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Unternehmen denken um und stellen fest: Ein Nachhaltiges Wirtschaftskonzept rentiert sich.

© dapd

Nachhaltigkeit: "Green Economy" auf dem Vormarsch

Klimaschutz und nachhaltiges Wirtschaften: Das klingt für viele nach Verzicht. Dabei lässt sich damit sehr viel verdienen, wenn man es richtig anstellt. Nur gibt es nicht die eine einzig wahre Strategie.

José Maria Figueres, der ehemalige Präsident von Costa Rica, steht am Mittwochabend in einem kleinen Restaurant in der Münzstraße in Berlin-Mitte und hebt sein Glas: „Auf Deutschland! Dieses Land ist für viele ein Vorbild auf dem Weg zur CO2-freien Wirtschaft“, ruft er den 30 Gästen zu. 22 000 Windräder, 25 Gigawatt Solarstrom am Netz, Weltmarktführer bei Technologien zur sauberen Energieerzeugung: „Packen wir’s an!“ Das war sein Startschuss zur Jagd aufs grüne Gold.

Figueres ist heute Geschäftsführer einer „Non-Profit-Organisation, der es nur um Profit geht“, wie er sagt. Sie heißt Carbon War Room (CWR), was man mit „CO2-Krisenstab“ übersetzen könnte. Gegründet wurde sie Ende 2010 im Freundeskreis des britischen Milliardärs und Abenteurers Sir Richard Branson, der dem Klimagas unlängst im Tagesspiegel-Interview den Krieg erklärt hatte: „Sie werden den Ausstoß nur senken, mit der Aussicht, damit einmal Geld zu verdienen. So ist die Welt nun mal“, sagte er.

Klimarettung als Geschäftsmodell? Der Milliardär glaubt daran. So veranstaltete seine Organisation in dieser Woche einen zweitägigen Workshop in der alten Siemens-Villa in Berlin-Lichterfelde, auf dem Vertreter großer Konzerne und kleiner Firmen sich ihre Ideen dazu vorstellten.

Mit dabei war etwa Peter Bosch, der bei der Volkswagen-Kernmarke VW verantwortlich ist, dass die mehr insgesamt 24 Werke weltweit den Vorstandsbeschluss umsetzen, bis 2018 rund 25 Prozent Ressourcen und Energie, also Geld einzusparen. „Das Wort ökologisch steht nicht in meiner Stellenbeschreibung“, sagt Bosch. Wenngleich es natürlich auch eine Rolle spielt. Sein Job: Den Werksleitern erklären, wie sie Wasser, Strom und Papier sparen können und ihnen zu zeigen, wie sie sich gegenseitig Lösungen abgucken können, um die Vorgabe zu erreichen. Peter Bosch erklärt, warum VW jetzt 600 Millionen, so viel Geld wie für die Entwicklung eines neuen Modells, in erneuerbare Energien investiert: Nicht für den Nachhaltigkeitsbericht allein nämlich: „Wir glauben, dass Erneuerbare eine knappe Ressource werden, die künftig eher teurer wird“, sagt Bosch.

Auch Alexander Voigt war dabei, Gründer der Solarfirmen Solon und Q-Cells, der heute die kleine Firma Younicos in Berlin-Adlershof leitet. Die hat ein Energiemodell entwickelt, mit der Inseln von Öl- und Diesel-Importen loskommen können. Und die Chefs der Berliner Anlageberater von Avesco, die unter anderem ein aufwendiges Verfahren entwickelt haben, um gute von nur scheinbar guten grünen Geldanlagen zu unterscheiden. Auch die Deutsche Bank schickte Geld und Personal zum Workshop, wohl weil sie ahnt, dass Branson recht hat.

Die Unternehmen handeln nicht selbstlos. Es geht um Profit.

Man mag Unternehmen und ihren Eigentümern unterstellen, dass sie nicht ein edles Ziel – etwa eine saubere Welt oder die Bewahrung der Schöpfung für künftige Generationen – im Blick haben. Den Weg dorthin gehen sie dennoch. Denn er verspricht Profit. Das bestätigte die Unternehmensberatung Roland Berger erst Anfang der Woche in einer neuen Studie: Demnach sei der globale Markt für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz seit 2007 im Schnitt um 11,8 Prozent im Jahr gewachsen. Er umfasst heute zwei Billionen Euro. Steigende Energiepreise und Rohstoffknappheit könnten dazu führen, dass sich das Volumen bis 2025 auf 4,4 Billionen Euro mehr als verdoppelt. Deutsche Hersteller könnten ihren Anteil von 15 Prozent trotz wachsender Konkurrenz behaupten. Sie erlösen heute mit „Grünen Technologien“ bereits 300 Milliarden Euro im Jahr, 674 Milliarden könnten es bis 2025 werden.

Doch werden Betriebe, die diese Clean-Tech-Geräte kaufen, um ihr Geld betrogen? „Nein, aber...“, heißt es in einer aktuellen Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW): Der Einsatz dieser Technologien könne zu einem Produktivitätszuwachs führen. „Voraussetzung ist allerdings, dass sie nicht nur solche grünen Technologien einführen, sondern auch ihre Produktionsprozesse und organisatorischen Abläufe an die Erfordernisse der neuen Technologien anpassen.“ Es könnten flexiblere Abläufe nötig werden, neue Team-Zusammenstellungen. Sei man dafür nicht offen, drohe ein Produktivitätsverlust von durchschnittlich rund 1,5 Prozent. Setze man Clean-Tech richtig ein, zeige sich im Schnitt ein Zuwachs von 0,7 Prozent.

Während die Strategen beim Carbon War Room am Freitag in Berlin-Lichterfelde also berieten, wie sie selbst den grünen Schatz heben können, rief der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nach dem Staat. Er hielt zeitgleich zwölf Kilometer nordöstlich, Unter den Linden, eine Konferenz zum Thema „Energiewende“ ab und forderte dort ein „schlüssiges politisches Gesamtkonzept zur flächendeckenden energetischen Sanierung der Gebäude in Deutschland“. Dort werde ja 40 Prozent der Energie verschwendet, deutsche Unternehmen stünden aber „längst bereit“, um die nötigen Spartechnologien zu liefern, hieß es. Die Minister für Umwelt und für Wirtschaft, Peter Altmaier (CDU) und Philipp Rösler (FDP), sagten auf der Konferenz ihre Hilfe zu, verwiesen aber auf den Bundesrat, der ein entsprechendes Fördergesetz seit einem Jahr blockiere. Wer mit Nachhaltigkeit Geld verdienen will, sollte also besser nicht auf die Politik warten.

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