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Nachfolge von Josef Ackermann: Die Zukunft der Deutschen Bank

Machtkampf in Deutschlands größtem Geldhaus. Es geht um die Nachfolge Josef Ackermanns. Und damit um den künftigen Wert der Marke. Am Sonntag könnte eine Vorentscheidung fallen.

Wenn in Rom ein Papst gewählt wird, ziehen sich die Kardinäle in die Sixtinische Kapelle zurück. Hat man sich auf einen Bewerber geeinigt, steigt weißer Rauch aus dem Schornstein auf. An diesem Sonntag tagt der Nominierungsausschuss der Deutschen Bank, um einen Vorstandsvorsitzenden als Nachfolger von Josef Ackermann zu nominieren. Im Vorfeld gab es bereits heftige Machtkämpfe, und von der Öffentlichkeit wurde jedes Zeichen registriert: Welcher Vorstand darf bei der Hauptversammlung neben Ackermann sitzen? Warum lernt der Inder Anshu Jain Deutsch? Was bedeutet das Machtspiel zwischen Aufsichtsratschef Clemens Börsig und Ackermann. Natürlich geht es in Frankfurt nur um eine Bank. Aber eben nicht um irgendeine. Deshalb sieht die Finanzwelt gebannt der Entscheidung entgegen – auch wenn sie nicht durch weißen Rauch angezeigt wird.

Wer könnte Josef Ackermann beerben?

Eigentlich läuft Ackermanns Vertrag noch bis 2013. Die Frage nach seinem Nachfolger drängt aber jetzt schon, weil es keinen klaren Favoriten gibt. Die Aktionäre möchten wissen, wie es weitergeht. Sollte jemand von außen kommen, bräuchte er Zeit, um sich einzuarbeiten. Die amtierenden Vorstände machen ihre Sache alle gut, aber keiner scheint der geborene Chef zu sein.

Die größten Umsätze kann der Investmentbanker Anshu Jain für sich verbuchen. Jain ist aber Inder, spricht kaum Deutsch und hat wenig Kontakte in Deutschland. Sehr gut vernetzt ist dagegen Deutschlandchef Jürgen Fitschen. Der ist aber schon 62. Privatkundenchef Rainer Neske (47) wiederum gilt als zu jung. Risikovorstand Hugo Bänziger hat einen guten Blick über das Gesamtgeschäft, ist aber angeblich kein Freund von Aufsichtsratschef Clemens Börsig.

Josef Ackermann hätte am liebsten Axel Weber auf seinem Posten gesehen, den ehemaligen Präsidenten der Deutschen Bundesbank. Angeblich aber hat Börsig es versäumt, Weber ein Angebot zu machen. Jetzt geht der zu UBS. Der Aufsichtsrat ist formell für die Berufung des Vorstands verantwortlich.

Börsig und Ackermann bekämpfen einander schon seit Jahren. 2009, bevor Ackermanns letzter Vertrag auslief, hatte der Aufsichtsratschef sich mangels Alternativen selbst als Vorstandschef vorgeschlagen. Daraufhin zog Ackermann es vor zu bleiben und brachte das Gremium auf seine Seite. In der vergangenen Woche gab es Gerüchte, der Aufsichtsrat könne Börsig seines Amtes entheben und Ackermann zum Chefaufseher machen. Dann könnte der die Bank repräsentieren, während Jain die Geschäfte führt. Gegen einen so schnellen Wechsel in den Aufsichtsrat gibt es aber ethische Bedenken. Wahrscheinlich ist darum, dass sich Börsig durchsetzt. Er präferiert eine Doppelspitze mit Jain und Fitschen. Die Entscheidung fällt wahrscheinlich schon heute.

Lesen Sie auf Seite zwei, warum die Frage der Nachfolge an der Spitze der Deutschen Bank so wichtig ist.

Warum ist die Frage der Nachfolge an der Spitze der Deutschen Bank so wichtig?

„Ein so großes Haus wie die Deutsche Bank kann man gar nicht führen“, sagt Martin Faust, Bankenprofessor an der Frankfurt School of Finance. Bei weltweit mehr als 100 000 Mitarbeitern könne man unmöglich alle Produkte und Geschäfte kennen. Die wichtigste Aufgabe eines Vorstandsvorsitzenden sei es daher, die großen strategischen Linien festzulegen, aber auch die unterschiedlichen Bereiche des Hauses miteinander zu verbinden, etwa die hippen Investmentbanker in London und New York mit dem eher bodenständigen Filialgeschäft in Deutschland.

Zugleich ist der Chef der Deutschen Bank aber auch ihr wichtigster Lobbyist. Kaum eine Branche ist so stark reguliert wie das Bankgewerbe, durch die Krise kommen gerade viele neue Regeln hinzu. Da macht es Sinn, wenn man einen guten Draht in die Politik hat – und nicht zuletzt ein Gespür für die Befindlichkeiten der Bürger, für die der Deutsche-Bank-Chef wie kein anderer die Personifizierung seiner Branche ist.

Welche Rolle spielt die Deutsche Bank zu Hause und in der Welt?

Die Deutsche Bank ist nicht nur die größte, sondern auch die mächtigste deutsche Bank. Sie hat eine Bilanzsumme von 1,8 Billionen Euro, das ist etwa so viel wie das gesamte deutsche Volkseinkommen. Die Aufsichtsbehörden haben das Unternehmen kürzlich als „systemrelevant“ eingestuft, weshalb die Bank jetzt einen extragroßen Kapitalpuffer für Notfälle anlegen muss. „Wenn die Deutsche Bank in Schwierigkeiten geriete, müsste der Staat sie stützen. Eine Pleite hätte dramatische Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft“, sagt Faust. Betroffen wären nicht nur deutsche Sparer und Unternehmen. Auch internationale Konzerne finanzieren sich über die Bank, genauso andere Banken und Staaten. Von derart großen und vernetzten Instituten gibt es höchstens 30 auf der Welt.

Im Grunde ist die Deutsche Bank gar keine deutsche Bank mehr, sondern ein internationaler Finanzkonzern mit Sitz in Deutschland. Das Unternehmen hat Büros in über 70 Ländern, rund zwei Drittel des Umsatzes stammen aus dem Ausland. In den großen Türmen in Frankfurt wird immer weniger Deutsch gesprochen. Die Vorstandsunterlagen sind alle in Englisch verfasst. Im erweiterten Vorstand, dem „Group Executive Committee“, sitzen mehrere internationale Manager. Für die deutsche Wirtschaft sei das von Vorteil, sagt Faust. Nicht nur weil die Bank ihnen dabei hilft, Geld auf dem internationalen Kapitalmarkt zu leihen. „Der Name Deutsche Bank hat in Asien und Amerika einen guten Klang. Das färbt auch auf andere ab.“ Sie ist der größte Devisenhändler weltweit, im Ranking der Investmentbanken steht sie stets unter den ersten fünf.

In ihrem Heimatland ist ihr Marktanteil vergleichsweise klein. Mit klassischen Spareinlagen und Krediten für den Mittelstand lässt sich weniger verdienen als im Investmentbanking, deshalb ist die Bedeutung des von Anshu Jain vertretenen Bereichs so groß. Dazu gehören neben der Konstruktion komplexer Finanzmarktprodukte die Beratung bei Fusionen und Übernahmen oder die Begleitung von Unternehmen an die Börse. Groß gemacht wurde der Bereich von Josef Ackermann. Als er 2002 den Vorstandsvorsitz übernahm, wurde befürchtet, er könne den Hauptsitz der Bank nach London verlegen und sich ganz auf das Investmentbanking konzentrieren. Schließlich hatte er zuvor den Beschluss mitgetragen, das Massengeschäft mit den wenig vermögenden Kunden in die Deutsche Bank 24 auszugliedern. Dann überlegte er es sich anders und holte sie zurück. Er stärkte das klassische Bankgeschäft, indem er Kunden hinzukaufte, durch die Übernahme der Postbank, Sal Oppenheim und der Berliner Bank .

Lesen Sie auf Seite drei, wie die Bank durch die Finanzkrise gekommen ist.

Wie ist die Bank durch die Finanzkrise gekommen und wie steht sie heute da?

Der Strategiewechsel war nicht nur eine Rückbesinnung auf den Standort Deutschland, sondern auch eine Reaktion auf die Finanzkrise. Die Bank ist heute breiter aufgestellt und damit weniger verletzlich, wenn die Märkte verrücktspielen. Im Krisenjahr 2008 hat sie fast vier Milliarden Euro verloren. Im Vergleich zu anderen war das wenig. Die hoch qualifizierten und hoch bezahlten Mitarbeiter haben die Gefahr offenbar schneller erkannt als andere und sich rechtzeitig von riskanten Positionen getrennt. Das hielt sie aber nicht davon ab, ihren Kunden weiterhin Schrottpapiere zu verkaufen.

Um die Bank sicherer zu machen, hat Ackermann den Eigenhandel, das Spekulieren mit eigenem Geld, heruntergefahren. Zudem hat er die Eigenkapitalquote erhöht, sie liegt jetzt bei 12,5 Prozent, mehr als die Bankenaufsicht verlangt. 2010 lag der Gewinn vor Steuern bei vier Milliarden Euro. Für das laufende Jahr hat sich Ackermann das Rekordziel von zehn Milliarden vorgenommen.

Wie ist das Verhältnis der Deutschen Bank zur Politik?

Umgekehrt hat auch die Politik ein starkes Interesse an guten Kontakten in die Bank. Geht es der Finanzbranche schlecht, leidet auch der Rest der Wirtschaft. Ein Deutsche-Bank-Chef hat nicht nur den Überblick über die Lage im Land, sondern auch internationale Kontakte. Die deutschen Kanzler haben fast alle einen intensiven Austausch mit dem jeweiligen Vorstand gepflegt.

Bei Josef Ackermann und Angela Merkel ging dieser Austausch so weit, dass die Regierungschefin dem Manager ein Geburtstagsessen im Kanzleramt ausrichtete. Inzwischen soll sich die Stimmung zwischen den beiden abgekühlt haben. Dass die professionellen Kontakte aber nach wie vor bestehen, zeigte sich in der vergangenen Woche, als Finanzminister Wolfgang Schäuble und Ackermann gemeinsam ein Konzept für die Beteiligung der privaten Banken an der Griechenlandrettung präsentierten. Gerade jetzt, in der Schuldenkrise, sind die Interessen von Politik und Banken untrennbar verwoben.

GEGRÜNDET

Die Deutsche Bank wurde 1870 in Berlin gegründet, auf Initiative der deutschen Wirtschaft. Der erste Chef war Georg von Siemens, ein Mitglied der Industriellenfamilie.

MITARBEITER

Heute beschäftigt die Deutsche Bank knapp über 100 000 Mitarbeiter in 74 Ländern. Am Standort Berlin arbeiten 3700 Menschen.

UMSATZ/GEWINN

Mit einer Bilanzsumme von 1,8 Billionen Euro ist die Deutsche Bank das größte Institut des Landes. 2010 erzielte sie einen Gewinn nach Steuern von 1,1 Milliarden Euro.

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