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Achtung Videoüberwachung: Im Bekleidungshandel werden im Schnitt 0,42 Prozent des Umsatzes für Diebstahl-Prävention ausgegeben.

© picture alliance / dpa

Milliardenverluste durch entwendete Waren: Diebesbanden werden zum Problem für den Einzelhandel

3,75 Milliarden Euro verliert der Einzelhandel jährlich durch Diebstahl. Dabei sinkt die Zahl einfacher Delikte, die organisierte Kriminalität wird stärker.

Dem Einzelhandel in Deutschland gehen durch Diebstahl Milliarden verloren. Allein im vergangenen Jahr beliefen sich die Verluste auf 3,75 Milliarden Euro, wie das Handelsforschungsinstitut EHI Retail am Dienstag mitteilte. „Im Handel wird nach wie vor gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist“, kommentierte Frank Horst, Sicherheitsexperte vom EHI, die Untersuchungen des Instituts.

Insgesamt belaufen sich die Inventurdifferenzen, wie es amtlich heißt, auf 4,3 Milliarden Euro – das sind 0,63 Prozent des Gesamtumsatzes. Circa 560 Millionen Euro davon gehen auf organisatorische Mängel wie falsche Preisauszeichnung oder Verderb zurück. Damit ist klar, dass der Großteil der Unregelmäßigkeiten in den Büchern auf Diebstahl zurückzuführen ist.

Nach 4,1 Milliarden Euro Inventurdifferenzen im Jahr 2017 bedeuten die aktuellen Zahlen eine Steigerung von fast fünf Prozent. Statistisch gesehen entfällt damit auf jeden Haushalt in Deutschland jährlich ein Warenwert von fast 60 Euro, der nicht bezahlt wird. Auf den Lebensmittelhandel umgerechnet würde das bedeuten, dass rund jeder 200. Einkaufswagen unbezahlt die Kasse passiert.

Jeden Tag 7,7 Millionen Euro Kundendiebstahl

Die Forscher von EHI Retail berufen sich dabei auf Umfragen unter 94 Unternehmen und 22.551 Betriebe, die zusammen für einen Umsatz von knapp 100 Milliarden Euro stehen. Die Frage, wer für die Diebstähle verantwortlich ist, ist für die meisten Befragten klar: Der Kunde. „An jedem Verkaufstag entsteht dem deutschen Einzelhandel ein Schaden in Höhe von fast 7,7 Millionen Euro durch Kundendiebstahl“, heißt es in der Studie.

Hinzu kämen Diebstähle von Mitarbeitern im Wert von schätzungsweise einer Milliarde Euro. Warenschwund im Volumen von weiteren 350 Millionen Euro soll auf das Konto von Lieferanten und Servicekräften gehen.

Fast nichts ist vor den Langfingern sicher. „Generell gilt: Was sich gut verkauft, wird auch oft geklaut“, heißt es in der Untersuchung. Im Lebensmittelhandel sind Spirituosen die Renner im Diebstahl-Ranking. In Drogeriemärkten sind Parfüms und Kosmetik besonders beliebt. Im Modehandel werden werden besonders häufig hochwertige Markenbekleidung, Jeans und Turnschuhe entwendet. Im Elektronikhandel lassen die Kunden gerne Konsolenspiele, Smartphones und Speicherkarten mitgehen, im Baumarkt sind Akkuschrauber und anderes Werkzeug erste Wahl.

Bandendiebstahl nimmt zu

Dabei nimmt die Bedeutung von bandenmäßigem Diebstahl wohl weiter zu. Die Zahl der angezeigten einfachen Ladendiebstähle sinkt seit Jahren kontinuierlich, schwere Ladendiebstähle hingegen haben in den vergangenen zwölf Jahren laut Kriminalstatistik um mehr als das Zweieinhalbfache zugenommen.

Bei Bandendiebstählen werden der Studie zufolge bei einem einzigen Raubzug in der Regel Waren im Wert von 1000 bis 2000 Euro entwendet. Die Täter befolgen laut Studie genaue Aufgabenteilungen: Verkaufspersonal ablenken, das Diebesgut in „Depots“ zusammenstellen, abgreifen, einstecken, Ware aus dem Geschäft tragen und Fluchtweg sichern. Wegen der hohen Dunkelziffer in dem ganzen Bereich, sei die Einordnung allerdings schwierig, wie die Experten anmerken. Sie gehen davon aus, dass jährlich fast 24 Millionen Ladendiebstähle unentdeckt bleiben.

Auch der Staat verliert

Besonders betroffen ist der Lebensmitteleinzelhandel. Hier verschwanden im Jahr 2018 Waren im Wert von 1,4 Milliarden Euro. Mit 450 beziehungsweise 300 Millionen Euro sind auch Textilhändler und Baumärkte stark betroffen. Mit Blick auf den Anteil am Umsatz sind allerdings Drogerien die größten Opfer. Ihnen gehen im Schnitt 0,83 Prozent ihres Umsatzes durch Inventurdifferenzen verloren.

Trotz des Milliardenschadens scheinen die Unternehmen ihre Bemühungen im Kampf gegen den Diebstahl kaum verstärken. Nur jedes achte will hier mehr Geld ausgeben. Allerdings investieren die Firmen schon jetzt rund 1,45 Milliarden Euro pro Jahr in Präventivmaßnahmen. Die meisten setzen auf die Schulung ihrer Mitarbeiter. Vier von fünf Unternehmen setzen zudem Kamera- und Videotechnik ein. Fast die Hälfte der Unternehmen setzt ferner Detektive ein, um Dieben auf die Spur zu kommen.

Am Ende gehen durch den Diebstahl nicht nur den Unternehmen Einnahmen verloren, sondern auch dem Staat. Die Mehrwertsteuerausfälle belaufen sich auf rund 510 Millionen Euro im Jahr. (mit dpa)

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