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Wirtschaft: Nach dem Krieg kommt nur ein kurzer Boom

Experten: Gute Stimmung in der Wirtschaft ist nicht von Dauer / Opec-Länder könnten Ölhahn zudrehen

Berlin (brö). Das absehbare Kriegsende wird vermutlich in Deutschland keinen Aufschwung auslösen. Wirtschaftsexperten äußerten am Donnerstag Zweifel daran, dass ein Ende der allgemeinen Unsicherheit die Konjunktur beflügeln könne. Als Problem gilt weiterhin der Ölpreis. Trotz der mageren Aussichten und der geringer ausfallenden Steuereinnahmen will die Bundesregierung die Schuldengrenze des MaastrichtVertrages einhalten.

„Die Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern wird sich in den kommenden Wochen leicht verbessern – diese Aufhellung wird aber nicht von Dauer sein“, sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Invesco, dem Tagesspiegel. Vor dem Krieg hatte die weltpolitische Unsicherheit über Monate Börsenkurse, Investitionen, Konsum und den Arbeitsmarkt spürbar gedämpft. Diese Belastung werde nun verschwinden, vermutet Krämer, an ihre Stelle würden aber die Strukturprobleme in der Weltwirtschaft treten. Für das gesamte Jahr rechnet Krämer in Deutschland nur mit einem um 0,5 Prozent zunehmenden Bruttoinlandsprodukt (BIP).

Die EU-Kommission und der Internationale Währungsfonds hatten ihre Erwartungen zuletzt auf ähnliche Werte gesenkt. Auch die Dresdner Bank sprach am Donnerstag von mäßigen Aussichten. Dies werde im kommenden Winter zu neuen Rekordwerten bei der Arbeitslosigkeit von bis zu 4,8 Millionen Menschen führen. Erst 2004 sei ein „respektabler Aufschwung“ mit einem Plus von zwei Prozent zu erwarten, sagte Dresdner-Bank-Chefökonom Michael Heise.

Für problematisch halten Fachleute vor allem die Entwicklung in den USA. Die Verschuldung der Unternehmen sei auf insgesamt 10,4 Billionen US-Dollar angestiegen, sagte Krämer von Invesco – das hemme die Investitionen. Stefan Schilbe, Chefvolkswirt von HSBC Trinkaus & Burkhardt, sieht zudem in der hohen Verschuldung der amerikanischen Verbraucher ein Problem für den Konsum. Die Käufer bestreiten jedoch zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistung. Eine weitere Belastung für die USA dürften die Kriegskosten sein. Neben den militärischen Kosten von 100 Milliarden Dollar kommen auf die weltgrößte Volkswirtschaft noch Zahlungen für den Wiederaufbau des Iraks zu. Die Kosten dafür taxiert der Bochumer Wirtschaftsprofessor und Nahostexperte Volker Nienhaus auf 100 bis 200 Milliarden Dollar. Der Chef der US-Notenbank, Alan Greenspan, sagte am Mittwochabend, die Kriegsfolgen für die Wirtschaft seien noch nicht abzusehen.

Entscheidend für die Konjunktur dürfte auch der Ölpreis sein (siehe Kasten). In London und New York fielen die Notierungen am Donnerstag zwar leicht. Allerdings verdichten sich die Anzeichen dafür, dass das Kartell der Opec-Ölländer seine Förderung einschränken will. Nach eigenen Angaben produziert die Opec derzeit pro Tag zwei Millionen Barrel (159 Liter) Öl mehr, als der Markt nachfragt. Indonesiens Energieminister Purnomo Yusgiantoro forderte das Kartell auf, 1,5 Millionen Barrel weniger zu produzieren.

Unterdessen will die Regierung weiterhin die Drei-Prozent-Grenze für die Neuverschuldung aus dem Maastrichter Vertrag einhalten. Finanzminister Hans Eichel sagte im Bundestag, „wir wollen unsere Verpflichtungen einhalten“. Allerdings müssten auch die Unions-Länder einen Beitrag dazu leisten. Zugleich deutete er an, dass bei der Steuerschätzung im Mai Korrekturen nötig werden könnten. Bund und Länder müssten diskutieren, „welche Korrekturmöglichkeiten wir haben“. Derzeit beruht der Bundesetat auf der Annahme von 1,0 Prozent Wirtschaftswachstum. Es wird erwartet, dass das Frühjahrsgutachten der Institute in der kommenden Woche zu einem deutlich geringeren Wert kommt und dann auch die Regierung ihre Prognose senkt. Die EU-Kommission nimmt an, dass sich Deutschland in diesem Jahr mit 3,4 Prozent des BIP verschulden muss und damit zum zweiten Mal den Stabilitätspakt verletzt. Friedrich Merz (CDU) warf der Regierung vor, zu viel Geld für Sozialtransfers auszugeben und „Reformen zu verweigern“.

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