzbv-Sprecher Christian Fronczak vor allem von ihrer Glaubwürdigkeit ab. So gab es bereits im vergangenen Jahr zahlreiche versteckte Preiserhöhungen, in dem schlicht die Verpackungsgrößen verkleinert wurden. Eine derzeit von der EU diskutierte Liberalisierung der Packgrößen könnte laut Fronczak das Problem weiter verschärfen. Wenn dann auch noch die Milchflasche nicht mehr einen Liter, sondern eine beliebige Menge fasse und die Tafel Schokolade nicht mehr unbedingt 100 Gramm enthalte, gebe es wahrscheinlich "noch weniger Durchblick an der Ladentheke", sagt Fronczak. (tso/AFP)

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