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Nervös. Nicht nur in New York schauen die Aktienhändler gebannt auf die Entwicklung. Überall auf der Welt sind die Aktienmärkte extrem angespannt.

© dpa

Nach dem Börsen-Crash: Anlagestrategien gegen die Angst

Aktien haben langfristig immer gewonnen und Rendite ist ohne Risiko nicht zu haben. Warum Anleger zur Selbsttäuschung neigen - und wie man sich selbst diszipliniert.

Angst und Nervosität an der Börse lassen sich messen, es gibt sogar einen eigenen Index dafür: den V-Dax. Der sogenannte Volatilitäts-Index – auch „Angst-Barometer“ genannt – zeigt an, welche Kursschwankungen die Anleger am Terminmarkt in den nächsten anderthalb Monaten für den Dax erwarten. Ein hoher Wert signalisiert große Nervosität, ein niedriger Gelassenheit. Anfang dieser Woche schoss der V-Dax um mehr als 30 Prozent in die Höhe und erreichte den höchsten Stand seit vier Jahren. Kurzum: Die Nerven der Börsianer liegen blank.

Für Privatanleger, die in den aktuellen Turbulenzen den Überblick nicht verlieren wollen, bietet der V-Dax eine erste Orientierung: Wer jetzt Aktien kauft, begibt sich auf schwankenden Boden. Doch wie sieht es mittel- und langfristig aus? In welche Fallen können Anleger tappen? Wie nutzt man die Chancen, die sich nach dem Absturz bieten?

RUHE BEWAHREN

Wer sich nicht der Hektik des Day-Trading aussetzen und jeden Tag Aktien oder Zertifikate kaufen und verkaufen will, der sollte sich nicht verrückt machen lassen. Zugegeben, das Jahr 2015 war bis dato eine Enttäuschung: Wer im Januar einen Dax- Fonds gekauft und bis heute gehalten hat, konnte bis April fast 30 Prozent Gewinn auf dem Papier verbuchen – steht aber aktuell wieder am Anfang. Null Prozent Gewinn. Berücksichtigt man Bank- Gebühren und die Inflation, war mit dem Dax im laufenden Jahr nur ein Verlustgeschäft möglich.

Aber es kommt wie immer an der Börse auf die Ausdauer an. Panik ist ein schlechter Ratgeber. Seit Anfang 2014 hat der Dax fast sechs Prozent gewonnen, seit Anfang 2013 sind es 28 Prozent, seit 2012 sogar fast 65 Prozent. Anleger, die beim Dax-Absturz 2011 hektisch verkauft haben, als der Index im Herbst um 2500 auf 5000 Punkte abrutschte, haben also nicht nur womöglich Geld verloren, sondern auch anschließende Gewinne verpasst. Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt, dass das Kurspotenzial nach Dax-Einbrüchen (bei einer vergleichbaren fundamentalen und technischen Situation wie derzeit) bei neun bis 24 Prozent in den folgenden sechs Monaten lag.

KLEINE SCHRITTE

Selbst wenn man Statistiken der Fonds- Verkäufer mit Vorsicht genießen sollte, spricht viel für die Strategie, in kleinen Schritten Aktien zu kaufen, statt große Beträge auf einzelne Papiere zu setzen. Der Fondsverband BVI rechnet vor: Wer in den vergangenen 20 Jahren jeden Monat 100 Euro in einen deutschen Aktienfonds gesteckt hat, konnte im Schnitt eine jährliche Rendite von 7,5 Prozent erzielen – trotz zwischenzeitlich heftiger Schwankungen. Das Kalkül zahlt sich besonders in schwachen Börsenphasen aus: Bei niedrigen Anteilspreisen bekommt man bei gleichbleibenden Einzahlungsraten mehr für’s Geld – sind Aktien teuer, wird weniger gekauft. So zwingt man sich zum antizyklischen Investment und profitiert von niedrigen Durchschnittskosten (Cost-Average-Effekt). Je größer das angesammelte Kapital allerdings wird, desto kleiner wird dieser Effekt. Das Aktien- oder Fondspaket gleicht immer mehr einer einmal investierten Summe.

EHRLICH ANALYSIEREN

Die verhaltensorientierte Wirtschaftsforschung (Behavioral Finance) hat den Kapitalanleger ziemlich genau analysiert. Anders als in der Theorie verhält er (oder sie) sich nicht rational, sondern wird von Ängsten, Wünschen und Gier getrieben. Egal ob Profi oder Laie: Anleger tappen regelmäßig in die Falle der Selbstüberschätzung und Selbsttäuschung. So werden zum Beispiel Verluste sehr viel stärker als Gewinne wahrgenommen. Die Folge: Verluste lässt man zu lange laufen, Gewinne nimmt man zu schnell mit. Hinzu kommt, dass Anleger dem Herdentrieb folgen: Häufen sich negative Nachrichten – wie in den vergangenen Wochen aus China –, entsteht ein übertriebener Verkaufsdruck, weil Positives überhört wird. Der Computerhandel verstärkt dies noch, weil die Automaten zum Beispiel bei bestimmten Kursmarken, etwa 10 000 Dax-Punkten, Verkaufsorder ausgeben. Gleiches gilt für steigende Kurse. Auch hier neigt die Herde zu Übertreibungen, weil Negatives verdrängt wird. Kleinanleger kommen in diesen großen Marktbewegungen regelmäßig unter die Räder, weil sie zu spät reagieren (können).

DISZIPLIN ÜBEN
Um sich selbst als Anleger zu disziplinieren, bieten sich einfache Instrumente an. Ein Klassiker sind sogenannte Stopp- Loss-Kurse. Mit einer entsprechenden Order bestimmt der Anleger selbst einen Kurs unterhalb der aktuellen Notierung, bei dem ein Verkaufsauftrag automatisch umgesetzt wird. So wird verhindert, dass eine Aktie, ein Fonds oder ein Zertifikat bodenlos abrutscht. Die Herausforderung besteht darin, den richtigen Abstand zwischen dem aktuellen Kurs des Papiers und dem Verkaufskurs zu finden. Steigen die Kurse, sollte der definierte Verkaufskurs nach oben angepasst werden. Einige Banken bieten sogenannte Trailing-Stopps an. Dabei legt der Anleger fest, dass der Stopp-Loss-Kurs automatisch mit einem bestimmten Abstand zum Basiswert nach oben mitgezogen wird.

RISIKEN STREUEN
Sicherheit und Rentabilität schließen sich tendenziell aus. Im „magischen Dreieck“ der Geldanlage bilden Sicherheit, Rentabilität und Liquidität die Eckpunkte. Eine optimale Mischung zu finden, ist in der aktuellen Situation nicht einfach: Die Zinsen (Sicherheit) sind niedrig, Aktien (Rentabilität) sind volatil, Immobilien (Sicherheit) sind in guten Lagen teuer, der Goldpreis (Sicherheit) ist abgestürzt, Bares und Sparkonten (Liquidität) sind unattraktiv, weil die Inflation ihren Wert schmälert.

Für Aktien gilt nach dem Crash, was auch Immobilienkäufer bedenken sollten: Niedrige Finanzierungskosten allein sind kein Kaufargument. Niedrige Kurse machen noch kein Schnäppchen. Die Aktie sollte auch eine Wertsteigerung versprechen. Im Dax finden sich einige Werte, die beides bieten: Kurspotenzial und Sicherheit in Form einer hohen Dividendenrendite. Auch der Dax insgesamt ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von gut elf im langfristigen Mittel (15) niedrig bewertet.

Jetzt einsteigen? Technische Analysten, die ihre Empfehlungen aus der Analyse früherer Kursverläufe ableiten, argumentieren: Es muss erst schlechter werden, bevor es besser wird. Fundamental Orientierte, die die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unter die Lupe nehmen, neigen zu der These: Der Absturz war übertrieben – es bieten sich Einstiegschancen. Das „Angst-Barometer“ ist seit Montag um 25 Prozent gefallen.

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