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Millionengräber: Regionalflughäfen in der Krise

Die Kommunen verbinden große Hoffnungen mit dem Bau von Regionalflughäfen – doch die meisten kosten einfach nur viel Geld.

Auf die Lage kommt es an. Während die Betreiber von Kassel-Calden immerhin anführen können, dass ihr Flughafen ziemlich genau in der geografischen Mitte Deutschlands liegt, müssen andere Airport-Manager über Umwege für ihren Standort werben: „Rund um Lübeck locken Metropolen wie Hamburg und Berlin mit großen Designer-Labeln von Amarni (eigentlich Armani, Anm. d. Red.) bis Wunderkind (...) und Traditionshäusern wie dem Alsterhaus in Hamburg oder dem Luxus-Boulevard im weltberühmten KaDeWe in Berlin“, heißt es in der Imagebroschüre, mit der der Flughafen Lübeck Airlines, Reiseveranstalter und Investoren gewinnen will.

Wer tatsächlich von dort aus die 300 Straßenkilometer zum Ku’Damm oder Tauentzien in Angriff nimmt, könnte einen Zwischenstopp am Parchim International Airport einlegen. Dort hat die Rote Armee 3000 Meter Piste hinterlassen, lang und breit genug für den Riesenairbus A380. Die Kreisstadt Parchim und das Land Mecklenburg-Vorpommern verscherbelten den chronisch defizitären Flugplatz vor sechs Jahren an einen chinesischen Investor aus der Industriemetropole Zhengzhou. Der will Parchim angeblich als „Logistik-Drehkreuz für Nord- und Osteuropa“ nutzen. Als Kaufpreis waren 30 Millionen Euro vereinbart, am Ende wollten sich die Mecklenburger mit fünf Millionen begnügen. Eine Million Euro sei mittlerweile gezahlt worden, hieß es zuletzt. Auch auf das erhoffte Jobwunder wartet die Region noch.

Rund 430 Flughäfen und Flugplätze gibt es hierzulande – inklusive aller Rasenpisten für Segelflieger und Fliegerhorste der Luftwaffe. 59 Standorte haben eine Genehmigung für den Instrumentenflug, wären also geeignet für kommerzielle Fliegerei im größeren Stil. Doch das Geschäft, das ab Mitte der 1990er-Jahre mit der Liberalisierung des Luftverkehrs und dem Aufstieg der Billigflieger einen Boom erfahren hatte, ist schwierig geworden. In diesem Jahr werden „nur noch eine gute Hand voll“ der 22 als international klassifizierten Flughäfen ein positives Nettoergebnis erwirtschaften können, schätzt man beim Flughafenverband ADV.

Profitabel sind die großen Drehkreuze mit Interkontinentalverbindungen und großen Nebengeschäften wie Frankfurt am Main. 57,5 Millionen Passagiere wurden dort 2012 abgefertigt, das waren zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Der börsennotierte Betreiber Fraport gilt als hochprofitabel. Am anderen Ende der Liste steht Thüringens landeseigener Flughafen Erfurt-Weimar. Im Sommer 2011 noch ehrte Papst Benedikt XVI. den Airport mit seinem Besuch. Dann aber nahm Air Berlin Erfurt aus dem Flugplan, die Passagierzahlen brachen 2012 gegenüber dem Vorjahr um 35 Prozent auf nur noch 0,18 Millionen Fluggäste ein. Erfurt ist ein Millionengrab. Zum Vergleich: Die Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld hatten 2012 zusammen knapp 25,3 Millionen Gäste und schrieben operativ mutmaßlich eine rote Null.

Schon lange gibt es Kritik an den sogenannten „Bürgermeister-Airports“, bei denen der Verdacht naheliegt, dass sich dort nur Politiker aus Land und Kommunen in Beton verewigen. Schon 2005 sorgte eine Studie von Deutsche Bank Research für Aufregung. Demnach bräuchten Flughäfen eine kritische Größe von mindestens 0,5 bis zwei Millionen Fluggästen im Jahr, um profitabel zu wirtschaften. Autor Eric Heyman prangerte darin die hohen Subventionen für Provinz-Airports an, und stellte fest, dass jene unter privater Trägerschaft besser arbeiten als staatliche. „Der Neu- und Ausbau von Regionalflughäfen ist aus verkehrspolitischer Sicht nicht erforderlich“, lautete sein Fazit damals, und dies gelte heute mehr denn je, sagt Heymann.

Paradebeispiel für Aufstieg und Fall eines Regionalflughafens ist die ehemalige US-Air-Force-Base Hahn im Hunsrück. Vor 20 Jahren nahm der irische Billigflieger Ryanair den Flugplatz als Frankfurt- Hahn in den Plan auf, um sich so die hohe Ticketsteuer in Frankfurt am Main zu sparen. Doch 2012 sank in Hahn das Passagieraufkommen um vier Prozent auf 2,8 Millionen. Nun muss die Landesregierung von Rheinland-Pfalz, die noch das Finanzdebakel am Hockenheimring verarbeiten muss, für Hahn rund 80 Millionen Euro Finanzierungshilfe bis Ende 2014 nachschießen. Das Thema Liquidität brenne „lichterloh“, sagte der dortige Flughafen-Chef vor wenigen Wochen.

Beim Flughafenverband ADV verweist man auf die Konjunktur und politische Entscheidungen, die die Airlines und damit auch ihre Dienstleister, also die Flughäfen, träfen: Die Einführung der Luftverkehrssteuer etwa und die Einbindung der Branche in den EU-Klimazertifikatehandel. Es sei eine Krise des gesamten Flughafensystems, nicht nur ein Problem von einzelnen Regionalflughäfen.

Die Interessensgemeinschaft der kleineren regionalen Flugplätze IDRF hält nichts von der rein betriebswirtschaftlichen Betrachtung einzelner Standorte. „Man muss den volkswirtschaftlichen Gesamtnutzen sehen“, fordert Geschäftsführer Thomas Mayer. So seien viele Flugplätze, auch manche defizitäre, eine wichtige Stütze der regionalen Wirtschaft. Sie führten auch Steuern, etwa für den Kerosinverkauf, an den Bund nach Berlin ab. Auch führe die Reduzierung eines Flughafens auf Fluggastzahlen nicht weiter, sagt Mayer. „Ein kleiner Businessjet, der von Memmingen nach Kiel fliegt, damit vier Manager dort ein Geschäft einfädeln können, ist womöglich ökonomisch wertvoller als ein Ferienflieger, der 100 Touristen nach Mallorca fliegt, damit diese dort ihr Geld ausgeben.“ Vor dem Hintergrund werde man auch den Flughafen Kassel-Calden in einigen Jahren in milderem Licht sehen, sagt der Flugplatz-Lobbyist voraus. Schließlich habe auch Frankfurt am Main viele Jahrzehnte lang rote Zahlen geschrieben. Kevin P. Hoffmann

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