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Wirtschaft: Mitarbeiter im Arbeitsamt kritisieren Spartricks Personalrat spricht von „kundenfeindlichen Aktionen“

Frankfurt (Main) (stg). Dass Erwerbslose übers Arbeitsamt schimpfen, ist nichts Neues.

Frankfurt (Main) (stg). Dass Erwerbslose übers Arbeitsamt schimpfen, ist nichts Neues. Mittlerweile aber klagen auch Mitarbeiter der Behörde darüber, dass Arbeitslose schlecht behandelt würden. Der härteste bisher bekannt gewordene Vorwurf kommt vom Bezirkspersonalrat (BPR) beim Landesarbeitsamt Hessen: In einem internen „BPR Info", das dem Tagesspiegel vorliegt, rügt er „kundenfeindliche Aktionen“ und „puren EinsparAktionismus“, der die Mitarbeiter in die Nähe der Rechtsbeugung bringe.

Der Hintergrund: Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) soll in diesem Jahr zum ersten Mal ohne Zuschüsse vom Bund auskommen. Gleichzeitig muss sie aber neue Aufgaben nach dem Hartz-Konzept übernehmen. Folglich reicht das Geld hinten und vorne nicht. Deshalb spart die Anstalt bei Leistungen wie etwa überbetrieblichen Ausbildungen oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen für Jugendliche. Aber nicht nur das.

Falls die Behauptungen des hessischen Personalrats stimmen, wird auch beim einzelnen Arbeitslosen gekürzt. Nach Darstellung der Personalvertreter werden derzeit die Behördenmitarbeiter Land auf, Land ab unter Druck gesetzt, „dass man sich die raffiniertesten Sachen einfallen lässt, um mit einem zuschussfreien Haushalt auszukommen“. Eine dieser „besonders kreativen Aktionen“ sieht laut „BPR Info“ so aus: Arbeitsämter laden massenhaft Erwerbslose zu Behördenterminen ein, in der Hoffnung, dass einige von ihnen unentschuldigt fernbleiben und dann ganz legal mit einer so genannten „Säumniszeit" belegt werden können – also einer 14-tägigen Sperre des Arbeitslosengeldes.

Diese Sanktion droht laut Personalrats-Info auch dann, wenn ein Arbeitsloser behauptet, er habe die Vorladung gar nicht erhalten. Bisher musste das Amt ihm nachweisen, dass die Post korrekt zugestellt wurde. Diesen Beweis will sich die Arbeitsverwaltung künftig sparen, fürchtet der BPR. Vor Gericht sei eine solche Beweislastumkehr zwar kaum haltbar. Aber wer sich amtsintern beschweren wolle, habe schlechte Karten. Denn auch die Widerspruchsstellen sollen sich nach Informationen des Personalrats „bruchlos den neuen Geschäftspraktiken anpassen“. Aus Gewerkschaftskreisen ist zu erfahren, dass manche „Masseneinladungen“ extra zu Ferienzeiten ausgesprochen werden, damit die Zahl der Unentschuldigten möglichst hoch ausfalle.

„Selbst im Reha-Bereich werden bestehende Rechtsansprüche in einigen Ämtern bereits unterlaufen“, beschwert sich der Bezirkspersonalrat. Aus anderer Quelle wird das bestätigt: Eingliederungshilfen für Behinderte und chronisch Kranke würden so weit wie möglich hinausgezögert, um vorübergehend Geld zu sparen. So würden Amtsmitarbeiter in einen „Dunstkreis der Rechtsbeugung“ geschickt, klagen die Personalvertreter weiter. Und: „Statt Kundenfreundlichkeit entwickelt sich eine Art Verfolgungsbetreuung.“

Die Bundesanstalt für Arbeit weist die Vorwürfe zurück. Arbeitslose würden nicht schikaniert, versichert Wilhelm Kleinlein von der BA. Und auch Karl Brosig, Sprecher des Landesarbeitsamts in Frankfurt, dementiert entschieden. Immerhin bestätigt Brosig jedoch, dass Arbeitslose verstärkt zu Terminen eingeladen würden – zu Vermittlungsgesprächen oder auch zu Gruppenveranstaltungen, in denen neue Kurse vorgestellt würden. Und wer dabei ohne wichtigen Grund fehle, bekomme in der Tat eine Säumniszeit auferlegt. Aber dass dies das wahre Ziel der Termin-Inflation sei, nennt Landesarbeitsamts-Sprecher Brosig eine „blanke Unterstellung“.

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