zum Hauptinhalt

Milliardenschmuggel: Zwei Japaner und der doppelte Boden

In einem Koffer verbargen sich US-amerikanische Staatsanleihen im Nennwert von 96 Milliarden Euro. Es könnte der größte aufgedeckte Schmuggel der Menschheitsgeschichte sein – und trotzdem halten sich die Behörden mit Informationen zurück.

Rom - Zwei Japaner in einem Vorortzug. Irgend etwas kam den italienischen Zollbeamten daran spanisch vor. Fernöstliche Geschäftsleute oder Touristen bevorzugen auf ihren Reisen durch Europa normalerweise die schnellen, internationalen Städteverbindungen. Aber einen Pendlerzug von einem zweitrangigen Mailänder Bahnhof bis nach Chiasso, also genau bis hinter die Schweizer Grenze? So suchten die Beamten – und wurden fündig. Die Koffer der Japaner hatten einen doppelten Boden, und darunter verbargen sich 259 US-amerikanische Staatsanleihen im Nennwert von 134 Milliarden Dollar, umgerechnet 96 Milliarden Euro.

Vierzehn Tage liegt der unglaubliche Fund zurück; es könnte der größte aufgedeckte Schmuggel der Menschheitsgeschichte sein – und trotzdem halten sich die Behörden mit Informationen zurück. Auch die Medien in Italien haben die Sache derart auffällig übergangen, dass in Internet-Blogs die Verschwörungstheorien wild ins Kraut schießen.

Auf Nachfrage ist beim italienischen Zoll zu hören, man habe die Sache bisher „tiefer gehängt“, weil die alles entscheidende Frage nicht beantwortet sei: Sind die Papiere echt oder gefälscht? In Chiasso, am Grenzübergang Italien- Schweiz, stoße man ja jede Woche auf eine Menge Devisenschmuggel bis hinauf zu zweistelligen Millionenbeträgen; da sei alles vertreten: Steuerflucht mit echten Vermögenswerten, Versuche, einfach nur die Zollgebühren zu umgehen, Transporte in die „sicheren“ Felsentresore der Schweiz oder eben auch Geschäftemacherei mit mehr oder weniger kunstvoll nachgeahmten Wertpapieren. Zumindest ein Teil der Papiere, die „handlichen“ Stückelungen von 500 Millionen Dollar, könnten echt sein, das Papiermaterial mache einen vertrauenswürdigen Eindruck, meinte ein Oberst der italienischen Finanzpolizei. Höhere Chargen beteuerten am Montag aber, die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen.

Sicher sei, sagt der Mann vom Zoll, dass die Papiere nummeriert seien, außerdem habe man „umfangreiche Bankdokumentationen“ zu den Zertifikaten gefunden; da müssten Ursprung und Echtheit bei der US-Notenbank durchaus zu verifizieren sein. Die Papiere sind gleichwohl sehr alt: Sie sollen „laut Datumsaufdruck vor achtzig oder neunzig Jahren herausgegeben“ worden sein.

Normalerweise, so heißt es, werden Staatsanleihen dieser Dimensionen nur zwischen Staaten gehandelt. Welcher Staat aber könnte sich „echter“ Papiere auf dem Schmuggelweg entledigen wollen? In Internetforen wird spekuliert, die Zertifikate hätten in den Tresoren kommunistischer Staaten gelegen, seien in den Wirren der Wende geklaut, dann von den Dieben stillschweigend gehortet worden. Jetzt erst, 20 Jahre später, hätten diese Herrschaften ihr Geschäft machen wollen, anonym möglichst, in der „sicheren“ Schweiz eben. Derweil hofft der italienische Finanzminister inständig, die Papiere mögen echt sein. Dann hätte er nämlich das Recht auf ein Bußgeld von 38 Milliarden Euro. Paul Kreiner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false