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Wirtschaft: Moritz von Engelhardt

Geb. 1936

In der Mongolei lernte er die Stille genießen. Dort fiel er auch mal vom Pferd. Der Lesestoff seiner Kindheit bestimmte sein Leben: Karl May und Dschingis Khan. Bei Karl May hatte Moritz von Engelhardt gelesen, dass man Feuer mit Gegenfeuer löschen kann. Wissen, das er gleich in der Praxis umsetzen wollte. Ein Hühnerstall brannte dabei ab.

Seine Lehrer diskutierten, wie man den Jungen bestrafen sollte. Es waren Lehrer einer Waldorfschule – und so wurde der Brandstifter am Ende doch nicht bestraft. Moritz’ Energie müsse man nur geschickt umlenken, befanden die Reformpädagogen. Und so wurde der Junge für die Zündelei mit einem Imker-Job belohnt.

Das Erlebnis wurde zur Grundlage seiner Arbeit: Nicht bestrafen, sondern Energie in bessere Richtungen lenken. Im Wannseeforum, der Bildungsstätte, die er jahrelang leitete, nannten ihn die Schüler „Herr Moritz“. Er versuchte dort, ihnen die Grundlagen der Demokratie beizubringen, sie für Fotografie und Kunst zu begeistern, kümmerte sich um Jugendbüros und Schülervertretungen, rastlos, auch noch im Ruhestand von Termin zu Termin eilend.

An die Dschingis-Khan-Geschichten, die er als Kind gelesen hatte, erinnerte sich Moritz von Engelhardt, als er Ende der neunziger Jahre plötzlich die Möglichkeit bekam, in der Mongolei für Deutschunterricht und Schülermitbestimmung zu werben. Er zögerte nicht, er fuhr sofort los.

War er sonst immer Untertan seines dicht gefüllten Terminkalenders gewesen, musste er sich hier sehr umstellen. Als in der Steppe der Geländewagen eine Panne hatte, dauerte es nicht Stunden, sondern Tage, bis er repariert war. Gegen den Hunger zwischendurch wurde eine Ziege geschlachtet. Und etwas Eigenartiges geschah: Moritz von Engelhardt kam in der Mongolei zur Ruhe. Überrascht bemerkte er, dass er diese Stille, diese Tage, in denen nichts passierte, genießen konnte. Es war ja keine deutsche, umtoste Stille – nein, Leere und Weite der mongolischen Steppen und Wüsten waren gänzlich lautlos.

Irgendwann war das Auto repariert, es ging weiter, und Moritz von Engelhardt konnte in einer Jurte wieder seinen Deutschunterricht geben. Aber er war jetzt überzeugt: „Wir können von den Mongolen lernen.“ Er lernte Galsan Tschinag kennen, den Schamanen, Touristikunternehmer, Schriftsteller und Häuptling der Tuwiner. Er besuchte buddhistische Klöster, schloss viele Freundschaften.

Von nun an fuhr er öfter in das stille Land. Und blieb dort nicht für Wochen, sondern für Monate. Auf einmal war er Wanderer zwischen den Welten des Abend- und des Morgenlandes. War er früher immer stilvoll mit Jackett gekleidet, trug er jetzt auch am Wannsee sein mongolisches Ehrengewand.

Den Wechsel von der einen in die andere Welt beging er in feierlichen Zeremonien. Vor der Reise nahm er im Aachener Karlsdom Abschied von der westlichen Welt. Den Wechsel von Europa nach Asien musste er in Istanbul beim Gang über die Bosporusbrücke erspüren.

In der Mongolei bekam er mal ein Pferd geschenkt. Natürlich musste er es reiten, natürlich fiel er herunter. Damit setzte er eine ganz eigene Folge von Verpflichtungen in Gang: Durch den Sturz war nun der Pferdezüchter gehalten, das Tier ebenfalls zu reiten und herunterzufallen. Nun war es wiederum an Engelhardt, dem Züchter zu versichern, um wie viel besser der natürlich reite, als er selbst. Zum Glück war das Geschenk symbolischer Natur, der Gaul blieb auf dem mongolischen Gehöft in Pflege.

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