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Wirtschaft: Mitsubishi kann allein nicht überleben

Aktie des Autoherstellers stürzt ab – Staatliche japanische Auffanggesellschaft steht bereit

Tokio. Daimler-Chryslers Entscheidung, für Mitsubishi Motors (MMC) kein Kapital mehr bereitzustellen, hat die Börse in Tokio erschüttert. Die Aktie des viertgrößten Autobauers des Landes stürzte um ein Viertel ab und wurde zeitweise vom Handel ausgesetzt. Eine erste Ratingagentur stufte die Unternehmensanleihen bereits auf den Status von Junkbonds mit höchster Risiko-Stufe herab. Politiker und Beschäftigte sorgen sich um die Zukunft des Unternehmens, das etwa 40000 Mitarbeiter zählt. „Das könnte das Ende von Mitsubishi Motors sein“, sagte Autoanalyst Koji Endo von Credit Suisse First Boston am Freitag.

Eine kurzfristige Liquiditätskrise wird allerdings von den Marktbeobachtern nicht erwartet. Die anderen Aktionäre der Mitsubishi-Gruppe – der Maschinenbauer Mitsubishi Heavy, das Handelshaus Mitsubishi Corp und die derzeit für Kredite wichtige Tokyo Mitsubishi Bank – sagten dem Unternehmen nach einem Krisentreffen ihre weitere Unterstützung für die Sanierung zu. Ein neues Sanierungsteam soll jetzt innerhalb eines Monats einen Rettungsplan für den hoch verschuldeten Autobauer erarbeiten.

Ab dem Sommer sollte eigentlich Smart- Chef Andreas Renschler das Ruder von Mitsubishi-Chef Rolf Eckrodt übernehmen. Nun, machte Daimler-Chrysler klar, steht Renschler nicht mehr zu Verfügung. Die drei Anteilseigner der Mitsubishi-Gruppe dürften nach einem neuen Firmenchef Ausschau halten.

Für den japanischen Autobauer bedeutet der Rückzug von Daimler-Chrysler die Suche nach einem neuen Partner. Analyst Endo hält Mitsubishi Motors für zu klein, die Marke für zu schwach, um selbstständig zu bestehen. Die Suche nach einem strategischen Partner sei jetzt überlebenswichtig.

Auch wenn Daimler-Chrysler seine Anteile nicht sofort verkaufen will, scheiden die Stuttgarter jetzt als strategischer Partner aus. Zwar sollen bestehende Kooperationen bestehen bleiben, doch in Zukunft ist MMC wieder auf sich allein gestellt. Und dabei sollten eigentlich ab 2005 mindestens jedes Jahr zwei neue Modelle auf einer gemeinsamen Plattform mit Chrysler oder Smart entstehen, um Kosten zu sparen. „Wir müssen die Situation erst einmal analysieren“, heißt es in der MMC-Firmenzentrale im Tokioter Stadtteil Shinagawa, wo niemand mehr ernsthaft an einer Beteiligung Daimlers an der milliardenschweren Kapitalerhöhung gezweifelt hatte. Bisher ist der deutsch-amerikanische Konzern mit 37 Prozent größter Anteilseigner an MMC.

Am kommenden Freitag soll bisher noch wie geplant die außerordentliche Hauptversammlung stattfinden. Doch viel wird dort wohl erst einmal nicht entschieden werden können. Daimler-Chrysler hat betont, dass MMC nur mit sehr viel Geld wieder wettbewerbsfähig und profitabel gemacht werden kann. Auf mehr als fünf Milliarden Euro wurde der Kapitalbedarf zuletzt geschätzt. Offizielle Angaben dazu gibt es keine. Für das im März abgelaufene Geschäftsjahr erwartet MMC einen operativen Verlust von umgerechnet 807 Millionen Euro. Dabei schlagen vor allem hohe Verluste im US-Geschäft zu Buche, wo MMC mit ungesicherten Krediten seine Verkäufe angekurbelt hatte. Das für das US-Geschäft verantwortliche Vorstandsmitglied wurde deshalb bereits gefeuert. Netto sollen gut 550 Millionen Euro Verlust anfallen. Bei der Sanierung waren Werksschließungen in Japan und Australien im Gespräch. Auch sollten mehrere Modelle nicht mehr produziert werden.

Japans Regierung verfolgt die Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit. Kurzfristig könnte die im vergangenen Jahr gegründete Industrie-Wiederaufbau-Agentur IRC einspringen, deren Aufgabe die Rettung von Unternehmen ist. Darum müssten sich der Autobauer und die Hauptbank bewerben. „Unsere Türen stehen jedem Unternehmen offen“, sagte ein Sprecher der IRC.

Noch ist der Schock zu frisch. Bisher hält sich die Kritik an Daimler in Grenzen. Politiker und Medien beschränken sich auf die Kommentierung der Fakten. Doch die Erklärungen Daimler-Chryslers erfolgten nach japanischer Zeit auch erst am Abend. Die Debatte um das gescheiterte Bündnis beginnt in Japan jetzt erst.

Nicole Bastian

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