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Milchboykott: Bauern legen Molkereien lahm

Der Kampf der Milchbauern für höhere Preise spitzt sich zu: Mit Blockaden vor Großmolkereien versuchen wütende Bauern, die Anlieferung der Rohmilch und die Auslieferung von Frischmilch, Käse und Quark zu verhindern.

Nach Einschätzung des Milchindustrieverbandes wurde weniger als die Hälfte der sonst üblichen Milchmenge geliefert. Die FDP beantragte eine Aktuelle Stunde zur Situation der Bauern im Parlament. Deutsche Milchbauern boykottieren seit Dienstag Molkereien, um höhere Milchpreise zu erzwingen.

Milch für den Abfluss

So wie Branchenführer Nordmilch aus Bremen befürchteten viele Molkereien, dass tausende Tonnen Milch in den Tanklastern verderben. Durch die Totalblockade nahezu aller Werke habe der Lieferstopp neue Dimensionen erreicht, erklärte der Bremer Konzern. Auch lieferwillige Bauern könnten ihre vollen Milchtanks nicht leeren und seien gezwungen, gigantische Mengen frisch gemolkener Milch direkt in den Abfluss zu leiten.

Dies betreffe allein bei Nordmilch bis zu 500 Tankladungen mit jeweils 25 Tonnen Milch. Lösungswege wollten Spitzenvertreter der Bauern und des Lebensmittelhandels am Montagabend bei einem ersten Treffen in Köln suchen. In der Nacht hatten sich Molkereien und Bauern geeinigt, mit dem Handel über höhere Milchpreise zu verhandeln. "Da hat ein Schulterschluss zwischen Milchbauern und Molkereien stattgefunden“, sagte Bauernverbandssprecher Michael Lohse.

Politiker schalten sich ein

Beobachter warnen jedoch, dass sich bei Preisabsprachen das Kartellamt einschalten müsste. Deutschlands zweitgrößter Lebensmittelhändler Rewe zeigte sich bereits für Verhandlungen offen. Noch hätten die Lieferanten das Gespräch aber nicht gesucht, sagte ein Unternehmenssprecher.

Die FDP will die Situation der Milchbauern an diesem Mittwoch in einer Aktuellen Stunde im Bundestag diskutieren. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Jürgen Koppelin, sagte: "Die Bundesregierung betreibt eine Symbolpolitik, die den Landwirten nicht hilft, ihre Einkommenssituation zu verbessern und höhere Milchpreise durchzusetzen.“ Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich vor kurzem gegen Forderungen der FDP nach Steuerentlastungen für die betroffenen Landwirte gewandt. Der Minister müsse sich für einen europäischen Sondergipfel einsetzen, verlangte die Vorsitzende des Bundestags-Verbraucherausschusses Ulrike Höfken (Grüne).

Molkereien von Milchlieferungen abgschotett

Der Verbraucherzentrale Bundesverband stellte sich hinter die Forderung der Bauern. Die Blockaden behinderten die Milchlieferung beim überwiegenden Teil der Großmolkereien. Die Menge sei im Vergleich zum Wochenende weiter zurückgegangen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Milchindustrieverbandes, Eberhard Hetzner.

Einige Molkereien wurden ihm zufolge komplett von der Milchlieferung abgeschottet, in einigen Regionen wurden nur 20 Prozent der sonst üblichen Milch geliefert. Im Westen Deutschlands wird nach Angaben des Verbandes über Kurzarbeit nachgedacht. Wegen der Vielzahl an Molkereien konnte Hetzner keine konkreten Angaben über die Auswirkungen des Boykotts machen.

300 Bauern riegeln Müller-Milch ab

Etwa 200 Bauern mit Traktoren und Sattelschleppern blockierten den größten Milchbetrieb Deutschlands, die Sachsenmilch-Molkerei in Leppersdorf. Den Stammsitz von Müller-Milch im schwäbischen Aretsried riegelten 300 Milchbauern ab. Wie in Leppersdorf schritt auch hier die Polizei ein, um den Weg freizuräumen. Bei Ehrmann im Unterallgäu blockierten Bauern mit rund 70 Treckern von Sonntagabend an die Ein- und Ausfahrten einer Molkerei.

Im niedersächsischen Rehburg-Loccum begann die Polizei am Nachmittag mit der Räumung einer Straßensperre. Dort hatten seit Samstag 100 Milchbauern die Zentrale der frischli Milchwerke versperrt. Die Großmolkerei Milch-Union Hocheifel (MUH) in Rheinland- Pfalz bereitete sich auf die Einstellung der Produktion vor. „Unsere Rohstoffe gehen zu Ende. Wenn die Blockade nicht endet, müssen wir die Produktion am Nachmittag beenden“, sagte MUH-Sprecher Wolfgang Rommel.

Proteste in Holland und der Schweiz

Auch in der Schweiz boykottierten Milchbauern ihre Molkereien, um für sich höhere Preise zu erkämpfen. 10.000 der 27.000 Milchbauern hätten sich angeschlossen, erklärte die Bäuerliche Interessengruppe im Marktkampf (BIG-M). Niederländische Bauern beendeten am Montag die Blockade einer der größten Molkereien des Landes nach einer richterlichen Aufforderung. Seit vergangenen Dienstag protestieren deutsche Bauern mit einem Lieferboykott gegen aus ihrer Sicht zu niedrige Milchpreise. Die Landwirte fordern bundesweit einen Literpreis von 43 Cent. Derzeit werden je nach Region zwischen 27 und 35 Cent gezahlt. (iba/dpa)

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