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200. Geburtstag feiert die Messe in diesem Jahr, in dem es turbulent zugeht. Immerhin kommt das Geschäft nach den Lockdowns wieder in Fahrt.

© picture alliance/dpa/Stache

Messe Berlin in der Pandemie: Tantieme für die Chefs

Der Aufsichtsrat der landeseigenen Messegesellschaft gewährt sechsstellige Tantiemen für die Geschäftsführer.

Berlin - Erstaunliche Zustände in der Messe Berlin GmbH: Der Großteil der Belegschaft lebt vom Kurzarbeitergeld und der Chef bekommt eine sechsstellige Tantieme. Ausweislich des Geschäftsberichts für 2020 hat der damalige Vorsitzende der Geschäftsführung, Christian Göke, eine Tantieme von 328 000 Euro bekommen, davon 171 000 Euro für das Jahr 2019 und 156 000 Euro für das erste Coronajahr 2020. Gökes Geschäftsführerkollege Dirk Hoffmann erhielt für 2020 eine Tantieme von 86 000 Euro.

Bemerkenswert ist auch der Zeitpunkt. Der Aufsichtsrat der landeseigenen Messegesellschaft befasste sich bereits im Juni 2020 mit den Tantiemen. Wie ist es möglich, dass Festlegungen über die Höhe der Tantieme vor Ablauf des Geschäftsjahres getroffen werden können? Die Messe Berlin teilt dazu mit: Tantiemen würden „aufgrund von Zielvereinbarungen und Zielerreichungen gezahlt“, die wiederum der Beschlussfassung des Aufsichtsrats unterliegen. „Inhalte und Begründungen für diese Beschlüsse unterliegen der Vertraulichkeit.“

Die Geschäftsführer der landeseigenen Messe Berlin GmbH werden ordentlich bezahlt, das Fixgehalt liegt derzeit bei gut 330 000 Euro, plus Tantieme sind in guten Jahren bis zu 700 000 Euro möglich, wie einst bei Christian Göke, der im Frühjahr 2020 seinen Austritt aus der Messegesellschaft zum 31.12.2020 mitteilte. Seit dem 1.1.2021 führt Martin Ecknig die Geschäfte des Unternehmens. Ecknig bekam in seinem ersten Jahr als Messechef neben dem Festgehalt von 330 000 Euro eine Tantieme von 128 000 Euro.

2020 und 2021 fanden nur wenige Messen und Kongresse statt, die landeseigenen Gesellschaft musste mit einen dreistelligen Millionenbetrag vom Steuerzahler gestützt werden. Das war möglich durch eine Beihilferegelung der EU-Kommission aus dem Januar 2021, wonach die deutschen Messegesellschaften insgesamt 642 Millionen Euro von ihren Gesellschaftern, zumeist Städte und Bundesländer, bekommen dürfen. In der „Bundesrahmenregelung Beihilfen für Messen“ heißt dazu. „Die Begünstigten sind verpflichtet, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um den ihnen entstandenen Schaden so gering wie möglich zu halten.“ Ein Verzicht auf Tantiemen für die Geschäftsführer gehört nach Einschätzung des Aufsichtsrats der landeseigenen Messen Berlin offenkundig nicht zu den „zumutbaren Maßnahmen“.

Das Land Berlin wiederum respektive der Senat, im Aufsichtsrat der Messe vertreten durch den/die Wirtschaftssenator/-in, gab der Messe Berlin im August bzw. Dezember 2021 95 Millionen Euro, „um den voraussichtlichen Liquiditätsbedarf bis zum 31. März 2023 zu decken“, wie es im Geschäftsbericht heißt. Von den im Jahr 2020 durch das Land Berlin gezahlten Gesellschafterdarlehen in Höhe von 85 Millionen Euro konnten durch die oben erwähnte Bundesrahmenregelung Messen (BRR) für das Jahr 2020 50 Millionen Euro in Eigenkapital umgewandelt werden. „Mithin wurden mit der Rahmenvereinbarung zur Finanzierung die Gesellschafterdarlehen aus dem Jahr 2020 beendet und verbliebene Beträge nach Abzug des Umwandlungsbetrages aus der BRR Messen 2020 und zzgl. der im Jahr 2021 zugewendeten Mittel des Landes Berlin von 95 Millionen Euro in ein neues Gesellschafterdarlehen in Höhe von 130 Millionen Euro überführt.“ Außerdem erhielt die Messe aus der so genannten November-und Dezemberhilfe für Ende 2020 noch zusätzliche Bundesmittel von 14 Millionen Euro.

Bei diesen Summen aus öffentlichen Kassen sind ein paar hunderttausend Euro Tantieme für die Geschäftsführung Peanuts, mag sich der Aufsichtsrat unter der Leitung des Immobilienunternehmers Wolf-Dieter Wolf gedacht haben. Wolf, seit 2017 Vorsitzender des Aufsichtsrates, agierte auch schon vor Corona großzügig: Für 2018 zahlte die Messe Berlin dem Geschäftsführer Göke 25 000 Euro aus als Abgeltung für nicht genommene Urlaubstage in jenem Jahr. Ein ungewöhnlicher Vorgang, wie die Messe selbst einräumt. „Nur in Einzelfällen können nicht genommene Urlaubstage ausgezahlt werden.“ Diese Einzelfälle können teuer werden.

In der Senatsverwaltung für Finanzen lässt Staatssekretärin Barbro Dreher auf Anfrage zu den Tantiemen ausrichten, diese seien in den Coronajahren niedriger ausgefallen als in den Vorjahren. Angeblich „auf Bitten der Gesellschaft“, also der Messe Berlin GmbH, prüft die Senatsverwaltung „einen behaupteten Compliance-Sachverhalt“. Der betrifft aber nicht die Tantiemen. Es geht um die Rolle von Wolf, der auch Vorsitzender des Verwaltungsrats des RBB war, bei der Beauftragung des Ehemanns der RBB-Intendantin Patricia Schlesinger: Für ein Tageshonorar bis zu 2000 Euro coachte der 72-jährige Journalist Gerhard Spörl den neuen Messechef Ecknig in Medienangelegenheiten. „Nähere Angaben zum Gegenstand der Untersuchung kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht machen", teilte ein Sprecher der Finanzverwaltung mit.

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