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Kein heißer Reifen. Ein Mercedes-Mechaniker markiert auf der Formel-1-Strecke von Abu Dhabi Rennreifen. Foto: dpa

© dpa

Mercedes in der Formel 1: Totalschaden fürs Image

Viele Autohersteller haben sich aus dem Rennzirkus verabschiedet, Mercedes fährt weiter – und setzt viel aufs Spiel.

Berlin - Wenn Michael Schumacher an diesem Sonntag in Abu Dhabi über die Ziellinie rollt, wird sein 780 PS starker Formel-1-Mercedes etwa 240 Liter Sprit in 55 Runden verbrannt haben. 80 Liter auf 100 Kilometern. Gelohnt hat sich der verschwenderische Energieaufwand trotzdem nicht: Schumacher ist den Favoriten hinterhergefahren in dieser Saison. Das Comeback des siebenfachen Weltmeisters ist missglückt.

Auch Schumachers Arbeitgeber Mercedes muss seine Hoffnungen einstweilen fahren lassen. Trotz einer Investition von geschätzten 200 Millionen Euro in ein eigenes Formel-1-Team zeigt sich nun, dass die Legende von den schnellen Silberpfeilen so schnell nicht wiederzubeleben ist, wie sich Daimler-Chef Dieter Zetsche das wünscht. „Man kann Erfolge in der Formel 1 nicht einplanen“, hatte er zum Saisonstart zwar vorausschauend gesagt. Doch am Ende steht, gemessen an den Erwartungen, das Gegenteil von einem Erfolg – eine Niederlage: Der Stuttgarter Autohersteller, der 2010 mit Mercedes GP Petronas in die Formel 1 zurückgekehrt ist, landet nur auf Platz vier in der WM-Gesamtwertung.

Mercedes-Benz-Motorsportchef Norbert Haug will den Fuß dennoch nicht vom Gas nehmen. Es werde bei Mercedes während und nach der Saison „positiv und konstruktiv diskutiert“, sagte er dem Tagesspiegel. Während immer weniger Autohersteller in der Königsdisziplin des Rennsports mitfahren wollen, kaufte Mercedes im Herbst 2009 den Rennstall Brawn, schloss einen Drei-Jahres-Vertrag mit Schumacher (der angeblich sieben Millionen Euro pro Jahr kassiert) und warb den Hauptsponsor Petronas an, der jedes Jahr 50 Millionen Euro zahlen soll.

Das junge Team habe im ersten Jahr des Engagements Platz vier erreicht, sagt Haug. „Jetzt wollen wir uns Schritt für Schritt um drei Plätze steigern – und das werden wir auch schaffen.“ Doch Beobachter haben Zweifel, ob der finanzielle Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag steht. „Die Rechnung geht für Daimler nicht auf“, sagt Jürgen Pieper, Autoanalyst beim Bankhaus Metzler. Wenn ein renommierter Autobauer in der Formel 1 mitfahre, müsse er den ersten Platz schaffen. Alles andere schade dem Image – „vor allem, wenn man sich Wettbewerbern wie Red Bull geschlagen geben muss“, glaubt Pieper. Er rechnet mit einem erheblichen „finanziellen Schaden“, den die Stuttgarter nach dem Schumacher-Flop zu verkraften haben.

Verlässliche Informationen über die Kosten der Formel1 sind weder bei Mercedes noch bei einem anderen Hersteller zu bekommen. „Nur soviel“, sagt Norbert Haug, „unsere Kosten für die Formel 1 betragen rund 70 Prozent weniger als noch vor fünf Jahren.“ Allein, auch vor fünf Jahren, als Mercedes noch mit McLaren zusammenarbeitete, ließ sich der Autokonzern nicht in die Bücher schauen.

Richtig ist, dass der Rennzirkus auch finanziell ein kleineres Rad dreht. Das offenkundige Missverhältnis von Aufwand und Ertrag hat die Formel 1 2009 in eine Krise gestürzt. Etliche Autokonzerne wie BMW, Honda oder Toyota verabschiedeten sich. Renault, seit 1977 in der Formel1, verkaufte die Mehrheit an seinem Werksteam an eine Investmentgesellschaft. Mercedes-Wettbewerber BMW begründete seinen Abschied damit, seine Ressourcen künftig sinnvoller einsetzen zu wollen: bei der Entwicklung umweltfreundlicher Straßenfahrzeuge. „Unser Engagement in der Formel 1 entspricht nicht mehr unserer Hauptzielrichtung“, erklärte BMW-Chef Norbert Reithofer.

Was nach einer glücklosen Saison ein wenig vorgeschoben klang, hatte einen wahren Kern: In Zeiten knapper Budgets, CO2-Debatten und Autokrise wirkte die Formel 1 plötzlich wie ein antiquiertes Luxusvergnügen superreicher Privatleute. Veranstalter Bernie Ecclestone, der Weltautoverband Fia und die Rennteams sahen sich genötigt, das Reglement zu ändern – und sich selbst Grenzen zu setzen. Downsizing in der Königsklasse des Motorsports: Obergrenzen für die Budgets wurden vereinbart und eine Maximalzahl von Mitarbeitern vorgeschrieben. So darf ab 2012 kein Team mehr als 280 Leute beschäftigen. Zugleich einigte man sich auf ein neues Motorenreglement und neue Verbrauchsformeln. Mit Innovationen wie einem System zur Rückgewinnung von Energie, die beim Bremsen entsteht – kurz: KERS – bekamen die schnellen Spritschlucker einen grünen Anstrich.

Hat die Renovierung den Autoherstellern ein neues Alibi gegeben, sich im Rennsport zu engagieren? Formel-1-Enthusiasten wie Norbert Haug glauben daran, dass Technik von der Rennstrecke auch dem Normalfahrer im Alltag nützt: „Unsere S-Klasse S400 Hybrid ist das erste – und am Markt sehr erfolgreiche – Serien-Automobil mit Kinetic Energy Recovery System (KERS).“ Andere halten die These vom Technologietransfer für eine Erfindung der Autoleute. „Das ist Entertainment und erinnert an die Teflon-Pfanne, die wir angeblich der Raumfahrt zu verdanken haben“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Car-Instituts an der Universität Duisburg-Essen. „Das ist Marketing“, glaubt auch Jürgen Pieper – vor allem bei Mercedes, einer Marke, die für Komfort und Luxus stehe, aber nicht für Sportlichkeit. Hier seien Ferrari oder Porsche glaubwürdiger. Norbert Haug hält dagegen: „Motorsport ist ein wichtiger Teil unseres Markenbildes und der erste Mercedes überhaupt war ein Rennwagen.“

Argumente von gestern für die Mobilität von morgen? Moderne Autofahrer seien an nachhaltiger, emissionsarmer Fortbewegung interessiert, und nicht daran „mit Radau um die Kurven zu fahren“, behauptet Autoexperte Dudenhöffer. Dass Hersteller, die in der Formel 1 mitfahren, mehr Autos zu höheren Preisen verkaufen können und jüngere Kunden ansprechen, sei nicht nachweisbar. Dudenhöffer hält die Formel 1 für reine Verschwendung. „Was Mercedes in zehn Jahren hier ausgibt, könnten sie in drei neue Modellreihen investieren.“ mit alf

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