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Ein Gespenst ist das Symbol von Snapchat. 2017 will der Fotodienst an die Börse gehen.

© Patrick Seeger/dpa

Milliardenbewertung: Facebook-Rivale Snapchat will an die Börse

Der Fotodienst Snapchat ist auf dem Weg an die Börse - und weckt die Hoffnungen der Anleger: Es könnte einer der größten Börsengänge aller Zeiten werden.

Ein Geist geht um an der Wall Street. Doch lässt er die Anleger nicht etwa vor Angst erschaudern, sondern in Vorfreude auf ein Millionengeschäft: Snapchat, der Foto-Dienst mit dem kleinen weißen Gespenst als Markenzeichen, will an die Börse gehen – es könnte das größte Debüt seit dem Börsengang des chinesischen Onlinehändlers Alibaba vor zwei Jahren werden. 20 bis 25 Milliarden Dollar soll das Unternehmen aus Kalifornien wert sein. Hat Snapchat an der Wall Street Erfolg, dürfte der zuletzt maue Markt für Internet-Börsengänge wieder heiß laufen.

2017 will Snapchat eine Milliarde Dollar Umsatz machen

Bereits im März könnte die Muttergesellschaft Snap Inc. den Schritt aufs Parkett machen. Die dafür notwendigen Papiere seien bei der US-Börsenaufsicht SEC vertraulich eingereicht worden, berichten unter anderem der Finanzdienst Bloomberg und das „Wall Street Journal“. Das Unternehmen lotet damit das Interesse von Investoren aus, ohne Finanzdaten offenlegen zu müssen. Ein solches Vorgehen ist für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als einer Milliarde Dollar möglich – eine Marke, die Snapchat jedoch 2017 reißen dürfte, nachdem es dieses Jahr den angepeilten Umsatz von 350 Millionen Dollar bereits übertroffen haben soll.

Nicht nur bei Sexting-Fans ist Snapchat beliebt

Erst vor fünf Jahren gegründet, hat das Unternehmen einen Nerv getroffen: Statt wie Facebook darauf zu setzen, dass Nutzer immer mehr private Informationen öffentlich oder im Rahmen ihres sozialen Netzwerks teilen wollen, geht es bei Snapchat um den Moment: Die über den Dienst versendeten Fotos zerstören sich bereits wenige Sekunden nach dem Öffnen der Nachricht wieder. Klick und weg. In einer Generation, in der Sexting, also das Versenden von anzüglichem Bildmaterial, populär ist, kommen solche Funktionen gut an. Aber nicht nur deshalb ist Snapchat so beliebt. Bei dem Dienst gehe es nicht darum, den perfekten Moment einzufangen, erklärte Gründer und Chef Evan Spiegel in einem ersten Blog-Post 2012. „Es geht darum, mit der ganzen Bandbreite menschlicher Emotionen zu kommunizieren – nicht nur, was hübsch oder perfekt erscheint.“

Fotos und Videos löschen sich nach wenigen Sekunden

Seither ist die App immer weiter entwickelt worden, Nutzer können mit Freunden nicht nur Fotos, sondern auch Videos teilen, die wieder verschwinden. Über sogenannte Stories können Fotos und Videos geteilt werden, die immerhin 24 Stunden halten. Auch viele Prominente nutzen den Dienst inzwischen, wie beispielsweise First Lady Michelle Obama.

Seinen Sitz hat Snapchat in Los Angeles, nicht weit entfernt vom berühmten Muscle Beach in Venice. Und wie die Bodybuilder dort lässt auch Unternehmenschef Spiegel gerne seine Muskeln spielen. Eine Übernahmeofferte von Facebook-Chef Mark Zuckerberg lehnte er selbstbewusst ab – und das gleich zweimal: zunächst das Angebot von angeblich einer Milliarde Dollar, dann das über drei Milliarden Dollar.

Bei Snapchat werden mehr Videos geteilt als bei Facebook

Stattdessen will Spiegel das Unternehmen selbst weiterentwickeln. Und setzt dafür nun offensichtlich auf den Börsengang. Mehr als 150 Millionen Nutzer zählt Snapchat inzwischen, die sich täglich mehr als zehn Milliarden Video-Clips ansehen. Facebook mit seinen rund 1,8 Milliarden Nutzern kommt dagegen nur auf acht Milliarden Videos (Stand 2015) – und genau das ist Zuckerbergs Problem.

Denn wie das weltweit größte soziale Netzwerk verdient auch Snapchat sein Geld mit Werbeinhalten, die künftig deutlich stärker an Videos gekoppelt werden – und hier hat Snapchat eben schon jetzt die Nase vorn. Erst vor zwei Wochen kündigte Zuckerberg an, künftig ebenfalls stärker auf Videos setzen und sie zum Kernelement des Facebook-Angebots machen zu wollen, denn „bald werden sich die Menschen nicht zuerst über einen Text mitteilen, sondern über ein Video“, ist Zuckerberg überzeugt. Mit Facebook-Tochter Instagram hat er kürzlich das Konzept von Snapchat-Stories quasi eins zu eins kopiert, und über das ebenfalls zu Facebook gehörende WhatsApp sind seit dieser Woche Videoanrufe möglich.

Twitter stellt derweil seinen Videodienst Vine ein

Während Spiegel und Zuckerberg um die Vorherrschaft auf dem Videodienst-Markt konkurrieren, kämpft der ebenfalls börsennotierte Kurznachrichtendienst Twitter um seine Zukunft. Das Unternehmen kündigte kürzlich an, seinen Videodienst Vine einzustellen und neun Prozent seiner weltweit rund 3800 Mitarbeiter zu entlassen. Das Unternehmen, das tief in den roten Zahlen steckt, sucht seit Monaten einen Käufer. Bisher ohne Erfolg. Auch Facebook hatte für 2017 sinkende Erlöse angekündigt, die Aktie brach zwischenzeitlich ein. Gelingt Snapchat der Börsengang, dürfte der Markt für Tech-Unternehmen dagegen wieder neuen Schwung bekommen. Das wäre dann ein Spuk, der länger weilen dürfte.

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