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Wirtschaft: Nahrungs-Trends der Zukunft: Die Kartoffelchips-Diät

Für Nahrungsmittelhersteller, die in den USA Erfolg haben wollen, gibt es ein Schlüsselwort: fettfrei. Solange dieses Qualitätsmerkmal auf amerikanischen Lebensmitteln prangt, ist ihnen das Interesse der US-Verbraucher sicher.

Für Nahrungsmittelhersteller, die in den USA Erfolg haben wollen, gibt es ein Schlüsselwort: fettfrei. Solange dieses Qualitätsmerkmal auf amerikanischen Lebensmitteln prangt, ist ihnen das Interesse der US-Verbraucher sicher. Jahrelang wurde den Amerikanern vorgebetet, dass Fett in der Nahrung nicht nur dick, sondern auch krank macht. Wissenschaftlich bewiesen ist diese Behauptung zwar keinesfalls, den Speiseplan des amerikanischen Durchschnittsbürgers hat sie dennoch grundlegend verändert.

Beim Gang vorbei an amerikanischen Supermarktregalen muss man sich schon bemühen, Produkte zu finden, die nicht mindestens mit dem Zusatz "wenig Fett" ausgezeichnet sind. Selbst auf traditionellen Kaloriensünden wie Käse, Sahne, Wurst oder Kartoffelchips blinken dem Käufer "30 Prozent weniger Fett"-Aufkleber wie Gütesiegel entgegen. Das Angebot reicht von Schinken, der "zu 97 Prozent fettfrei" ist, oder schön "dick geschnittenen Scheiben Speck" mit "40 Prozent weniger Fett" als der Durchschnitt der Konkurrenzprodukte. Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, kauft gleich das Fleischimitat von "Gimme Lean", das verspricht, "fleischlos, fettfrei und cholesterolfrei" zu sein.

Oder er ordert online bei Fat Free Foods, dem nach eigenen Angaben ersten und einzigen fettfreien Supermarkt der Welt mit Sitz in New York, der nicht nur über 10 000 fettfreie Produkte anbietet, sondern auch eine salz- und eine zuckerfreie Abteilung besitzt. Aber auch im normalen Supermarkt kommt der ernährungsbewusste Kunde auf seine Kosten. So findet er im Chipsregal neben dem ordinären fettreduzierten Knusperzeug bereits die vegetarische Veredelung der Kartoffel: "Veggie Chips" enthalten keine tierischen Fette, dafür aber die Geschmacksrichtungen Karotte, Tomate, Brokkoli oder Spinat.

In einem Land, wo es die Butter zum Sprühen gibt, den Ketchup wahlweise in rot, grün oder violett und Streichkäse mit der Geschmacksrichtung Erdbeere, erwarten die Käufer von den Herstellern eben innovative Neuerungen. In den neunziger Jahren machten fettfreie oder fettreduzierte Produkte ein Viertel bis ein Drittel aller neu eingeführten Produkte aus. Doch der Trend ist rückläufig: Im Geschäftsjahr 1999 und 2000 lag ihr Anteil am Gesamtumsatz des Lebensmittelhandels nur noch bei elf Prozent. Grund dafür mag die Erkenntnis sein, dass - so findig und fettfrei die Lebensmittel auch komponiert sein mögen - sie den Pfunden an vielen amerikanischen Hüften und Bäuchen bislang nicht zu Leibe rücken konnten.

Auslöser für den Eroberungsfeldzug der fettfreien Produkte war in den fünfziger Jahren die Überzeugung, es fördere die Gesundheit, nicht mehr als 30 Prozent der Kalorien als Fett zu sich zu nehmen. Bis Mitte der siebziger Jahre bläuten die amerikanischen Gesundheitswächter dieses Mantra zunächst Herzkranken ein, danach auch der gesamten Bevölkerung.

Noch heute raten die aktuellen "Dietary Guidelines for Americans", die Diät-Richtlinien des Landwirtschaftsministeriums: "Wählen Sie fettfreie oder fettreduzierte Molkereiprodukte." Derartige Empfehlungen haben zwar den Lebensmittelmarkt in den USA auf den Kopf gestellt. Wissenschaftliche Untersuchungen, ob eine fettreduzierte Ernährung tatsächlich das Krankheitsrisiko gesunder Menschen verringert, gibt es allerdings nicht.

Dennoch hat die Fettkampagne ihre Wirkung gezeigt: Die Aufnahme von Fett in der Nahrung ist von 1960 bis heute zwar von 40 auf 33 Prozent der Kalorien gesunken. Die Zahl der Übergewichtigen hat im selben Zeitraum jedoch erheblich zugenommen. Derzeit sind in den USA knapp 60 Prozent der Erwachsenen und 13 Prozent der Kinder übergewichtig. Nach einem Bericht des obersten amerikanischen Amtsarztes David Satcher sterben jährlich 300 000 Amerikaner an Krankheiten, die im Zusammenhang mit Übergewicht stehen. Das sind mehr Tote als durch Verkehrsunfälle.

Der Grund: Der Mensch wird nicht nur durch die Aufnahme von Kalorien dick, sondern erst, wenn er diese Kalorien nicht verbrennt, sich also zu wenig bewegt. Die Infrastruktur in den USA ist darauf aufgebaut, auch kürzeste Strecken mit dem Auto zurückzulegen - sogar für das Geldabheben am Bankautomaten gibt es Drive-Ins.

Selbst die American Heart Association räumt mittlerweile ein, dass die 30-Prozent-Fett-Marke ein ziemlicher Misserfolg war und rät den Amerikanern nun schlicht, einfach nur soviel zu essen, dass sie nicht zu dick werden und sich vor allem ausreichend zu bewegen. Ob das der Anfang vom Ende der fettfreien Nahrung in Amerika ist, wird sich zeigen.

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