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Wirtschaft: Mittelstand voran

Berliner Wirtschaft legt „Wahlprüfsteine“ vor / Bildungskonzept bei allen Parteien vermisst

Berlin - Mit weniger Staat und vor allem weniger Bürokratie, einem besseren Bildungswesen, guter Infrastruktur und einem starkem Mittelstand soll die Berliner Wirtschaft in Schwung gebracht werden. Ferner „benötigen wir mehr Aufmerksamkeit für die Industrie“, sagte Eric Schweitzer, Präsident der Industrie- und Handelskammer, am Montag bei der Vorstellung der sogenannten Prüfsteine für die Wahl zum Abgeordnetenhaus am 17. September. Es sei ein „Irrsinn“, dass es in einer Stadt mit fast 3,5 Millionen Einwohnern nur eine Million sozialversicherungspflichtige Beschäftigte gebe.

Schweitzers Präsidentenkollege von der Handwerkskammer, Stephan Schwarz, stellte die Bedeutung des Mittelstands heraus, zu dem in Berlin 99 Prozent aller Betriebe gehörten. Er forderte ein Mittelstandsgesetz, mit dessen Hilfe die bislang unverbindlichen Bekenntnisse von Politik und Verwaltung zur Mittelstandsförderung und zum Bürokratieabbau in die Tat umgesetzt würden. Bei der Auftragsvergabe für den neuen Flughafen in Schönefeld komme der Mittelstand nach wie vor zu kurz. Schwarz kündigte die Einrichtung einer Auftragsberatungsstelle an, bei der sich kleinere Firmen über die Modalitäten bei Flughafenaufträgen informieren könnten.

Schweitzer zufolge liegt Berlin mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 17 000 Euro im Jahr an 52. Stelle der deutschen Städte. Da zudem das Land Berlin als öffentlicher Auftraggeber wegen Geldmangels beinahe ausfalle, sollte Schweitzer zufolge über weitere Privatisierungen Kapital in die Stadt geholt werden. Konkret nannte der IHK-Präsident Wohnungsbaugesellschaften und Krankenhäuser. Der Verkauf der Wohnungsgesellschaft GSW vor zwei Jahren sei im Übrigen erfolgreich gewesen, Wohnungen seien saniert und Mieter „vor Miethaien geschützt“ worden, sagte Schweitzer. Derzeit befänden sich noch Wohnungen im Wert von 13 Milliarden Euro im Landesbesitz, die allerdings mit acht Milliarden Euro Schulden zu verrechnen seien. Trotz diverser Privatisierungen liege die Staatsquote in Berlin bei 60 Prozent, im Bundesdurchschnitt dagegen bei 50 Prozent. Die Bürokratiekosten bezifferte Schweitzer auf 2,8 Milliarden Euro, darunter Steuern und Abgaben, Sozialversicherungen, Ausgaben für Umweltschutz, Statistik und Arbeitssicherheit. Ein Viertel davon, also 700 Millionen Euro, könnten nach Einschätzung des IHK-Präsidenten gespart werden.

Um die Investitionen der öffentlichen Hand zu forcieren, regten Schweitzer und Schwarz mehr Finanzierungskooperationen (Public Private Partnerships) mit privaten Investoren an. „Hier hinkt Berlin beschämend hinterher“, meinte Schwarz. In anderen Ländern gebe es zum Beispiel bei der Sanierung von Schulen gute Erfahrungen mit solchen Partnerschaften.

IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder warnte vor einer Ausbildungsumlage, wie sie von PDS und Grünen gefordert werde. „Einen größeren Unsinn kann es nicht geben“, meinte Eder. Vor allem aufgrund schlecht qualifizierter Schulabgänger müssten seiner Einschätzung nach dauerhaft rund 25 Prozent aller Ausbildungsplätze überbetrieblich, also in Schulen oder öffentlich finanzierten Bildungseinrichtungen, angeboten werden. Die Hochschulen betreffend plädierten die Kammerchefs für Studiengebühren, ohne die keine Spitzenuni möglich sei. Alles in allem habe „keine Partei ein stringentes Bildungsprogramm“, sagte Eder.

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