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Bei Anruf Mindestlohn? Nicht ganz. Aber 44 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beantworten im Callcenter des DGB unter der Nummer 0391-4088003 Fragen zum Mindestlohn.

© dpa

Mindestlohn: Erste Hilfe am Telefon

Der DGB hat in Magdeburg ein Callcenter eingerichtet, damit erste Fragen zum Mindestlohn am Telefon beantwortet werden können. Mit der Gehaltsabrechnung für Januar wird es ernst.

Carsten Felsch und seine 44 Kollegen im Magdeburger Callcenter Facts arbeiten derzeit auf Hochtouren – die Sechs-Stunden-Schichten wurden auf acht Stunden ausgedehnt, alle Mitarbeiter müssen in Vollzeit ran für die Mindestlohn-Hotline des DGB. Seit 2. Januar stehen die Telefone in dem überschaubaren Dachgeschossbüro kaum noch still.

Auch Felschs Apparat klingelt ständig, „Nein, nein. Der Mindestlohn gilt nicht nur in diesem Jahr“, sagt er mit ruhiger Stimme. Am anderen Ende der Leitung befürchtet ein Mann, dass er nicht die vorgeschriebenen 8,50 Euro bekommt. „Am besten sprechen Sie mit ihrem Chef darüber, im Notfall holen Sie sich Beistand durch die Gewerkschaft oder einen Rechtsanwalt.“ In jedem Fall habe er ein Recht auf den gesetzlichen Mindestlohn. Als 22-jähriger Hilfsarbeiter in der Metallbranche bekam er bislang 5,50 Euro. Laut Gesetz muss er seit dem 1.Januar drei Euro mehr bekommen. Ob sein Chef das auch so sieht, wird sich mit der nächsten Gehaltsabrechnung zeigen.

Seit zwei Wochen gibt es den Mindestlohn, und schon häufen sich die Fälle, in denen Arbeitgeber versuchen, Schlupflöcher zu finden. Arbeitnehmer wiederum wissen nicht immer, was sie fordern dürfen. Ihre Fragen drehen sich meist um Mini-Jobs und befristete Beschäftigungen und betreffen Branchen, für die derzeit noch Übergangsfristen gelten. So muss der Mindestlohn etwa im Friseurhandwerk erst ab August gezahlt werden. „Die Leute sind natürlich enttäuscht, wenn ich sage, dass sie noch keinen Anspruch haben“, erzählt Carsten Felsch.

Bis zu 400 Anrufe kommen am Tag

An manchen Tagen nehmen er und seine Kollegen bis zu 400 Anrufe entgegen, Fragen gibt es reichlich. „Mit so einer Nachfrage haben wir nicht gerechnet“, sagt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Unter den Anrufern seien nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Steuerbüros oder sogar Arbeitgeber, die sich verdeckt melden. „Sie geben etwa vor, für einen Kollegen anzurufen – das Gespräch ist dann meist schnell beendet.“ Der DGB richtet sein Angebot an jene, die vom Mindestlohn profitieren sollen.

Dazu gehören vor allem Mini-Jobber, die für den Maximalverdienst von 450 Euro nun nicht mal mehr 53 Stunden pro Monat arbeiten dürften. Körzell warnt, dass manche Chefs besonders einfallsreich agierten. „Sie schreiben weniger Stunden auf, als tatsächlich gearbeitet wurde oder machen Druck, die gleiche Arbeit in weniger Zeit zu erledigen.“ Einige Zeitungszusteller seien auch gefragt worden, ob es in ihrer Familie einen Minderjährigen gebe, auf den man den Arbeitsvertrag umschreiben könnte – das Mindestlohngesetz würde dann nicht greifen.

Rechtsberatung gibt es nur für Mitglieder

Körzell kritisiert, dass Arbeitgeber sich zu sicher fühlten. Eigentlich drohen bei Verstößen Strafen von bis zu 500 000 Euro. „Die Kontrolleure der zuständigen Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) beim Zoll werden aber erst jetzt ausgebildet und sind wohl nicht vor 2019 voll einsatzbereit.“ Aktuell seien 500 vorgesehene Stellen unbesetzt. Der DGB-Mann empfiehlt, selbst aktiv zu werden und Anzeige beim FKS zu erstatten – das sei auch anonym möglich. „Momentan sind wir noch in der Informationsphase. Nach den ersten Abrechnungen rechnen wir für Februar verstärkt mit Anzeigen.“

Bis zum 31. März will der DGB den Telefonservice anbieten, bei Bedarf wird verlängert. Ob die Hotline den Gewerkschaften schon Mitglieder gebracht hat, ist nach DGB-Angaben indes nicht klar. Wenn ein Anrufer mehr braucht als grundlegende Informationen, wird er von Carsten Felsch und den anderen Mitarbeitern des Callcenters an die zuständige Gewerkschaft verwiesen. Nur diese beraten in Rechtsfragen – aber eben nur Mitglieder. Vielen Anrufern geht das wohl zu weit, meint jedenfalls Callcenter-Mitarbeiterin Heidi Weidling. Die meisten würden nicht ohne Weiteres in Gewerkschaften eintreten wollen. „Und gerade Mini-Jobber haben oft Angst, dass sie ihre Arbeit verlieren, wenn sie auf den Mindestlohn bestehen.“

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