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Nach Tarifabschluss: So läuft’s rund bei der Bahn

Der Tarifstreit wäre fast zum Sprengsatz der Privatisierung geworden. Nach seinem Ende ist nun wieder der Börsengang das Ziel. Wie geht es bei der Bahn weiter?

Welche Folgen hat der Tarifabschluss für Hartmut Mehdorn und seinen geplanten Börsengang?

Margret Suckale wollte am Sonntag ganz sicher gehen. „Ich bin nicht aus dem Raum gegangen, ehe die Tinte trocken war“, hat die Personalchefin der Deutschen Bahn nach der Einigung mit den drei Gewerkschaften gesagt. Die 51-Jährige hat allen Grund zur Skepsis – bereits zweimal zuvor hatte es in dem fast zwölf Monate währenden Konflikt nach einem Durchbruch ausgesehen. Der scheiterte dann aber jedes Mal an Detailfragen.

Die sind nach dem Bekunden aller Beteiligten nun geklärt: Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) darf in Zukunft unabhängig von den anderen Gewerkschaften Transnet und GDBA über ihren Tarifvertrag verhandeln. Sie hat das Mandat für alle 20 000 Lokführer im Konzern, auch für die von Tochterfirmen wie der DB Zeitarbeit. Für die Gruppe der 3000 Lokrangierführer, um die bis zuletzt gestritten wurde, dürfen im Gegenzug die größeren Gewerkschaften sprechen. Diese Aufteilung soll bis 2014 gelten – bis dahin will die GDL stillhalten. „Wir sind froh, dass wir Zeit haben, jetzt wieder andere Ziele zu verfolgen“, sagte Suckale.

Das ist auch nötig. Hätte sich der Tarifstreit weiter hingezogen, wäre er zum Sprengsatz für die Privatisierung geworden – schließlich steigt kein Investor bei einer Firma ein, in der ein unkalkulierbarer Arbeitskampf tobt. Die nächste Tarifrunde kommt ohnehin früh genug, im Februar 2009. Der Börsengang, wenn er denn überhaupt umgesetzt wird, soll dann längst in trockenen Tüchern sein.

Für den Konzern ist die Einigung ein dicker Brocken: Die Tarifabschlüsse kosten in den nächsten fünf Jahren eine Milliarde Euro. Die Lokführer erhalten elf Prozent mehr Lohn bis 2009, die übrigen Beschäftigten bis zu 14 Prozent mehr bis 2010. Das muss erst einmal verdient werden, zumal die Kapitalmärkte auf gute Zahlen drängen werden. „Wir müssen uns überlegen, wie wir vernünftig gegensteuern“, sagte Suckale vage. Die Optionen sind indes klar. Zum einen muss die Bahn für mehr Einnahmen sorgen. So will der Konzern im Wettbewerb um die gewinnträchtigen Strecken im Nahverkehr nur noch mit Tochterfirmen antreten, bei denen das hohe Lohnniveau der Bahn nicht gilt. Zudem dürften weitere Jobs abgebaut werden. In der Vergangenheit sind im Schnitt bis zu 10 000 Stellen im Jahr weggefallen.

Was kommt auf die Kunden zu?

Höhere Fahrpreise – das ist eine weitere Option. Bereits zweimal in den vergangenen 15 Monaten waren die Tickets teurer geworden. Es sei aber nicht so, dass eine erneute Preisrunde unmittelbar bevorstehe, hatte Hartmut Mehdorn erst vor zwei Wochen gesagt. Vermutlich lässt er noch ein paar Monate ins Land ziehen, ehe Bahnfahren wieder teurer wird – auch, um sich nicht vorwerfen lassen zu müssen, mit teureren Tickets die Bilanz für die Börse aufzuhübschen.

Welche Folgen hat der Sieg der GDL für das deutsche Gewerkschaftssystem?

Renitenz lohnt sich. Das wissen nach dem Sieg der Lokführer nun auch andere hoch spezialisierte Berufsgruppen an Schlüsselstellen der Wirtschaft – Programmierer in den Rechenzentren der Banken, Ingenieure in Kraftwerken oder Feuerwehrleute an den Flughäfen. Zwar müssen sie sich erst einmal organisieren, bevor sie eine Tarifschlacht durchstehen können. „Ein paar punktuelle Aktionen genügen für einen folgenreichen Arbeitskampf, eine gut gefüllte Streikkasse braucht es nicht“, sagt Hagen Lesch, Tarifexperte beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Die großen Gewerkschaften müssen auf den Trend zur Zersplitterung reagieren. „Sie müssen aggressive Lohnforderungen erheben, um die Spezialisten bei der Stange zu halten“, sagt Lesch.


Was bedeutet es, dass Kurt Beck den Börsengang zur Chefsache gemacht hat?

Auf den SPD-Parteichef kommt es an. Soll die Privatisierung der Bahn noch klappen, muss Beck zwei sehr unterschiedliche Strömungen zusammenbringen. Hier die Skeptiker der Parteilinken, die den Einfluss privater Investoren auf die Bahn verhindern wollen und das ganze Projekt auf dem Hamburger Parteitag fast gekippt hätten. Dort die Pragmatiker um Finanzminister Peer Steinbrück, die aus der Bahn einen Weltkonzern schmieden wollen. Beck hat nun die Rahmenbedingungen klargemacht. Wichtig sei, dass es keine Zerschlagung der Bahn gebe und beim Nahverkehr nicht gekürzt werde. Der konzerninterne Arbeitsmarkt müsse erhalten werden, ebenso die Einheit von Betrieb und Netz unter dem Konzerndach.

Aus all dem soll eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Beck nun einen Vorschlag erarbeiten. Bislang ist geplant, die Transportsparten der Bahn in eine Holding auszugliedern, an der sich Private bis zu 49,9 Prozent beteiligen können. Die Verfechter dieses Holding-Modells schlagen vor, dass Bahn-Aktien nur an Investoren verkauft werden, die ein strategisches Interesse am Konzern haben, also keine reinen Finanzinvestoren sind. Zudem könnten Aktien ohne Stimmrecht ausgegeben werden oder solche, bei denen die Bahn dem Weiterverkauf zustimmen muss (vinkulierte Namensaktien). Der Bahn-Chef jedenfalls ist guten Mutes. „Ich habe großes Vertrauen in Kurt Beck, dass wir in angemessener Zeit eine gute Lösung finden“, sagte Hartmut Mehdorn dem Tagesspiegel.

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