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Mittelständler: Lücken im Schutz gegen Terror

Während sich Großunternehmen gut gegen Terrorrisiken absichern, halten das viele Mittelständler nicht für notwendig – viele hoffen im Fall des Falles darauf, dass der Staat hilft. Experten sind alarmiert: "Das ist eine Vogel-Strauß-Politik."

Die Terrorwarnung der Bundesregierung hat viele Unternehmen aufgeschreckt. Der deutsche Terrorversicherer Extremus verzeichnete in den vergangenen Tagen eine sprunghaft steigende Nachfrage nach Policen. Vor allem Großunternehmen wollen sich besser gegen Terrorrisiken absichern. Ganz anders die Situation bei Mittelständlern aus der Industrie: Sie schließen in der Regel keine Policen gegen Terrorrisiken ab, hoffen offenbar darauf, dass nichts passiert - oder im Fall des Falles der Staat hilft.

Die Bilder der abgesperrten Reichstagskuppel oder der massiven Polizeipräsenz auf Flughäfen und Bahnhöfen bewegen aber immer mehr Firmen zum Umdenken, die sich bislang nicht in Terrorgefahr wähnten. "Wir verzeichnen eine sehr starke Nachfrage. Wir haben in den letzten Tagen zwei Millionen Euro zusätzliche Prämie eingenommen, was bei einem Prämienvolumen von 52 Millionen Euro im Jahr erheblich ist", sagt Leo Zagel, Vorstandsvorsitzender der Extremus Versicherungs-AG in Köln. "Und die Nachfrage hält noch an." Die versicherte Summe stieg nach Informationen von Extremus auf rund 550 Milliarden Euro. Binnen Jahresfrist entspricht das einem Plus von rund zwölf Prozent.

Frankfurt und Berlin im Fokus

Als gefährdet gelten in Deutschland vor allem die Ballungsgebiete. Auf der jüngsten "Weltkarte der Terrorgefahren" des Rückversicherungsmaklers Aon sind hierzulande vor allem Frankfurt und Berlin bedroht. Dort ist auch die Terrordeckung am höchsten. "In Frankfurt beträgt die Versicherungssumme über 50 Milliarden Euro. Danach kommt Berlin mit 30 Milliarden", sagt Extremus-Chef Zagel. Extremus bietet größeren Firmen seit 2002 mit Hilfe des Staates in Deutschland Versicherungsschutz gegen Terrorrisiken, weil sich die privaten Anbieter nach den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 dazu außerstande sahen.

Auch Olav Bogenrieder, Leiter der Sparte Sachversicherungen der Allianz Deutschland, spricht von einer höheren Nachfrage. Er schätzt das Plus auf fünf Prozent. Zum Vergleich: Für die gesamte industrielle Sachversicherung erwartet die Branche für 2010 lediglich ein Prämienwachstum von 0,5 Prozent.

Bogenrieder sieht die Dax-Unternehmen "ausreichend und gut bei Extremus abgesichert". Auch kleine Unternehmen mit Werten bis 25 Millionen Euro seien in der Regel gut abgedeckt. "Lücken sehe ich im sogenannten größeren Mittelstand in Deutschland. Das sind Betriebe mit Versicherungswerten zwischen 25 Millionen und 500 Millionen Euro. Hier ist der Abschluss der Terrordeckung verbesserungswürdig." Extremus-Chef Zagel formuliert es so: "Die mittelständische Industrie versichert sich kaum gegen große Risiken."

Rund 1 500 Verträge zählt Extremus-Chef Zagel aktuell. Das sind immerhin rund 13 Prozent mehr als Ende 2009. Versichert sind damit 6 000 Risiken, sprich Betriebsstandorte. Allerdings gibt es ein Vielfaches an Großbetrieben, die sich aufgrund ihrer Größe nur bei Extremus gegen Terrorschäden versichern können. Bogenrieder folgert: "Es gibt rund 150 000 größere Unternehmen in Deutschland, die Deckungslücken haben."

Heike Trilovszky, die als Chefin Corporate Underwriting für die Grundsätze der Zeichnungspolitik beim weltgrößten Rückversicherter Munich Re verantwortlich ist, kritisiert die Einstellung vieler Firmen: "Das wahrgenommene Terrorrisiko ist verglichen mit den alltäglichen Risiken wie Feuer und Unfall eher klein. Daneben steht die Hoffnung, wenn irgendwas passiert, wird wohl irgendwer zahlen. Das ist eine Vogel-Strauß-Politik."

Dabei kann es nicht an steigenden Preisen für Terrorversicherungen liegen. Die fallen eher, wie Extremus-Chef Zagel sagt. Aber vielleicht rechnen die Unternehmen auch nicht so sehr mit einem Anschlag auf ihre Betriebe, sondern vielmehr mit Angriffen auf Bahnhöfe oder Flughäfen - Orte, an denen sich viele Menschen aufhalten. In solchen Fällen kämen die vorhandenen Terrordeckungen in den Personenversicherungen zum Tragen. So hatte die Terrorexpertin des Rückversicherungsmaklers Aon, Sabrina Jestrich, schon bei der Vorstellung der Terror-Weltkarte im Juni davor gewarnt, dass Terroristen weiter versuchten, mit speziellen Taktiken Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern zu verüben - wie in Mumbai vor zwei Jahren. "Das gilt in der Tendenz weiterhin", sagt sie jetzt.steht der Staat gerade. Extremus ist eine Antwort auf die Terroranschläge des 11. September 2001. Danach stuften die Versicherer Terrorrisiken als unkalkulierbar ein und holten in vielen Staaten den Steuerzahler mit ins Boot. In Deutschland müssen die Versicherer seit 2002 in der herkömmlichen gewerblichen Feuerversicherung bis zu 25 Millionen Euro Terrordeckung gewähren. Bei privaten Policen ist sowieso meist eingeschlossen. Aber hier sind die versicherten Risiken auch nicht so hoch.

Quelle: Handelsblatt

Christoph Sandt

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