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Todesfalle. 112 Menschen starben in dieser Fabrik, Notausgänge waren versperrt.

© AFP

Nach Brandkatastrophe: Textilfirmen fürchten um ihren Ruf

Die Branche will aus Fehlern lernen und ihre Lieferanten stärker kontrollieren. Die Bundesregierung warnt Verbraucher vor Billigware.

Bei H&M kostet die Skinny Low Jeans für Damen 19,95 Euro. Konkurrent C&A bietet T-Shirts für den Herrn in allen Farben des Regenbogens ab sieben Euro. Die Handelskette Kik verlangt nur 5,99 Euro für einen Jungen-Kapuzenpullover, und beim Kaffeeröster Tchibo sind Handschuhe in hübscher Lederoptik schon für 5,95 Euro zu haben.

Viele dieser Textilien dürften von Arbeitskräften zusammengenäht worden sein, die dabei nicht besonders viel Geld verdient haben. Der verheerende Brand in einer Textilfabrik in Bangladesch am vergangenen Samstag hat eine Debatte über Sozial- und Sicherheitsstandards von Fabriken in Billiglohnländern ausgelöst. 110 Menschen waren bei dem Feuer nahe der Hauptstadt Dhaka ums Leben gekommen. Zu den Kunden der Textilfabrik gehören C&A und der US-Konzern Walmart. Kik hatte dort bis August nähen lassen.

Die Textilkette Takko mit mehr als 1700 Filialen will sich 2013 Klarheit über ihre Produktionsbetriebe verschaffen. Man werde für „weitgehende Transparenz“ sorgen, erklärte das Unternehmen auf Anfrage. Derzeit seien Takko nur etwa 80 Prozent der Fabriken bekannt, die Aufträge ausführten. 90 Prozent seiner Waren lässt Takko in Fernost produzieren.

Wie Takko machen es viele in der Branche. Mehr als ein Viertel der in Deutschland verkauften Kleidung kommt aus China. Die Türkei (13 Prozent) und Bangladesch (12 Prozent) sind weitere wichtige Lieferanten. Immer wieder gibt es aber Berichte über Billiglöhne und schlechte Arbeitsbedingungen. Bei dem Feuer in Dhaka soll Überlebenden zufolge ein Ausgang des Gebäudes blockiert gewesen sein, Feuerlöscher hätten nicht funktioniert. Der Betrieb gehört zu der Firma Tazreen Fashion. Bei einem ähnlichen Vorfall in Pakistan waren im September 289 Menschen umgekommen.

"Die gesamte Branche ist verseucht"

Ein C&A-Sprecher bestätigte, 220 000 Sweatshirts in der Fabrik bestellt zu haben, die in Brasilien verkauft werden sollten. Ein Mitarbeiter werde noch diese Woche nach Bangladesch fliegen, um aus erster Hand mehr über die Umstände des Unglücks zu erfahren. Derweil will der US-Konzern Walmart aus dem Vertrag mit Tazreen aussteigen. Kirsten Clodius von Romero, einer Organisation, die sich für Arbeitsrechte einsetzt, kritisiert dies massiv: „Die Firmen sollen sich nicht aus der Verantwortung stehlen, sondern Sicherheitsstandards durchsetzen.“ Trotz häufiger Unfälle gebe es immer noch „unglaubliche Sicherheitsmängel“, auch wenn die Fabrik, in der sich der Brand ereignet hatte, bislang nicht aufgefallen war.

Die gesamte Branche sei „verseucht“, kritisierte Claudia Brück von der Organisation Fairtrade. Es gebe dort lange Ketten von Lieferanten und Unterlieferanten, das mache sie sehr undurchsichtig. „Selbst Unternehmen, die sich um Normen und Kontrollen bemühen, können nicht sicher sein, ob ein Subunternehmer diese auch einhält.“ Ähnliche Probleme gebe es bei der Produktion von Unterhaltungselektronik. Zwar achteten die Verbraucher verstärkt auf Siegel, die eine faire und umweltgerechte Produktion garantieren. „Doch wenn der Preis mehr als zehn Prozent höher ist als bei einem gewöhnlichen Produkt, wird es schwierig.“ Brück verlangte, die Bundesregierung dürfe es nicht der Privatwirtschaft überlassen, ihre Lieferketten sauber zu gestalten.

„Wer ein T-Shirt für 99 Cent kauft, der muss – bei aller Freude über den niedrigen Preis – wissen, dass dieser niedrige Preis auf Kosten der Erzeuger geht“, sagte indes Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP). „Verantwortungsbewusste Verbraucher können mit ihrer Marktmacht eine Menge tun.“ Zertifizierungen und Siegel seien kein freiwilliges Extra, sondern machten einen Unterschied. Daneben müsse die Regierung Bangladeschs für Brandschutz sorgen und die Industrie für Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen.

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