zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Mit Optimismus nach Potsdam

Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder kommen in die entscheidende Phase

Berlin - Knapp zwei Millionen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes schauen an diesem Wochenende nach Potsdam. Im Kongresshotel am Templiner See unternehmen drei Finanzminister und die Gewerkschaften einen letzten Einigungsversuch im Tarifkonflikt. Gibt es bis Sonntagabend keinen Abschluss für die 700 000 Angestellten der Bundesländer und mittelbar auch für 1,2 Millionen Beamte bei den Ländern und in den Kommunen, dann rufen die Gewerkschaften ihre Mitglieder zur Urabstimmung über einen Arbeitskampf auf. Von dem Geschehen in Potsdam nicht betroffen sind Berlin und Hessen, die der Tarifgemeinschaft der Länder nicht angehören.

Die Ausgangsbedingungen vor dem Wochenende sind klar: Verdi und die Gewerkschaften der Polizisten und Lehrer sowie der Beamtenbund fordern acht Prozent mehr Geld oder mindestens 200 Euro. Das würde für Länder und Kommunen zusätzliche Personalausgaben von 7,8 Milliarden Euro bedeuten. Undenkbar für die Finanzminister. Die Arbeitgeber um den niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) haben bei den bisherigen zwei Zusammentreffen kein Angebot gemacht, aber ein solches für Sonnabend angekündigt. „Es wird keine Null geben“, sagte Brandenburgs Finanzminister Rainer Speer (SPD) kürzlich. Auf jeden Fall werde die Inflationsrate ausgeglichen, so der Potsdamer Finanzminister gegenüber dem Tagesspiegel. Die liegt allerdings in diesem Jahr voraussichtlich unter einem Prozentpunkt. Und in dieser Größenordnung werden die Gewerkschaften sicher nicht abschließen.

„Seit zehn Jahren gibt es Reallohnverzicht“, sagte Konrad Freiberg, Chef der Gewerkschaft der Polizei am Freitag auf Anfrage. Er erwartet von den Finanzministern – neben Möllring und Speer ist Helmut Linssen (CDU), Amtskollege in Nordrhein-Westfalen, der Dritte im Bunde –, dass die „verantwortlich mit ihrem Staatsamt umgehen“. Und also die Gehälter und Bezüge anheben. „Die Beschäftigten haben Anspruch auf angemessene Bezahlung“, meinte Freiberg. Anders als die Arbeitgeber, die auf die Wirtschaftskrise und die geringeren Steuereinnahmen verweisen, sieht der Polizist die Krise positiv. „Der Zorn der Menschen nimmt zu.“ Er sei „überrascht gewesen über das Engagement der Kollegen bei den Warnstreiks“. In den vergangenen Tagen hatten Zehntausende kurzzeitig die Arbeit unterbrochen und sich bundesweit zu diversen Kundgebungen versammelt. Nach Angaben der Lehrergewerkschaft GEW beteiligten sich allein in dieser Woche 32 000 Lehrkräfte und andere aus dem Bildungsbereich an Ausständen. Bei Verdi hieß es am Freitag, die Zahl der Warnstreikenden habe in den vergangenen zwei Wochen mit 80 000 deutlich über dem Niveau von 2006 gelegen. Damals hatten sich die Tarifparteien nach dem Scheitern der Verhandlungen einen monatelangen Arbeitskampf geliefert.

Eine ähnliche Auseinandersetzung „wollen wir nicht“, sagte Knut Bredendiek, Hauptgeschäftsführer der Tarifgemeinschaft der Länder, am Freitag dem Tagesspiegel. „Wir gehen konstruktiv in die Verhandlungen.“ Das erwartet auch Peter Heesen, Vorsitzender des Beamtenbundes. „In einer solchen Zeit muss man an die Menschen denken“, sagte Heesen am Freitag auf Anfrage und meinte damit die „psychologischen Effekte“ der Krise. Wenn die Politik für diverse Rettungsaktionen, Schutzschirme und Konjunkturprogramme hunderte von Milliarden Euro mobilisiere, dann könne man die Einkommensinteressen der eigenen Beschäftigten nicht ignorieren. Deshalb gebe es auch breites Verständnis in der Bevölkerung für die Acht-Prozent-Forderung der Gewerkschaften. „Eine aktuelle Forsa-Umfrage hat ergeben, dass 61 Prozent der Bevölkerung die Forderung bejahen“, sagte Heesen. Am Sonnabend in Potsdam rechnet er mit „einem verhandlungsfähigen Angebot“, auf dessen Basis dann ein Abschluss bis spätestens Sonntagabend erzielt werden könne. „Ich bin optimistisch“, sagte der Beamtenchef dieser Zeitung.

Ähnlich äußert sich auch Freiberg von der Polizeigewerkschaft. „Ich bin zuversichtlich und setze auf die Vernunft der Arbeitgeber.“ Eine angemessene Erhöhung der Gehälter und Bezüge sei auch in deren Interesse, denn „in vielen Bereichen gibt es Nachwuchsprobleme“. „Die Zahl der geeigneten Bewerber sinkt drastisch“, sagte der Chef der Polizeigewerkschaft. „In drei Jahren stehen wir vor einem unwahrscheinlichen Problem.“ Schon heute sei es bei der Polizei enorm schwierig, geeignete IT-Fachleute und Wissenschaftler für die Kriminaltechnik zu bekommen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false