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Mini-Baumarkt: Größe ist nicht alles

Max Bahr scheitert mit dem Projekt, Mini-Baumärkte in der Berliner Innenstadt anzusiedeln. Die Kunden gehen lieber zu den bekannten Kiezläden - da ist das Vertrauen größer.

Berlin - Ihr kleiner Kampf um den Kiez ist entschieden, Sylvia Wesolowski gibt einen aus: „Ich bin happy, heute köpfen wir ’ne Flasche Sekt“. Die 47-Jährige ist Inhaberin des „Workshops“, einem Fachgeschäft für Werkzeug, Eisenwaren, Farben, Sanitärbedarf und Elektroartikel in der Prenzlauer Allee in Berlin-Prenzlauer Berg. An einem Junitag vor eineinhalb Jahren hatte direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite ein Geschäft aufgemacht, das ihr viel Kummer machte: „Max, der kleine Baumarkt“ – ein Ableger der Baumarktkette Max Bahr. Am Freitag gab das Hamburger Unternehmen bekannt: „Das Kleinflächen-Konzept wird eingestellt“. Spätestens am 28. Februar macht auch Wesolowskis ungeliebter Konkurrent dicht.

Während die Kleinunternehmerin jetzt feiert, zeigen sich Vertreter der Baumarkt-Branche und des Berliner Einzelhandels überrascht und enttäuscht zugleich. Die Hauptstadt galt als Versuchslabor für die gesamte Branche, die mehr als 17 Milliarden Euro Jahresumsatz macht und mehrere hunderttausend Menschen beschäftigt. Max Bahr versuchte fast vier Jahre lang, eine Frage zu klären: Gelingt es den großen Ketten, von der „grünen Wiese“ an den Ausfallstraßen, in Industriegebieten und städtischen Randlagen, in die Innenstädte vorzudringen und dort neue Kunden und Umsätze zu gewinnen? Offenbar nicht.

15 Mini-Baumärkte in Berlin

Max Bahr hatte für das Pilotprojekt seit 2005 nach und nach 15 dieser Mini-Baumärkte ausschließlich in Berlin eröffnet. Bis zu 200 Mini-Märkte konnte man sich anfangs vorstellen. Max Bahr hatte vor allem Bewohner zentraler Stadtlagen als Kunden im Visier, die kein eigenes Auto haben, die oft umziehen und daher oft renovieren müssen.

Die Betreiber traditioneller, inhabergeführter Eisenwarenläden mussten die Idee als Bedrohung empfinden. Sylvia Wesolowski beschäftigt in ihrem Workshop drei feste Mitarbeiter und einen Azubi. Die kleinen „Max“-Filialen kommen mit 2,5 Planstellen aus. „Etwa 50 Prozent der Artikel, die die im Sortiment haben, führen wir auch“, vermutet sie. Und man habe zum Teil die gleichen Lieferanten. Der kleine Max kann als Teil einer Kette mit Max Bahr und der neuen Konzernmutter Praktiker im Rücken vermutlich viel besser Rabatte aushandeln.

Kunden gehe lieber zum erfahrenen Einzelhändler

„Ich habe um meine Existenz gebangt“, sagt Wesolowski. Allerdings räumt sie ein, dass sie 2008 rund 400 000 Euro Umsatz gemacht hat, ähnlich wie in den vergangenen Jahren. „Die Stammkunden sind uns alle treu geblieben“. Warum? Für die kleinen Max-Filialen reduzierte Max Bahr das Sortiment von rund 60 000 auf 4500 Artikel: Es gibt dort alles, Pinsel, Farbe, Hammer und Nägel für die Renovierung – aber eben keine Kloschüsseln oder Zimmerpalmen. Sylvia Wesolowski bringt bei etwas weniger Verkaufsfläche fast drei Mal so viele Artikel unter. Die Max-Märkte wirken übersichtlich und aufgeräumt, Wesolowski findet auch Platz für blau schimmernde Glasteller oder Wandklebebilder mit dem Motiv „der kleine Maulwurf“. Das sucht wohl niemand, bei ihr findet man es trotzdem.

Auch Axel Menge, der seit 27 Jahren in der Schönhauser Allee ein Geschäft für Eisenwaren und Werkzeuge betreibt, hat die Offensive keine Umsätze gekostet – obwohl Max Bahr gleich zwei Max-Filialen in seiner Straße eröffnete. „Die Kunden suchen gute Beratung und die kann eben nur geben, wer viel Erfahrung hat“, sagt Menge.

Klein gegen Groß, guter Einzelhändler gegen bösen Riesenkonzern? So einfach ist es wohl nicht. Max Bahr sagt, dass die Max-Geschäfte in Prenzlauer Berg sogar gut liefen. Die in Charlottenburg und Neukölln dagegen nicht.

Max-Bahr-Konzept gescheitert

„Groß und Klein. Eigentlich müsste für alle Platz sein in dieser Stadt“, glaubt Jan Pörksen, Experte für Unternehmensführung und Franchise-Konzepte bei der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK). Im Übrigen sollten die kleinen Einzelhändler lieber nicht so viel über die scheinbar übermächtige Konkurrenz der Großunternehmer jammern, sondern lieber gute Nischen suchen, die in der Nähe großer Ketten entstehen.

Erstaunt über das Scheitern des Max-Bahr-Konzeptes zeigt sich auch John W. Herbert, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Heimwerker-, Bau- und Gartenfachmärkte (BHB). „Ich habe fest daran geglaubt“, sagt er. „In Ländern wie England und Schweden klappt es ja auch.“ Die Branche habe einen neuen Impuls in Deutschland gebraucht. „Denn hier ist der Markt so umkämpft wie nirgends in Europa“, sagt er. Praktiker, der Mutterkonzern von Max Bahr, hat mit seinen 20-Prozent-Aktionen einen Preiskrieg entfacht, der gut für die Kunden gewesen sei. Doch dieser Kampf findet weiterhin auf den grünen Wiesen statt. Die Kieze gehören Leuten wie Sylvia Wesolowski.

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