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Wirtschaft: Millionen verschwinden im Schattenhaushalt

Waigel Tricks bei der Neuverschuldung vorgeworfenVON TOM WEINGÄRTNER BONN.Nur 400 Mill.

Waigel Tricks bei der Neuverschuldung vorgeworfenVON TOM WEINGÄRTNER

BONN.Nur 400 Mill.DM trennen den Bundesfinanzminister im nächsten Jahr von einem Bruch des Grundgesetzes.Das ist jener Betrag, um den die Investitionen des Bundes nach dem von der Regierung vorgelegten Haushaltsentwurf die geplante Neuverschuldung übersteigen.Investieren will Theo Waigel 58,2 Mrd.DM, dem steht eine Nettokreditaufnahme von 57,8 Mrd.DM gegenüber.Gemessen am Gesamtvolumen von 461 Mrd.DM ist diese Differenz alles andere als beruhigend, denn bei der Abwicklung des Haushaltes fehlen leicht auch mal ein paar Milliarden. In diesem Jahr zum Beispiel sind es 30 Mrd.DM und noch weiß niemand, ob es dabei bleibt.Den Finanzminister ficht das freilich nicht an.Er ist davon überzeugt, daß es reicht, einen verfassungsmäßigen Haushalt vorzulegen.Dabei handele es sich aber um eine Prognose und es liege in der Natur der Sache, daß diese mit gewissen Unsicherheiten behaftet ist.Die Regierung könne deshalb nicht dafür in Anspruch genommen werden, daß Verschuldung und Investitionen auch nach dem Vollzug des Budgets noch im richtigen Verhältnis zueinander stehen. Die Opposition läßt diese Frage jetzt vom Bundesverfassungsgericht prüfen.SPD und Grüne haben den Verdacht, daß die eine oder andere Position in der Haushaltsrechnung verfälscht wurde.Beispielsweise die Erstattungen der Arbeitsämter für sogenannte Strukturmaßnahmen.Sie sind als investive Ausgaben mit 1,5 Mrd.DM veranschlagt, erfahrungsgemäß werden aber sehr viel weniger Mittel dafür benötigt.Ein Buchungstrick sei auch die Übertragung der Telekom-Aktien an die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau, die den Ankauf der Anteile ihrerseits über eine zusätzliche Kredite finanzieren müsse.An der Börse können die Aktien erst im Jahr 2000 angeboten werden. Tatsächlich ist die Unterscheidung zwischen einer Verschuldung und anderen Verpflichtungen des Staates nicht so einfach wie bei einem privaten Haushalt.Da gibt es zum Beispiel den Fonds der Bundesanstalt für Landwirtschaft zum Aufkauf von Agrarprodukten.Er soll Ende nächsten Jahres aufgelöst werden und 1,135 Mrd.DM an den Bundeshaushalt abführen.Die Bundesanstalt wird freilich auch nach diesem Zeitpunkt auf den Agrarmärkten intervenieren und Prämien an die Landwirte auszahlen müssen.Zwar bekommt sie dieses Geld aus der EU-Kasse zurück, der deutsche Steuerzahler steht aber für die Kosten der Zwischenfinanzierung gerade.Kann die Bundesanstalt dafür keine eigenen Mittel mehr einsetzen, bekommt sie das Geld direkt aus dem Bundeshaushalt. Für den Steuerzahler ist das ein Nullsummenspiel, denn der Finanzminister braucht die Mittel aus dem Fonds im Jahr der Abführung nicht mehr am Kapitalmarkt aufnehmen.Ähnlich verhält es sich mit jenen Projekten, die heute zulasten der Staatskasse gebaut aber nicht direkt bezahlt werden.Beispielsweise der Neubau des Arbeitsministeriums in Berlin, der 100 Mill.DM kosten soll. Normalerweise würde der Bund dieses Geld aufnehmen, bauen und dann einziehen.Weil der Finanzminister das Geld so schnell nicht auftreiben kann soll nun ein Investor gefunden werden, der das Gebäude dann an den Bund vermietet.Dagegen sind die großen Schuldentöpfe, die vor allem im Zusammenhang mit der deutschen Einheit gebildet worden sind, inzwischen weitgehend in den Bundeshaushalt einbezogen.Den größten Brocken stellt der Erblastentilgungsfonds dar, in dem die Staatsschulden der DDR, die vom Bund übernommenen kommunalen Altschulden, die verbliebenen Verbindlichkeiten der Treuhand und der Kreditabwicklungsfonds zusammengefaßt sind - 329 Mrd.DM werden es Ende des Jahres sein. In den nächsten Jahren muß der Fonds weitere Schulden aus der Währungsumstellung übernehmen, die den Banken noch zustehen.1998 werden es 3,1 Mrd.DM sein.Für Zinsen und Tilgung des Erblastentilgungsfonds muß der Bund nächstes Jahr 26,4 Mrd.DM aufbringen.Ferner muß der Finanzminister die Schulden des Fonds Deutsche Einheit mit rund 6 Mrd.DM, das Bundeseisenbahnvermögen mit 5,5 Mrd.DM und den Verstromungsfonds mit 400 Mill.DM bedienen.Dabei spart er 300 Mill.DM, weil die eigentlich vorgesehene Tilgung der verbliebenen Bahnschulden 1998 ausgesetzt wird.

TOM WEINGÄRTNER

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