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Ein aufgeschlagenes Sparbuch der Sparkasse (Illustration).

© Oliver Berg/dpa

Negativzinsen ab dem erstem Cent: Wer hat, der muss geben

Bei Strafzinsen werden Bankkunden zur Kasse gebeten – bislang aber nur solche mit großem Vermögen. Eine Bank in Bayern belastet jetzt auch kleine Beträge.

Die Volksbank Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck belastet Tagesgeld-Neukunden, die ihr Konto seit dem 1. Oktober eröffnet haben, bereits ab dem ersten Cent mit einem „Verwahrentgelt“ von 0,5 Prozent. Das geht aus der online verfügbaren Preisübersicht der Bank hervor. Auch die Online-Bank Flatex gibt seit 2017 die Strafzinsen ab dem ersten Cent weiter. Einen Freibetrag gibt es nicht damit nicht mehr, wie die „Bild-Zeitung“ meldet. Bisher belasteten die meisten Banken und Sparksssen ihre Privatkunden erst ab einem Sparbetrag von 100.000 Euro mit Strafzinsen.

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Bundesfinanzminister Olaf Scholz rät Geldinstituten davon ab, von kleinen Sparern Strafzinsen zu fordern. „Ich glaube, dass die Banken schlecht beraten sind, wenn sie der breiten Masse ihrer Kundinnen und Kunden Negativzinsen in Rechnung stellen“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in Schwerin. Dies sei ohnehin überwiegend nicht der Fall. Und in den meisten Fällen sei es rechtlich auch nicht möglich: „Was die vorhandenen Girokonten und Sparverträge betrifft, sind die Verträge - die wir ja auch überwachen - so, dass das keineswegs möglich wäre, das zu machen.“

Er stelle zwar fest, dass die Großbanken über Strafzinsen diskutierten. Dabei gehe es aber überwiegend um wohlhabende Kunden mit „oft sogar mehreren Millionen“ auf den Konten: „Das ist kein Massenphänomen. Die meisten von uns haben doch erheblich viel weniger.“ Dass es dennoch geht, zeigt jetzt die Volksbank Raiffeisenbank in Fürstenfeldbruck.

Was Bankkunden zu niedrigen oder negativen Zinsen wissen sollten:

  • Um welche Kosten und Konten geht es?Betroffen sind neben Tagesgeld- auch Girokonten. Umgangssprachlich werden die Zusatzkosten meist Negativzinsen genannt. Bei Instituten ist dagegen der Begriff Verwahrentgelt verbreitet. Die Höhe richtet sich anteilig nach der Einlage. Teilweise werden aber auch pauschale Gebühren für das normalerweise kostenlose Tagesgeldkonto als Verwahrentgelt bezeichnet. Bislang sind nach Angaben des Vergleichsportals Verivox vor allem Firmen und Privatkunden mit Vermögen ab 100.000 Euro betroffen. Vereinzelt wird dieser Freibetrag der Stichprobe zufolge aber bereits unterschritten. So erhebt die Volksbank Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck ab dem ersten Euro ein Verwahrentgelt von 0,5 Prozent. Betroffen sind nur Tagesgeldkonten, die seit dem 1. Oktober 2019 neu eröffnet wurden. Andere Kunden seien davon bislang ausgenommen, erklärte Vorstand Robert Fedinger auf Anfrage.
  • Wie erkennen Verbraucher, ob sie betroffen sind?Banken und Sparkassen dürfen Negativzinsen oder Verwahrentgelte nicht über den Kopf der Kunden hinweg einführen. „Will eine Bank von ihren Bestandskunden einen Negativzins erheben, muss sie dies mit den betroffenen Kunden individuell vereinbaren“, erklärt Oliver Maier von Verivox. Denn für Negativzinsen gelten höhere Anforderungen als andere Zinsänderungen: Einem Urteil des Landgerichts Tübingen zufolge kann die Bank nicht einfach den Preisaushang ändern und so Negativzinsen einführen (Az.: 4 O 187/17). Darauf verweist auch Sascha Straub, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bayern. Ihm zufolge dürfen Banken ein Verwahrentgelt zudem nicht einseitig durch Aufnahme in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einführen.
  • Was gilt bei neuen Konten? Wird ein Konto neu eröffnet, kann die Bank grundsätzlich ein Verwahrentgelt festlegen. Aber: „Privatkunden müssen noch nicht damit rechnen, dass ein Verwahrentgelt für Einlagen unter 100.000 Euro eingeführt wird. Es müsste individuell vereinbart werden und im Vertrag explizit als Extrakosten erkennbar sein“, so Straub. Sonst sei die Regelung überraschend und unwirksam. Verbraucherschützer halten es zudem für unwirksam, zusätzlich zur Kontoführungsgebühr ein Verwahrentgelt zu erheben. So werde eine Leistung unerlaubterweise doppelt bepreist, wie aus einem Urteil des Landgerichts Tübingen hervorgeht (Az.: 4 O 225/17).
  • Warum gibt es Negativzinsen?Die Einführung begründen Institute mit den Strafzinsen, die für sie fällig werden, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband etwa nennt als Herausforderung, die Interessen aller Kunden mit dem „Stabilitätserfordernis der einzelnen Institute“ auszugleichen. Vor allem für sehr hohe Einlagesummen werde ein Verwahrentgelt erhoben, um es für die Mehrheit der Sparer nicht einführen zu müssen, so der Verband. Auch der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken BVR verweist darauf, dass die Kosten für die Übernachtliquidität bisher nicht in der Breite an Kunden weitergegeben haben. Dies könne sich künftig ändern.
  • Wie können Anleger handeln? Der BVR empfiehlt Kunden, sich zu Anlagemöglichkeiten beraten zu lassen. Die Zinsen auf Giro- und Tagesgeldkonto sind auch bei anderen Banken nicht üppig. Im Schnitt gibt es auf das Tagesgeldkonto noch 0,05 Prozent, vereinzelt sind aber nach Verivox-Angaben auch 0,65 Prozent Zinsen drin. Alternativen zu Banken mit Verwahrentgelt gibt es nach wie vor. „Wir raten, solche Banken abzustrafen, indem man wechselt“, rät Verbraucherschützer Straub.

Zuletzt erklärte auch die Commerzbank, an der der Staat beteiligt ist, dass sie „zahlreiche Privatkunden angesprochen“ habe. Finanzchef Stephan Engels kündigte an, man beginne, Maßnahmen umzusetzen: „Wir fangen jetzt mit Kunden mit hohen Einlagen an.“

Laut Bundesbank erheben bereits 23 Prozent der befragten Banken Negativzinsen für Giro- oder Tagesgeldkonten. Sie meldeten für den September einen „negativen volumengewichteten Durchschnittszinssatz“ auf Sichteinlagen.

Die Debatte über Strafzinsen für Sparer hatte angesichts der Lockerung der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank Fahrt aufgenommen, nachdem die Währungshüter den Einlage-Zinssatz auf minus 0,5 Prozent setzten. Diesen Strafzins müssen Finanzinstitute zahlen, wenn sie bei der Zentralbank Geld parken. (Reuters, dpa)

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