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Ein Flugzeug ist auf dem Weg nach Peking.

© Patrick Pleul/dpa

Nachhaltiger Tourismus: Wie kann ich fair reisen?

Urlaub ohne schlechtes Gewissen – nachhaltiges Reisen ist kompliziert, doch gemeinnützige Organisationen helfen dabei.

Eine kleine Reise ist genug, um uns und die Welt zu erneuern, schrieb der französische Schriftsteller Marcel Proust einst. So sehr diese Sentenz auf den Einzelnen zustimmen mag, so sind die Folgen des Tourismus für die einheimische Bevölkerung, die Natur und Kultur doch oft gravierend. In vielen beliebten Reiseländern, die seit Dienstagabend auch wieder im Zentrum der Internationalen Tourismusmesse ITB stehen, ist die Menschenrechtslage derzeit kritisch.

Prominentestes Beispiel: die Türkei. Beinahe wöchentlich provoziert die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan neue Negativschlagzeilen. Es gibt Berichte über Folter, willkürliche Verhaftungen und Diskriminierung ganzer Bevölkerungsgruppen. Mit der Rechtsstaatlichkeit sind die Buchungszahlen von Türkei-Urlaubern eingebrochen. Zuletzt entspannte sich die Lage kaum – trotzdem wird es dieses Jahr wieder deutlich mehr Touristen an den Bosporus ziehen. Deutsche Reiseveranstalter freuen sich über 70 Prozent mehr Buchungen im Vergleich zum Vorjahr. Die Prognose des Präsidenten des Deutschen Reiseverbands Norbert Fiebig ist eindeutig: „Für 2018 sehen wir das Comeback der Türkei.“

Darf man noch in Myanmar urlauben?

Ähnliche Fragen stellen sich in Myanmar. In den vergangenen Jahren stiegen die Besucherzahlen drastisch. Dann setzte die Gewalt gegen die Rohingya ein und Fernreisende sind mit einem moralischen Dilemma konfrontiert: Darf ich Pagoden besichtigen und Sonnenbaden während im gleichen Land ethnische Säuberungen durchgeführt werden? Ob Malediven, Vietnam oder Marokko, die Liste attraktiver Reiseländer mit eklatanten Menschenrechtsverletzungen ist lang.

„Meine Faustregel war immer: Wo die Bundeskanzlerin hinreist, da sollte auch ein Tourist ohne schlechtes Gewissen Urlaub machen dürfen“, sagt Karl Born. Er ist emeritierter Professor für Tourismusmanagement und wissenschaftlicher Beirat des Deutschen Tourismusverbandes. Als Urlauber müsse man sich zwar stets bewusstmachen, dass man mit seinem Geld zwangsläufig auch die Machthabenden des Ziellandes finanziell unterstütze. Der einzelne Reisende könne aber die wirtschaftlichen oder politischen Verfehlungen nicht kompensieren. Vielmehr seien Reisende für die Menschen vor Ort oftmals die einzige Möglichkeit um mit demokratischen Idealen in Berührung zu kommen, sagt Born.

Deutsche reisen immer mehr

Aus seiner Zeit als Manager in Tourismusunternehmen kennt er die Abhängigkeit ganzer Regionen vom Urlaubern. „In Ägypten gab es Orte, wo die Bevölkerung beinahe zu hundert Prozent auf den Tourismus angewiesen war.“ Würden dann die Gäste wegbleiben, schade dies der politischen und wirtschaftlichen Stabilität. „Da sind aber vor allem die Reiseunternehmer in der Pflicht. Sie dürfen die Menschen vor Ort nicht im Stich zu lassen.“ Eine Studie des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft beziffert den Beitrag des deutschen Tourismus zum Bruttoinlandsprodukt in Entwicklungs- und Schwellenländern im Jahr 2016 auf 19 Milliarden Euro.

Denn immer mehr Deutsche reisen. Die kürzlich veröffentliche Tourismusanalyse der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen weist für das vergangene Jahr die höchste Reisefrequenz seit zehn Jahren aus. 58 von 100 Deutsche fuhren für mindestens fünf Tage am Stück weg, noch nie wurde dabei so viel Geld für das Reisen ausgegeben, durchschnittlich 1200 Euro pro Person. 64,7 Milliarden Euro gaben die Bundesbürger 2017 insgesamt für ihre Urlaubs- und Privatreisen aus. Die Prognosen für 2018 fallen sogar noch positiver aus. Mehr Reisen, das heißt aber auch mehr Verkehr.

Weniger Kurzurlaube, länger vor Ort

Rund fünf Prozent aller klimaschädlichen Emissionen weltweit entstehen durch den Tourismus. Ein Großteil davon durch Flugzeuge. Doch die Zusammensetzung einer Reise sei so komplex, dass der durchschnittliche Tourist das Thema Nachhaltigkeit kaum überblicken könne, sagt Harald Zeiss. Der Experte gründete 2011 das „Institut für nachhaltigen Tourismus“ in Wernigerode. Sein Ratschlag: „Je näher das Ziel ist, desto kleiner der ökologische Fußabdruck.“ Auch empfiehlt er, länger an einem Ort zu bleiben und lieber eine ausgedehnte Reise im Jahr anzutreten, als mehrere Kurzurlaube im Ausland. Dafür biete auch Deutschland attraktive Ziele.

Wer dennoch nicht auf die Ferne verzichten möchte kann sich an die Bonner Organisation „Atmosfair“ wenden. Dort kann der Kunde im Anschluss an seine Reisebuchung den Betrag spenden, der nötig ist, um die berechneten Emissionen an anderer Stelle in Klimaschutzprojekten einzusparen. Gefördert werden beispielsweise Biogasanlagen in Kenia oder Solarenergie in Flüchtlingslagern im Irak. In den letzten 10 Jahren vervierfachte sich das Spendenaufkommen auf zuletzt 7,9 Millionen Euro in 2017. Dennoch werden in Deutschland weniger als ein Prozent aller Flüge kompensiert.

Ein Güte-Siegel für Nachhaltigkeit im Tourismus verleiht die Organisation „TourCert“. Kriterien sind dabei neben dem Umweltschutz, auch Menschenrechte und der Schutz von Kulturgütern. 177 deutsche Tourismusunternehmen sind bereits zertifiziert.

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