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Wirtschaft: Missverständniss um den väterlichen Freund

Den 26. November 2001 hatten sich Sebastian Turner und Thomas Heilmann etwas anders vorgestellt.

Den 26. November 2001 hatten sich Sebastian Turner und Thomas Heilmann etwas anders vorgestellt. Die Vorstände von Scholz & Friends, der siebtgrößten Agenturgruppe Deutschlands, wollten an diesem Montag ohne großes Tamtam als erste deutsche Werbeagentur an die Börse gehen. "Das wird alles eher bescheiden bleiben", hatte Heilmann - für einen Werber ungewöhnlich zurückhaltend - angekündigt. Doch dann gab es am Wochenende vor der ersten Notierung noch lautstarken Ärger.

Für den größten anzunehmenden PR-Unfall vor einem Börsengang sorgte Jürgen Scholz, der "legendäre Gründer von Scholz & Friends", wie die Berliner Kreativschmiede noch Mitte des Monats jubelte. Der 72-Jährige sei als Berater der Agentur zurückgekehrt und werde "in die Geschicke seiner alten Agentur eingreifen", hieß es. "Wir freuen uns, einen der bedeutendsten Werber und unseren Namensgeber wieder an Bord zu haben", teilte Sebastian Turner in der Hoffnung mit, die sensible Börse vorab mit einer guten Nachricht gnädig zu stimmen.

Das ging schief: Gründervater Scholz fühlt sich für eine Sache vereinnahmt, der er gar nicht dienen will. Im Branchendienst "Kress-Report" bezeichnete er am Freitag die Bekanntmachungen aus Berlin als "nette PR-Aktion zum 20-jährigen Geburtstag der Agentur". Denn: "Mein Herz und meine Arbeit gehören Jung von Matt." - Ausgerechnet Jung von Matt! Die Hamburger Werbeagentur zählt zu den schärfsten Wettbewerbern von Scholz & Friends, und Jürgen Scholz wurde jüngst zum Aufsichtsratsvorsitzenden berufen.

Zur Freude von Jung von Matt-Gründer Holger Jung, der Wert darauf legt, dass es dabei auch bleibt: "Der Aufsichtsratsvorsitz von Herrn Scholz ist eine Exklusiv-Veranstaltung", sagte er am Freitag dem Tagesspiegel. Von einer Rückkehr "zu den Friends" könne keine Rede sein. Wie es zu der PR-Panne in Berlin kommen konnte, kann sich auch Jung nicht erklären. "Heilmann und Turner sind eigentlich ausgeschlafene Geschäftsmänner", so der Hamburger. "Vielleicht ein bisschen zu ausgeschlafen." Ein klärendes Telefonat hat es zwischen Hamburg und Berlin jedenfalls bisher nicht gegeben.

Berater bei Bedarf

"Ein bisschen tragisch" findet Sebastian Turner die "Missverständnisse" um den "väterlichen Freund" Jürgen Scholz. Damit es an der Börse, die solche Verwirrung gern mit Kursabschlägen bestraft, kein böses Erwachen gibt, ist Turner um Gelassenheit bemüht: "Wir wollen das Ansehen von Jürgen Scholz nicht beschädigen", sagte der Agentur-Vorstand dem Tagesspiegel. Zwar versichert er, der Scholz & Friends-Vorstand habe sich unlängst mit Jürgen Scholz "per Handschlag" auf eine Beratertätigkeit verständigt. Um nun aber den Schaden für alle Beteiligten zu begrenzen, habe man sich auf eine neue Formulierung geeinigt: Scholz werde nur bei Bedarf den Vorstand von Scholz & Friends beraten und sei keinesfalls im Tagesgeschäft der Agentur tätig. Sein Aufsichtsratsmandat bei Jung von Matt störe die Berliner nicht. "Ein Mann wie Scholz ist viel zu diskret, um Geschäftsgeheimnisse der Konkurrenz zu verraten", glaubt Sebastian Turner.

Ob die Wirren um Gründer Scholz ein Nachspiel an der Börse haben werden, wird sich am Montag ab 9 Uhr 15 zeigen. Dann gehen die 21,46 Millionen Aktien der neuen Scholz & Friends AG - Wertpapierkennnummer 697 280 -, die aus der Fusion mit der United Visions Entertainment AG enstanden ist, in den Handel.

In letzter Minute wurden am Freitag die Handelsregister-Eintragung und Börsenzulassung für den Geregelten Markt bekanntgegeben. Bis zuletzt hatten sich Spekulationen gehalten, Scholz & Friends werde das Projekt Börse noch einmal vertagen. Ein Gang aufs Parkett zum jetzigen Zeitpunkt scheint gewagt. Außerdem plagen die Berliner immer noch Imageprobleme, nachdem die Agentur Anfang des Jahres Großkunden wie die Telekom und die Postbank verlor. Insgesamt soll es sich um ein Etatvolumen von 150 Millionen Mark gehandelt haben.

Doch Turner und Heilmann wollen es jetzt wissen: Das zu der britischen, ebenfalls börsennotierten Cordiant-Holding zählende Unternehmen (Umsatz rund 140 Millionen Mark) hofft, künftig schneller expandieren zu können und für Mitarbeiter attraktiver zu werden. 20 Prozent der Firma, die in 13 Ländern rund 900 Mitarbeiter beschäftigen wird, werden an die Börse gebracht, 70 Prozent hält Cordiant, den Rest der Anteile das Management.

Eine klassische Neuemission ist Scholz & Friends allerdings nicht: Die Fusion mit der am Neuen Markt notierten United Visions (Umsatz: 28 Millionen Mark) gibt der neuen Gruppe nur den so genannten Börsenmantel. Der ist preisgünstiger und weniger riskant als ein "echter" Börsengang. Ob es den Werbern freilich im Mantel der United Visions an der Börse warm ums Herz wird, bleibt abzuwarten. Am Freitag brach der Kurs der Aktie jedenfalls um fast zehn Prozent auf 4,20 Euro ein.

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