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Wirtschaft: Metaller pfeifen den Kanzler aus

Gewerkschaftstag kritisiert Reformpolitik der Regierung / Koalition will Tarifautonomie nicht antasten

Hannover (alf). Kanzler Gerhard Schröder hat vor dem Gewerkschaftstag der IG Metall die Sozialpolitik der Regierung verteidigt. Schröder sagte am Mittwoch in Hannover vor 600 Delegierten, Altersstruktur und Wachstumsschwäche des Landes sowie die Probleme der Sozialsysteme ließen keine Alternative zur „Agenda 2010“ zu. „Es ist notwendig, und also wird es gemacht“, sagte Schröder unter Pfiffen. Die Delegierten hatten Schröders Einzug, der von IGMetall-Chef Jürgen Peters in den Saal geführt worden war, mit Schweigen begleitet. Erst als die Leiterin des Gewerkschaftstages dazu aufrief, Schröder zu begrüßen, gab es etwas Applaus und Buhrufe.

Dem Kanzler zufolge gibt es zu wenig Beitragszahler für die Sozialsysteme. Deshalb gäbe es zu Umstrukturierungen „keine andere Wahl“. Im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform sagte Schröder, es habe in den vergangenen Jahren „Fehlentwicklungen“ gegeben, die nun korrigiert würden.

Zur umstrittenen Ausbildungspolitik sagte Schröder, er werde sich „geeignete gesetzliche Möglichkeiten“ überlegen, um die Wirtschaft in die Pflicht zu nehmen, wenn die Unternehmen nicht freiwillig genügend Lehrstellen anböten. Der Kanzler bekam etwas mehr Beifall, als er sich zur Tarifautonomie bekannte und „die Balance zwischen zentraler Verhandlungsmacht und betrieblichen Lösungen“ bei Flächentarifverträgen in die Verantwortung der Tarifparteien stellte.

Zuvor hatte der Gewerkschaftstag in einer „Hannoveraner Erklärung“ die Regierung vor Eingriffen in die Tarifautonomie gewarnt, weil damit an „einer Säule der sozialen Demokratie gerüttelt wird“. Irritationen gab es über einen Antrag des Vorstands, in dessen ursprünglicher Fassung eine „kurzfristige Kampagne“ angekündigt wurde, „die es ermöglicht, noch auf die Entscheidungen im Bundestag und Bundesrat in diesem Herbst zu reagieren“. In Teilen der IG Metall werden dazu auch politische Streiks befürwortet. Der Antrag stammt aus dem Bereich Sozialpolitik, den Hans-Jürgen Urban verantwortet; Urban soll Leiter der Grundsatzabteilung und damit strategischer Denker der Gewerkschaft unter dem neuen Vorsitzenden Jürgen Peters werden. In der endgültigen Fassung des Antrags war dann nur noch von der Fortsetzung der seit Monaten laufenden Aktionen die Rede.

Ausdrücklich warnte der Gewerkschaftstag vor einer Erleichterung betrieblicher Bündnisse für Arbeit. Es drohe die Gefahr, dass die Regierung zur Durchsetzung der Sozialgesetze bereit sei, „Grundpfeiler der Tarifautonomie zu opfern und auf weitere Vorstellungen von CDU/CSU und FDP einzugehen“. Die Sozialkonzepte von Regierung und Opposition würden falsch begründet. „Ihnen liegt die Auffassung zu Grunde, dass Lohnnebenkosten gesenkt werden müssten und die demographische Entwicklung die teilweise Privatisierung sozialer Leistungen und die stärkere Umstellung von der Umlagefinanzierung auf die Kapitaldeckung erfordere.“

Die IG Metall lehnt das ab und befürwortet zumindest teilweise auch „das Mittel des Generalstreiks“ zum Widerstand gegen die „Kürzungen/Verschlechterungen unseres sozialen Sicherungssystems“, wie es in einem Antrag der Aachener IG Metall heißt. Dafür wurde indes keine Mehrheit der 600 Delegierten erwartet. Am Donnerstag wird der Kongress mit einer Grundsatzrede von Jürgen Peters sowie einer Diskussion der Fraktionsvorsitzenden der Parteien fortgesetzt.

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