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Leidenschaft. 120.000 Sammler in Deutschland haben ungezählte Modellautos in ihren heimischen Vitrinen.

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Modellautos: Die kleinen Botschafter der Marke

Modellautos sind komplexe Sammlerstücke, die fast alle in China produziert werden. Nur exklusive Kleinserien werden noch in Deutschland gefertigt. Um die Firma Sapor rankt sich nun eine politische Affäre.

„Wir erwecken die Vergangenheit zum Leben, erschaffen Legenden neu.“ – Das Motto der Firma Sapor Modelltechnik dürfte in den Ohren von Christine Haderthauer wie ein bitterer Witz klingen. Die CSU-Staatsministerin hätte ihre Vergangenheit als Teilhaberin des Ingolstädter Modellauto-Herstellers sicher gerne ausradiert. Stattdessen ermittelt die Staatsanwaltschaft München. Der Verdacht: Bei Herstellung und Verkauf von exklusiven Modellautos könnten Haderthauer und ihr Ehemann Hubert betrogen und Steuern hinterzogen haben.

Ungeachtet der Vorwürfe, die Haderthauer zurückweist, genießt die inzwischen verkaufte Firma Sapor in der Branche den allerbesten Ruf. Bei Sammlern, die tausende Euro für ein Modellauto bezahlen, sprechen die aufwendig gebauten Oldtimer im Maßstab 1:8 das Höchste der Gefühle an. Wettbewerber sprechen mit Ehrfurcht vom großen Aufwand, den Sapor treibt, um Autos vergangener Tage detailgetreu wiederzubeleben. Die Firma selbst ist eine Legende.

Der Modellauto-Markt kommt in Deutschland auf ein jährliches Umsatzvolumen von 300 Millionen Euro. Dominiert wird er von mittelständischen Spezialisten, die sich oft in Familienbesitz befinden. Marken wie Schuco, Herpa oder die Berliner Wiking blicken auf eine mehr als 100-jährige Firmengeschichte zurück. Weltweit sind an die 150 Unternehmen im Geschäft. Das Autoland Deutschland ist ein wichtiger Markt, aber auch Japaner, Chinesen und Russen schätzen die Handwerkskunst, die fast ausschließlich in China ausgeübt wird. Einige Blechmodelle werden in Ungarn gefertigt.

Möglichst nah am Original. Die Autohersteller legen viel Wert auf die Miniaturen ihrer aktuellen Fahrzeuge.
Möglichst nah am Original. Die Autohersteller legen viel Wert auf die Miniaturen ihrer aktuellen Fahrzeuge.

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Der Name Sapor hat für Kenner auch deshalb einen besonderen Klang, weil die Firma in Deutschland produziert. „Sapor-Autos werden wie die Originale gebaut“, sagt Peter Brunner, Markenbeauftragter des Modellbauers Schuco, der zur Simba-DickieGruppe gehört. Bis zu 6000 in Präzisionsarbeit hergestellte Einzelteile – ausschließlich aus Holz, Metall und Leder –, maximal 25 Exemplare pro Modell, Preise von 10 000 Euro und weit mehr für Einzelstücke. Bei Auktionen werden Raritäten für bis zu 100 000 Euro versteigert. „Die Entwicklung solcher exklusiver Fahrzeuge dürfte bis zu 100 000 Euro kosten“, schätzt Andreas Berse, Chefredakteur des Fachmagazins „Modell Fahrzeug“. Sapor baue auch Werkzeuge und Maschinen selbst. „Das gibt es sonst nirgendwo.“

Ein Schwerverbrecher produziert Modelle im Gefängnis

Wohl auch deshalb nicht, weil es nirgendwo sonst einen so talentierten Konstrukteur gibt wie den inhaftierten Straftäter Roland S., der die Sapor-Modelle seit Ende der 80er Jahre im Gefängnis baut. Ein bizarrer Umstand, den Peter Brunner vor Jahren davon abhielt, mit Hubert Haderthauer ins Geschäft zu kommen. „Es hieß, es gehe um Beschäftigungstherapie für psychisch Kranke“, erinnert sich Brunner, der damals als Geschäftsführer der Modellbaufirma Herpa nach der Herkunft der Autos fragte. Haderthauer hatte seine Autos über Herpa vertreiben wollen. Brunner lehnte ab.

Welche Gewinnspannen Sapor mit seinem moralisch fragwürdigen Geschäftsmodell erzielte und ob der Fiskus hintergangen wurde, beschäftigt die Justiz. Die geschätzten 120 000 Sammler in Deutschland dürften sich dafür kaum interessieren, da für sie nur kleinere Modelle infrage kommen. 1:8, der Maßstab des Sapor-Modellbaus, ist für die Masse zu teuer. Hierzulande dreht sich fast alles um 1:87, 1:43 und 1:18.

Präzision. Bis ins letzte Detail werden selbst einfache Modelle ausgestattet.
Präzision. Bis ins letzte Detail werden selbst einfache Modelle ausgestattet.

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„Die Käufer sind ein Spiegelbild der Gesellschaft“, sagt Andreas Berse. Das Spektrum reiche vom Sammler, der mehrere tausend Euro pro Jahr für sein Hobby ausgebe, bis zum eisernen Sparer, der eine kleine Modellauto-Sammlung Schritt für Schritt aufbaue. Im Schnitt 300 Miniaturen hätten die 20 000 Leser der Zeitschrift „Modell Fahrzeug“ in der Vitrine.

Wichtigster Treffpunkt der Community ist „die IAA des Modellbaus“, wie Berse sagt: die Nürnberger Spielwarenmesse. Hier werden wie bei den großen Automessen inzwischen immer mehr Industriemodelle ausgestellt – Miniaturen von aktuellen Fahrzeugen. „Dieser Markt hat sich in den vergangenen Jahren professionalisiert“, sagt Berse. „Und die Deutschen haben hier eine Stärke: Präzision.“

Für die Autokonzerne wird der Miniaturmarkt wichtiger

Ob Audi, BMW, Mercedes oder Porsche – alle Autokonzerne legen heute großen Wert darauf, dass ihre Modellpalette möglichst detailgetreu auf dem Miniaturenmarkt verfügbar ist. Volkswagen leistet sich gar eine eigen Designabteilung, um die kleinen Kopien möglichst nah am Original zu halten. Die Miniaturen seien „Botschafter der Marke“, sagt VW-Chefdesigner Walter de Silva. Das Problem für die Modellbauer: die Entwicklung eines kleinen Autos dauert fast so lange wie die des großen – zwölf Monate. Und an die meist geheimen Konstruktionsdaten ist schwer heranzukommen.

„Wie bei den Konzernen ist der Kostendruck enorm“, berichtet Peter Brunner. Es herrsche ein Verdrängungswettbewerb, weil viele mit den Großen ins Geschäft kommen wollen. Zugleich werden die Werkbänke in China teurer, die Rohstoffpreise steigen. Und die Kunden sind anspruchsvoll – auch bei Industrieware. „Wir bauen eine S-Klasse von Mercedes aus mehr als 70 Einzelteilen und mehr als 100 Dekorationen“, sagt Brunner. Selbst dort, wo es der Kunde nicht sieht, muss die Miniatur möglichst nah am Original sein. „Diese Kosten können wir gar nicht weitergeben“, sagt Brunner. „Die Gewinnmargen sind massiv beschnitten worden.“

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