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Wirtschaft: Mit Optionen auf alles oder nichts setzen

Nur Zocker sollten auf die Bewegung von Kursen, Währungen oder Zinsen wetten / Wer Glück hat, gewinnt am Fiskus vorbeiVON WOLFGANG LUDWIG (dm)Selbst der Crash im Oktober war für Paul Köhler ein freudiges Ereignis.Weil der Schwabe fallende Kurse vorausahnte und sein Geld rechtzeitig in entsprechende Optionsscheine investierte, verdoppelte er in nur einer Woche seinen Einsatz von 5000 DM.

Nur Zocker sollten auf die Bewegung von Kursen, Währungen oder Zinsen wetten / Wer Glück hat, gewinnt am Fiskus vorbeiVON WOLFGANG LUDWIG (dm)Selbst der Crash im Oktober war für Paul Köhler ein freudiges Ereignis.Weil der Schwabe fallende Kurse vorausahnte und sein Geld rechtzeitig in entsprechende Optionsscheine investierte, verdoppelte er in nur einer Woche seinen Einsatz von 5000 DM.Köhler profitierte nicht als einziger von der herbstlichen Baisse.Optionsscheine, bei denen Anleger nicht nur bei steigenden, sondern auch bei fallenden Kursen verdienen, werden immer beliebter - auch, weil Anleger so dem Finanzamt ein Schnippchen schlagen können. Grundsätzlich gilt bei Optionsscheinen: Weil Anleger, die Entwicklungen einer Aktie oder eines Index falsch prognostizieren und den Wett-Schein bis zum Schluß behalten, ihren gesamten Einsatz verlieren können, bleiben Profite steuerfrei.Diese werden quasi dem Gewinn beim Lotto oder im Kasino gleichgestellt.Das Glücksspiel in Deutschland läuft tagtäglich millionenfach mit etwa 7000 verschiedenen Optionsscheinen.Da wetten beispielsweise Anleger, daß der Dax unter 4000 Punkte fällt.Für jeweils 100 Punkte, um die diese Marke unterschritten wird, gibt es bis zum 28.Juli 1998 eine DM.Der Schein kostet derzeit bei der Citibank (Wertpapier-Kennummer 818503) etwa 2,75 DM. Andere Anleger sichern sich das Recht, bis Ende 1998 die Aktie des französischen Versorgungs-Unternehmens Generale des Eaux zum Kurs von umgerechnet etwa 220 DM zu kaufen (WKN 727077).Steigt der tatsächliche Kurs der Aktie, macht der Anleger tüchtig Gewinn.Auch Wetten auf die Entwicklung von Zinsen oder Währungen gibt es in allen Variationen. Die Steuerfreiheit bei Optionsscheinen hat für Anleger allerdings einen Schönheitsfehler.Der Fiskus ist nämlich nur dann großzügig, wenn das durch den Optionsschein verbriefte Recht ausgeübt wird, das heißt, der Anleger läßt sich die anfangs vereinbarte Erfolgsprämie auszahlen - entweder in Form einer Aktie oder eines Geldbetrages.Doch das wäre meist wirtschaftlich unsinnig.Entwickelt sich der Aktienkurs oder der Index in die gewünschte Richtung, steigt der Kurs der Scheine wegen der eingebauten Hebelwirkung um das Vielfache.Bei der genannten Option auf Generale des Eaux gilt beispielsweise: Steigt die französische Aktie um zehn Prozent, beträgt das Plus beim Optionsschein 70 Prozent.Oft ist die Gewinnchance - aber auch das Risiko noch größer. Solche hohen und dazu noch kurzfristigen Erträge läßt sich kein Zocker entgehen und veräußert seine Optionsscheine deshalb umgehend.Oft wechseln diese nach wenigen Wochen, im Extremfall sogar schon nach Stunden wieder ihren Besitzer. Bei derart schnellen Geschäften aber endet jede fiskalische Nachsicht."Durch den Verkauf der Option wird die ursprüngliche Wette zu einem normalen Geschäft mit Wertpapieren", erläutert der Düsseldorfer Steuerberater Holger Wendland eine vom Bundesfinanzhof bestätigte Praxis.Und da der Verkauf meist innerhalb der sechsmonatigen Spekulationsfrist stattfindet, fordern die Finanzämter ihren Anteil am Gewinn - bis zu 53 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und eventueller Kirchensteuer. Trotzdem darf beim Verkauf der Optionsscheine nicht aus steuerlichen Gründen gezögert werden, beispielsweise um die Spekulationsfrist zu überbrücken."Wenn sich der Wind an der Börse dreht, ist der Verlust beim Optionsschein-Wert höher als die Forderung des Fiskus.Der Hebel wirkt schließlich in beide Richtungen", warnt Siegfried Piel, Optionsschein-Spezialist beim Frankfurter Bankhaus Lehmann Brothers. Beispiel: Im vergangenen Jahr sicherten sich Anleger das Recht, Telekom-Aktien für 30 DM zu kaufen, unabhängig vom tatsächlichen Kurs.Der Optionsschein des Schweizerischen Bankvereins kostete Anfang März 1997 etwa 4,50 DM.Bis Ende Juli stieg der Kurs auf 15 DM, der Anleger konnte also beim Verkauf rund 330 Prozent Plus machen, allerdings steuerpflichtig.Wer, nur um die Spekulationsfrist zu überbrücken, trotz Baisse-Warnungen den Schein erst im September veräußerte, bekam beim Verkauf lediglich sechs DM.Ergebnis: Statt 230 Prozent Gewinn nur 35 Prozent.Selbst für Anleger mit absolutem Spitzensteuersatz wäre der Profit nach Steuern im Juli dreimal höher gewesen. Während die Steuerfrage bei erfolgreichen Optionsscheinen nur eine untergeordnete Rolle spielen darf, müssen Anleger steuerstrategisch bei Papieren vorgehen, die nicht so erfolgreich sind.Solche Optionsscheine sollten Anleger auf jeden Fall innerhalb von sechs Monaten verkaufen, dann hilft die zuvor verteufelte Sechs-Monats-Frist beim Abgabensparen.Steuer-Experte Wendland: "Der Anleger realisiert so Spekulationsverluste und kann diese gegen Gewinne aus anderen Kurzzeit-Geschäften aufrechnen." Und zwar nicht nur mit Gewinnen aus anderen Optionsschein-Geschäften, sondern auch mit den üblichen Aktien- oder Anleihen-Profiten. Selbst wenn der Anleger nach dem zwischenzeitlichen Verfall des Optionsschein-Wertes noch immer an dessen Kursziel glaubt, sollte der Anleger zunächst verkaufen, damit er die Verluste dem Finanzamt melden kann.Anschließend kann er das Papier ja sofort wieder zurückkaufen.Die fälligen Gebühren (in der Regel jeweils ein halbes Prozent) rechnen sich, weil das Finanzamt einen Teil des zwischenzeitlichen Verlustes übernimmt. Übertreiben Optionsschein-Zocker allerdings den Steuerspar-Eifer, wecken sie das Interesse der Finanzbeamten.Melden nämlich die Anleger nach einem schlechten Jahr das Optionsschein-Minus als Spekulationsverlust und verrechnen sie es mit anderen Kurzfrist-Gewinnen, spart das zwar Abgaben, doch der Sachbearbeiter wird im nächsten Jahr besonders gespannt auf die Steuererklärung des Bürgers warten, denn er geht nicht davon aus, daß die Verluste den Optionsschein-Süchtigen geheilt haben.Vielmehr erwartet er, daß der Anleger seine spekulativen Geschäfte fortführt und im Folgejahr erneut Meldung an den Fiskus macht - im Zweifel eine satte Gewinn-Mitteilung. Bleibt die aus, sollen die Finanzbeamten - so werden sie von ihren Vorgesetzten aufgefordert - künftig gezielt nachfragen, ob die Optionsschein-Geschäfte eingestellt wurden.Anleger, die das nicht bejahen können, hilft nur noch ein Ausweg.Sie müssen darlegen, daß ihr Spekulationsgewinn nicht mehr als 1000 DM betrug.Nur dann darf sich der Anleger die Meldung der Options-Geschäfte ersparen.Bei Verheirateten verdoppelt sich der steuerfreie Gewinn auf 2000 DM, wenn beide Partner die Geschäfte tätigen.Diese Beträge sind Freigrenzen.Übersteigen die Spekulationsgewinne diesen Wert, kassiert der Fiskus seinen Anteil nicht nur vom übersteigenden, sondern vom gesamten Betrag.

WOLFGANG LUDWIG (dm)

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