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Wirtschaft: Nahrungs-Trends der Zukunft: Schokolade gegen Herzinfarkt

Was werden wir wohl am 13. Januar 2010 zum Frühstück essen?

Was werden wir wohl am 13. Januar 2010 zum Frühstück essen? Statt Brötchen, Müsli, Joghurt und Kaffee eine kleine rosa Pille, die sämtliche Vitamine, Ballaststoffe und Kohlenhydrate enthält - und bei Bedarf auch ein paar Gramm Koffein?

Eigentlich müssen wir gar nicht so weit in die Zukunft schauen. Schon heute ist das Müsli mit Vitaminen und Kalzium angereichert, das Brötchen voller Ballaststoffe und bestrichen mit einem pro-biotischen Frischkäse. Statt Obst aus der Schale gibt es vitamingesättigten ACE-Saft aus der Flasche. Und das Frühstücksei ist angereichert mit der Fettsäure Omega 3. Diese Fettsäure, die vor allem in Seefisch vorkommt, soll gegen rheumatische Erkrankungen und bei Fettstoffwechselstörungen helfen - ob das stimmt, weiß allerdings noch keiner so genau.

Functional Food heißt der Zauber. Dazu zählen Experten alle Lebensmittel, denen ein gesundheitlicher Zusatznutzen zugeschrieben wird. Durch Anreicherung mit bestimmten Stoffen sollen sie Krankheiten vorbeugen oder sie sogar heilen. Schon jetzt werden mit Functional Food weltweit Milliarden umgesetzt - Tendenz steigend.

In Japan, dem Ursprungsland des Functional Food, gibt es schon jetzt Fertigsuppen gegen Durchblutungsstörungen, Schokolade gegen Herzinfarkt, Bier gegen Zellschäden und Kaugummis, die vor Krebs schützen. In China bieten einige Restaurants sogar Menüs an, die gegen individuelle Krankheiten helfen sollen. Auch die Amerikaner sind längst auf den Geschmack gekommen: In den Supermärkten lockt der Saft "Femme Vitale". Er ist mit Eisen und Kalzium angereichert und soll speziell bei Frauen Osteoporose vorbeugen. Ihrer geliebten Ginko-Cola schreiben die Amerikaner ebenfalls eine heilende Wirkung zu - sie soll ihr Gedächtnis fit halten. Auch im europäischen Ausland gibt es schon erste Produkte, zum Beispiel Erfrischungsgetränke, die mit Sauerstoff und dem Coenzym Q 10 angereichert sind.

In Deutschland sind bisher vor allem probiotische Milchprodukte verbreitet. Sie sollen die Darmflora verbessern und die Verdauung fördern. Vorreiter war der Joghurt LC 1 von Nestlé. Heute gibt es diverse Nachahmer, sogar Aldi hat die Hightech-Joghurts schon im Regal. "Probiotische Milchprodukte waren in den vergangenen Jahren der Renner auf dem Lebensmittelmarkt", sagt Gerhard Rechkemmer von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung, "sie haben den konventionellen Produkten viele Kunden weggenommen." Und das, obwohl die Hightech-Lebensmittel deutlich teurer sind.

Die Industrie verteidigt sich: "Die Leute bekommen schließlich mehr als ihre alltäglichen Nahrungsmittel", sagt Unilever-Sprecher Rüdiger Ziegler. "Und dafür sind sie bereit, wesentlich mehr Geld auszugeben." Das bestätigt auch eine Studie: Danach können sich 61,1 Prozent der Deutschen vorstellen, für Functional Food etwas mehr zu investieren. Unabhängige Beobachter wie Anneliese Frank vom Institut für Ernährungswissenschaften an der Universität Gießen sehen das allerdings kritisch: "Das ist doch Geldmacherei", schimpft Frank. "Die Lebensmittelindustrie lässt sich vom Verbraucher teuer dafür bezahlen, dass eventuell etwas Gesundheitsförderndes im Produkt drin ist."

Dass die funktionellen Lebensmittel tatsächlich gesünder sind als normale, ist umstritten. Da rechtlich unklar ist, welche Lebensmittel als Functional Food bezeichnet werden dürfen und welche nicht, springen zudem viele Anbieter einfach auf den Trend auf, ohne eine gesundheitsfördernde Leistung nachweisen zu können.

Aber es gibt auch Lebensmittel, bei denen die gesundheitsfördernde Wirkung wissenschaftlich nachgewiesen ist. So zum Beispiel bei der Margarine "becel pro aktiv" aus dem Hause Unilever, die seit einem guten Jahr auf dem Markt ist. "Je nach Alter des Konsumenten kann es den Cholesterin-Wert um bis zu 20 Prozent reduzieren. Bei manchen sogar um bis zu 30 Prozent", verspricht Unilever-Sprecher Ziegler. Ernährungsexperte Rechkemmer schließt sich an: "Diese Wirkung ist eindeutig bewiesen", sagt er. Das bestätigen auch unabhängige Studien.

Die becel-Margarine findet reißenden Absatz. "Unsere Erwartungen wurden deutlich übertroffen", heißt es beim Hersteller. Auch hier scheint der Preis bei dem ansonsten kostenbewussten Verbraucher keine Rolle zu spielen: Die Margarine mit der cholesterinsenkenden Wirkung kostet mehr als das Dreifache eines normalen Brotaufstrichs.

"Functional-Food-Produkte sind ein großer Zukunftsmarkt", sagt Unilever-Sprecher Ziegler. Grundnahrungsmittel würden sie zwar nicht ersetzen, aber die gewohnte Lebensmittelwelt ergänzen. Einer aktuellen Studie zufolge wird Functional Food im Jahr 2010 sogar 20 Prozent des europäischen Lebensmittelmarktes ausmachen.

Verbraucherschützer dagegen halten von funktionellen Nahrungsmitteln überhaupt nichts. "Diese angereicherten Produkte braucht man nicht", sagt Doris Gräfe von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, "die Leute sollten sich lieber gesund, abwechslungsreich und fettarm ernähren." Gräfe hat eine andere Erklärung dafür, warum sich Functional Food in den Industrieländern so gut verkauft: Heutzutage, sagt sie, hätten viele Menschen wenig Zeit und keine Lust mehr aufs Kochen und ernährten sich immer öfter von Fertignahrung. "Und dann versuchen sie, mit Functional Food die Fehlernährung auszugleichen", sagt die Verbraucherschützerin. Gräfe hat eine bessere Idee, die zudem auch billiger ist: Viel sinnvoller wäre es, sagt sie, einfach mehr Obst und Gemüse zu essen.

Hightech-Nahrung aus dem Kühlschrank: Obwohl die Produkte umstritten und teuer sind, greifen immer mehr Verbraucher zu.

Hannah Wilhelm

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