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Grüner Transport.

© picture alliance / dpa

Wirtschaft: Mit gutem Gewissen auf Tour

Die Logistikbranche steuert im kommenden Jahr auf ein Rekordplus zu. Besonders wachstumsträchtig sind umweltfreundliche Unternehmen

Wenn die Weltwirtschaft bremst, kommt die Logistik zum Stehen – so lautet ein Bonmot über die starke Abhängigkeit der Logistikbranche von der Konjunktur. Und tatsächlich ist es noch nicht so lange her, dass Bilder vor Anker liegender Frachtschiffe und auf Halde stehender Container um die Welt gingen. Doch jetzt stehen die Signale auf Grün – und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen profitiert der große deutsche Wirtschaftszweig enorm vom Aufschwung. Rund 210 Milliarden Euro hat die Sparte in diesem Jahr umgesetzt, je zur Hälfte erwirtschaftet durch klassische Logistikunternehmen sowie firmeninterne Logistikdienstleistungen wie Montagesteuerung, Einkauf oder Disposition. Für 2011 rechnet die Bundesvereinigung Logistik (BVL) mit einem Umsatzwachstum von vier Prozent. Damit wäre das Niveau des bisherigen Rekordjahres 2008 erreicht.

Zum anderen ist Grün auch die Trendfarbe in der Logistik: Seit einigen Jahren setzt die Branche auf Prozesse und Methoden, die Effizienz und Ressourcenschonung vereinen. Selbst in der Krise haben die Unternehmen viel Geld in diesen Bereich investiert. Denn Grüne Logistik ist das Thema der Zukunft. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach Mitarbeitern, die in der Lage sind, die Prinzipien von Ökonomie und Ökologie zu verbinden. Die anhaltend hohen Investitionen in diesem Bereich können nach BLV-Angaben in den kommenden fünf Jahren mehrere Tausend Arbeitsplätze für Jobeinsteiger schaffen.

„Bei Logistikdienstleistern, aber auch in den Logistikbereichen von Handel und Industrie herrscht seit einigen Monaten wieder ein hoher Bedarf an Nachwuchs“, sagt Stephan Biallas, Logistikexperte und Partner bei der Personalberatung Amrop Delta. Besonders begehrt, so Biallas, seien Betriebswirte und Wirtschaftsingenieure mit einer Spezialisierung in Logistikthemen. Wichtiger noch als das jeweilige Fachgebiet der Einsteiger sei jedoch deren Fähigkeit, Waren- und Lieferströme ganzheitlich zu betrachten.

Auch Thomas Wimmer, Vorsitzender der Geschäftsführung der BLV, sieht gute Chancen für Absolventen verschiedener Studiengänge: Wegen des Wirtschaftsaufschwungs suchten die Unternehmen „händeringend Logistiker“, infrage kämen Ingenieure, Wirtschaftsingenieure, Informatiker und Volkswirte, aber ebenso Betriebswirte, Geisteswissenschaftler, Juristen und Geografen – je nach spezifischem Aufgabengebiet.

In der Grünen Logistik kommt es darauf an, dass sich all diese Experten untereinander vernetzen. Wer in diesen Bereich strebt, sollte daher Interesse für fachfremde Aspekte und eine ausgeprägte Teamfähigkeit mitbringen. „Idealerweise haben die Absolventen schon während des Studiums andere Disziplinen und Sichtweisen kennengelernt, etwa durch Exkursionen, Praktika oder Projektarbeiten“, sagt Albert Hölzle, Forschungs- und Netzwerkmanager am Zentrum für Logistik & Verkehr (ZLV) der Universität Duisburg-Essen.

Die Arbeit des Zentrums verdeutlicht, was Grüne Logistik ausmacht – so ist das ZLV eines von elf wissenschaftlichen Instituten, die unter dem Dach des Effizienzclusters Logistik Ruhr mit mehr als 120 Firmen kooperieren, um nachhaltige Lösungen für die Logistik zu finden. Die Wissenschaftler und Firmenexperten erforschen beispielsweise den Einsatz verbrauchsarmer Motoren in Fuhrparks, ermitteln, wie sich Benzinverbrauch und Emissionen im Lkw-Verkehr durch zurückhaltende Fahrweise reduzieren lassen oder welche Auswirkungen das sogenannte Slow Steaming – also die Geschwindigkeitsreduzierung – bei Containerschiffen hat. Darüber hinaus widmen sie sich den Fragen, wie sich Transportbandmotoren in Logistikgebäuden so steuern lassen, dass sie sekundengenau nur bei Bedarf laufen, oder wie sich Leerfahrten und Materialverschwendung vermeiden lassen.

Die Kunst der Grünen Logistik besteht darin, all diese Aspekte nicht gesondert zu betrachten, sondern miteinander zu verknüpfen – „Grüne, sprich nachhaltige Logistik heißt, dass ich nicht nur weiß, wie die Ein- und Auslagerung im Hochregallager abläuft und wie ich sie steuere, sondern auch die Energiebilanz der Anlage kenne“, sagt Albert Hölzle. „Diese Herausforderung lässt sich nur mit einem systemisch umfassenden und integrativen Ansatz bewältigen.“

Für die Unternehmen ist Nachhaltigkeit in der Logistik kein Selbstzweck. Ihre Kunden setzen sie vielmehr immer stärker unter Druck, umweltfreundlich zu arbeiten. Mehr als jedes vierte Unternehmen der Konsumgüterindustrie und des Einzelhandels fordert von seinen Logistikdienstleistern bis zum Jahr 2012 ein umfassendes Emissions-Reporting, unter anderem zum Kohlendioxid-Ausstoß auf dem Transportweg der Waren ins Kaufhaus oder in den Supermarkt. Das ergab jüngst eine Studie der Unternehmensberatung Steria Mummert Consulting.

Dienstleister, die jetzt nicht auf Grüne Logistik umschalten, haben mittelfristig auf dem Markt kaum noch eine Chance. Besonders nachhaltig arbeitende Unternehmen dagegen erhalten klare Wettbewerbsvorteile. (HB)

Frank Burger

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