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Wirtschaft: Müller fordert Klima der Selbständigkeit

BERLIN/MAINZ (Tsp). Bundeswirtschaftminister Werner Müller (parteilos) will sich für einen grundsätzlichen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik stark machen.

BERLIN/MAINZ (Tsp). Bundeswirtschaftminister Werner Müller (parteilos) will sich für einen grundsätzlichen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik stark machen. Die "Welt am Sonntag" zitierte am Wochenende aus dem "Wirtschaftsbericht 1999", den der Minister Mitte dieser Woche offiziell vorstellen will. Er fordert darin eine Wirtschaftspolitik, die auf mehr Eigenverantwortung und Eigeninitiative des Einzelnen zielt und die Rolle des Staates stark reduziert. Mit Vorrang müsse "das gesellschaftliche Klima für mehr Selbständigkeit" verbessert werden, wurde aus dem Bericht zitiert. Auch die Tarifparteien nimmt Müller in die Pflicht. Im Wirtschaftsministerium wollte man sich dazu nicht äußern.Müller skizziert in dem Papier seine "Konzeption einer modernen Wirtschaftspolitik". Die Staatsquote müsse auf unter 40 Prozent zurückgefahren werden. Derzeit liegt sie noch bei 50 Prozent, jede zweite verdiente Mark wird damit vom Staat umverteilt. Die Rückführung der Staatsquote erfordert aber ein Umdenken auf allen Ebenen. Laut Zeitung heißt es in dem Müller-Papier dazu: "Dies bedeutet eine Reduzierung der Ansprüche von Wirtschaft und Gesellschaft an den Staat, zum Beispiel durch Subventionsabbau, Rückführung sozialer Ansprüche und Verkleinerung der öffentlichen Verwaltung." Dies erst schaffe Spielräume für eine umfassende Steuerreform, "die dringend notwendig ist für größere Entfaltungsspielräume der Menschen".Die sozialen Sicherungssysteme müßten dementsprechend "dynamisch angepaßt" und einer "strukturellen Reform" unterzogen werden. Der Wohlfahrtsstaat müsse seine "Rolle, Ziele und Instrumente grundlegend überdenken". Nur ein "bezahlbarer Sozialstaat" sei ein sicherer.Ungewöhnlich deutlich äußert sich der Wirtschaftsminister auch zur Tarifpolitik. Die Tarifparteien trügen "direkt Verantwortung für die Entwicklung der Beschäftigung und damit auch der Arbeitslosigkeit". Tarifabschlüsse müßten deshalb laut Müller "unter Beachtung der Unterschiede nach Qualifikation und Regionen, aber auch unter Beachtung der jeweiligen Lage am Arbeitsmarkt" getroffen werden. In einem ZDF-Interview verdeutlichte der Wirtschaftsminister am Wochenende seine Forderung: Wenn die Regierung "Steuern und Abgaben senkt, und innerhalb von vier Jahren eine durchschnittliche Lohntüte um 3000 Mark dicker macht, dann sollte das bei den Tarifgesprächen berücksichtigt werden", sagte er.Lob erhielt Müller unterdessen von Seiten der Wirtschaft. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Ludolf-Georg von Wartenberg, stellte der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gute Noten aus. Er erwarte eine positive Kehrtwende im Verhältnis zwischen Wirtschaft und Bundesregierung, wenn sich das Schröder-Blair-Papier durchsetze, sagte Wartenberg am Wochenende in einem Interview des DeutschlandRadio. Das Papier, in dem sich Schröder und der britische Premierminister Blair für einen liberale Wirtschaftspolitik in Europa aussprachen, lasse eine Vision erkennen. "Wenn sich der Kurs des Bundeskanzlers, der sich andeutet, durchsetzt, ist da ein ernstzunehmender Gesprächspartner."

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