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Wirtschaft: Metallindustrie vor dem Aufschwung

Aber sehr unsichere Stimmung/Arbeitgeberverband für weitere Flexibilisierung der Arbeit

Berlin (alf). Die Metall und Elektroindustrie scheint die Konjunkturflaute überstanden zu haben. „Wir sind dabei, die Talsohle zu durchschreiten“, sagte Martin Kannegiesser, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, am Donnerstag in Berlin. Allerdings hätten das die rund 20000 Betriebe mit ihren 3,5 Millionen Mitarbeitern auch schon im Frühjahr gedacht – und wurden dann „kräftig getäuscht“. Entsprechend unsicher sei gegenwärtig die Stimmung, was Kannegiesser zufolge die „ausgeprägte Investitionsschwäche“ erklärt. Die Zahl der Mitarbeiter habe zuletzt um 2,5 Prozent unter dem Vorjahresstand gelegen. Auf Grund flexibler Arbeitszeiten und vor allem wegen Arbeitszeitkonten konnte jedoch bislang die Entlassung von bis zu 200000 Mitarbeitern verhindert werden, sagte Kannegiesser.

Der Arbeitgeberpräsident plädierte denn auch für eine weitere Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeit. Eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit in Ostdeutschland, wie von der IG Metall gefordert, lehnte Kannegiesser ab; derzeit arbeiten die Metaller im Osten 38 Stunden die Woche und im Westen 35 Stunden. Für die Betriebe im Osten mache die längere Arbeitszeit einen „tariflichen Vorteil“ von 8,5 Prozent aus. Dieser Kostenvorteil müsse „noch sehr lange erhalten bleiben“, weil die Produktivität im Durchschnitt niedriger liege als im Westen. Die IG Metall hatte sich vergangene Woche auf einer arbeitszeitpolitischen Konferenz zwiespältig geäußert. Während Gewerkschaftschef Klaus Zwickel die Auffassung vertrat, dass generelle Arbeitszeitverkürzungen „in absehbarer Zeit keine Priorität“ hätten und deshalb auch die entsprechenden Tarifverträge nicht gekündigt werden sollten, will der ostdeutsche IG-Metall-Chef Hasso Düvel im kommenden Frühjahr einen Stufenplan zur 35-Stunden-Woche verhandeln. Spätestens bis 2007 will Düvel für die Ostmetaller die Angleichung der Arbeitszeit.

Dagegen meinte Kannegiesser, der Osten sei „nach wie vor wirtschaftlich noch schwach und gefährdet“. Sollte die Arbeitszeit verkürzt werden, bedeute das einen Kostenschub für die Arbeitgeber oder aber Lohnverzicht für die Arbeitnehmer. Beides sei nicht möglich, weil die Einführung eines gemeinsamen Entgeltrahmentarifs für Arbeiter und Angestellte die Metallindustrie noch einige Zeit belaste.

„Arbeitszeitgestaltung hat Vorrang vor Angleichung“, plädierte der Gesamtmetall-Präsident für mehr Flexibilität und längere Arbeitzeiten in „Engpassbereichen“, wie Entwicklung, Projektierung oder Programmierung. In der Dienstleistungswirtschaft sei „der Einheitsbrei früherer Arbeitszeitgestaltung nicht mehr möglich“. Vor allem in den Engpassbereichen „darf man den Leuten nicht im 7,5-Stunden-Takt das Licht ausknipsen“. Eine Umfrage des Ifo-Instituts habe ergeben, dass für zwei Drittel der Betriebe die Arbeitszeit zu kurz und die tariflichen Flexibilisierungsmöglichkeiten nicht ausreichend seien. Rund die Hälfte der Betriebe setze inzwischen Langzeitkonten ein, um bei schwacher Auftragslage mit Hilfe der Zeitguthaben Entlassungen zu vermeiden. „Arbeitszeitgestaltung ist für Betriebe und Belegschaften das sensibelste Thema überhaupt“, sagte Kannegiesser. Die deutsche Wirtschaft habe auf Grund der vergleichsweise kurzen Arbeitszeit lernen müssen, „mit Vielfalt an Arbeitszeitmodellen, mit Flexibilität und Differenzierung umzugehen; wir haben hier gegenüber vielen Ländern einen Know-how-Vorsprung“, sagte Kannegiesser.

Die Absichten der rot-grünen Bundesregierung beurteilte der Gesamtmetaller unterschiedlich. Zum einen seien die höheren Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung „außerordentlich bedauerlich“, allein durch die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze stiegen die Personalkosten in den Betrieben zwischen 0,5 und einem Prozent. Auf der anderen Seite bewertete Kannegiesser die Reformabsichten auf den Politikfeldern Bildung, Arbeitsmarkt und Sozialsysteme positiv. Zur Finanzpolitik meinte er, Hans Eichel sei bei der Steuerreform im Jahr 2000 eine „Fehleinschätzung“ im Hinblick auf die Körperschaftsteuer unterlaufen. Die Einnahmen aus dieser Steuer waren dramatisch eingebrochen. Kannegiesser plädierte für eine „Korrektur“ des entsprechenden Gesetzes, die jedoch nicht zu neuen Belastungen führen dürfe. Alles in allem seien durch die Steuerreform Großbetriebe entlastet und kleine benachteiligt worden.

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