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In Berlin konkurriert die DB-Tochter Call a Bike mit Nextbike. Bahnchef Rüdiger Grube testet noch.

© picture alliance / dpa

Mit dem Fahrrad durch Berlin: Mieträdersysteme im Vergleich

Bei Anruf Rad: Immer mehr Menschen in Berlin nutzen Mieträdersysteme, um von A nach B zu kommen. Im Alltag taugt das Modell allerdings noch nicht für jeden.

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Ob der Reifen platt ist, das Rad geklaut oder die S-Bahn streikt – es gibt viele gute Gründe, sich ein Fahrrad zu leihen. Auch bei Touristen, die möglichst viel sehen wollen, stehen Fahrradverleihsysteme hoch im Kurs. In Berlin gibt es neben Dutzenden kleinen Verleihern zwei große Anbieter. Die-Deutsche-Bahn-Tochter Call a Bike verfügt über einen Fuhrpark von 1200 Rädern. Das Leipziger Unternehmen Nextbike hat kürzlich auf 300 Räder aufgestockt.

Das Leihen funktioniert bei beiden Anbietern ähnlich: Zunächst ist eine Registrierung erforderlich. Die erledigt man am besten online – gegen Gebühren ist sie auch telefonisch oder an einer der Verleihstationen möglich. Wer sich anmelden will, muss mindestens 18 Jahre alt sein. Der Nutzer gibt seine Adressdaten und eine Kreditkartennummer oder Bankverbindung ein. Für die Registrierung erhebt die Bahn eine Gebühr, bei Nextbike wird ein Startguthaben in Höhe von acht Euro berechnet. Call-a-Bike-Kunden können sparen, wenn sie eine Bahncard haben. Auch Studenten fahren günstiger (siehe Kasten).

Die Hauptstadt liegt vorn

Wer einmal registriert ist, muss nur noch ein freies Rad finden. Dann genügt ein kurzer Anruf bei der an der Verleihstation angegebenen Servicenummer und eine Computerstimme liest einen Öffnungscode vor, mit dem das Schloss des Rades entsperrt wird. Aufsitzen, losfahren – schon ist man mobil.

Eine aktuelle ADAC-Studie über Mieträdersysteme in Europa dürfte die Berliner freuen: Das Call-a-Bike-Angebot in der Hauptstadt landete im bundesweiten Vergleich auf Platz eins, auch Nextbike wurde für sein System gelobt. Geprüft wurde vor allem, ob die Fahrräder einfach zu entleihen und gut ausgestattet waren. Die Zahl der Ausleih- und Rückgabestationen wurde jedoch nicht berücksichtigt.

Die aber kann beispielsweise für Berufstätige von großer Bedeutung sein. „Für die ist entscheidend, ob sie das Fahrrad, wenn sie es vor der eigenen Haustür leihen, auch bei der Arbeitsstelle abstellen können – oder dann noch weite Wege gehen müssen“, sagt Roland Huhn vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC). Und genau das ärgert viele Nutzer in Berlin: In etlichen anderen Städten wie München oder Stuttgart können die Fahrräder an jeder Ecke abgestellt werden. Dort genügt ein kurzer Anruf: „Das Fahrrad steht am Karlsplatz, Ecke Prielmayerstraße.“ Danach ist das Rad für den nächsten frei, der, der eben noch darauf gesessen hat, muss sich nicht mehr darum kümmern. Vor etwas mehr als einem Jahr war das auch in Berlin noch so. Dann schränkte die Deutsche Bahn das Angebot ein. Jetzt muss das Rad zu einer speziellen Station zurückgebracht werden. Knapp 100 davon gibt es inzwischen in Berlin. Das klingt erst einmal viel, doch fast alle Stationen befinden sich in Mitte und in Prenzlauer Berg. In Kreuzberg, Friedrichshain und in Charlottenburg seien weitere geplant, heißt es. Laut Internetseite der Bahn richtet sich Call a Bike unter anderem an Studenten. Als solcher sollte man aber an der Humboldt-Universität eingeschrieben sein, denn nur dort befindet sich in Fußreichweite eine Station, wo das Fahrrad abgegeben werden kann. Nextbike hat in der Hauptstadt bislang erst 45 Stationen installiert, dafür sind insgesamt mehr Stadtteile abgedeckt.

Mehr Unabhängigkeit kostet

Auch die Nextbike-Räder sollen im Prinzip wieder an einer der Stationen abgegeben werden. Wer das Fahrrad unterwegs stehen lassen möchte, zahlt für jeden Kilometer, den das Fahrrad von der nächsten Station entfernt steht, zwei Euro Strafe – mindestens aber zehn Euro.

„Wir richten uns an Pendler“, sagt Mareike Rauchhaus, Mitarbeiterin von Nextbike. In Potsdam funktioniere das bereits ganz gut. In Berlin sei das Netz an Stationen noch nicht eng genug. In Potsdam entliehene Räder dürfen aber nicht in Berlin zurückgegeben werden und umgekehrt.

„Ein Fahrrad einfach zu nehmen und dann an der Straße stehen zu lassen, ist ein Auslaufmodell“, meint ADFC-Experte Huhn. Andernorts, wie etwa in Kopenhagen, funktioniere der Fahrradverleih zwar nach dem Prinzip Einkaufswagen – „10 Kronen einwerfen, mitnehmen und dann irgendwo abstellen.“ Doch die Erfahrung in Deutschland zeige, dass Fahrräder zu oft beschädigt oder geklaut würden. Deshalb setzten die Betreiber zunehmend auf feste Stationen.

Während der Fahrt ist der Nutzer über den Anbieter haftpflichtversichert. Wird das Fahrrad während der Mietzeit beschädigt oder geklaut, zahlt er. Nextbike-Nutzer genießen den Vorteil, dass sie auch im Urlaub spontan losradeln können. Denn mit Österreich, der Schweiz, Lettland, Polen und Neuseeland ist das Unternehmen auch international aktiv. Da kann man zudem gleich Ferien mit der ganzen Familie machen: Auf einen Namen können bei Nextbike bis zu vier Räder ausgeliehen werden.

Bislang werden die Fahrradverleihsysteme laut ADFC vor allem von Jüngeren genutzt. Das liege in erster Linie an der Leihtechnik per Mobiltelefon, „die ältere Fahrradfahrer noch abschreckt“, sagt ADFC-Experte Huhn. Für Touristen mit festem Bezugspunkt böten sich ohnehin auch kleinere Anbieter an. Und damit der Fahrradverleih den anderen Verkehrsmitteln ernsthaft Konkurrenz machen könne, müssten erst weitere Stationen hinzukommen. „In Paris gibt es mehr Verleihstationen als Metrostationen.“

Subventionen für die Bahn

Doch der Ausbau ist auch eine Frage des Geldes: Nextbike finanziert sich neben den Leihgebühren über Werbeflächen am Rad. Das Bahn-Verleihmodell wird derzeit als Projekt vom Bund gefördert – es läuft Ende des Jahres aus. In der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt erwägt man, Call a Bike dann durch das Land Berlin zu bezuschussen. Bei Nextbike hofft man, dass es anders kommt. „Wir wünschen uns fairen Wettbewerb“, sagt Rauchhaus.

Investitionen dürften sich aber in jedem Fall lohnen: Im vergangenen Jahr liehen sich bei der Bahn 59 000 Menschen ein Rad aus. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es bereits 62 000 Kunden. Auch Nextbike, das in der Saison 2011 rund 12 000 Fahrten verzeichnete, hat diese Zahl 2012 schon fast erreicht.

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