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Das Vertrauen der Sparer ist angeschlagen, seit die erste Bank einen Minuszins eingeführt hat.

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Negativzinsen fürs Ersparte: Der Angriff auf die deutsche Sparkultur

Die erste Bank verlangt von ihren Kunden einen Strafzins. Für die Sparer-Republik Deutschland ist das eine Provokation.

Von Carla Neuhaus

Der Prototyp des deutschen Sparers ist ein Mann. Mitte 30. Single. Er hat einen gut bezahlten Job und kommt aus Bremen, Bayern oder Rheinland-Pfalz. Dort nämlich leben die besonders sparsamen Deutschen. 15 Prozent der Einwohner dieser drei Bundesländern haben 50 000 Euro oder mehr zurückgelegt, zeigt eine Studie der deutschen Niederlassung der Bank of Scotland. Aber auch in den übrigen Bundesländern ist Sparen Volkssport. Die Deutschen horten ihr Vermögen. Vom Zocken oder Verprassen halten sie wenig. Zumindest noch.

Es ist eine kleine Internetbank aus Thüringen, die die deutschen Sparer derzeit ins Grübeln bringt. Die Skatbank – so benannt, weil in ihrer Heimatstadt das Skatspiel erfunden wurde – verlangt von einem Teil ihrer Kunden jetzt einen Negativzins: Wer bei dem Tochterinstitut der Volks- und Raiffeisenbank Altenburger Land mehr als 500 000 Euro anlegen will, zahlt eine Strafgebühr von 0,25 Prozent. „Eine Frechheit“, schallt es durch die Sparer-Republik Deutschland.

Die Skatbank provoziert mit ihrer Aktion die Sparer

Dabei kannte das Institut bislang außerhalb Thüringens kaum jemand. Aufgefallen ist die Skatbank höchstens dadurch, dass sie ihren Kunden einen extrem günstigen Dispokredit bietet – und die Stiftung Warentest sie deshalb in ihren Untersuchungen regelmäßig lobend erwähnt hat. Und jetzt prescht ausgerechnet dieses kleine Haus vor und nimmt große Summen der Kunden nur noch an, wenn sie draufzahlen. Das ist eine Provokation. Ein Tabubruch.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) berichtet, bei ihr stünden die Telefone nicht mehr still. „Wir bekommen zurzeit täglich etliche Anfragen besorgter Privatanleger“, sagt Jella Benner-Heinacher von der Interessenvertretung. „Viele haben Angst, dass demnächst auch ihre Hausbank zu diesem Mittel greifen könnte.“

Bankenverbände versuchen zu beschwichtigen

Da hilft es wenig, wenn die Bankenverbände beschwichtigen. Man werde sich „weiterhin gegen negative Zinssätze für Einlagen von Privatkunden“ aussprechen, heißt es etwa beim Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR). Doch schrecken die deutschen Institute langfristig wirklich vor dem Minuszins zurück? Für manch einen Banker könnte die Verlockung groß sein, jetzt ebenfalls eine Strafgebühr einzuführen. Schließlich müssen die Institute selbst Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Bislang geben sie das nur deshalb nicht an die Kunden weiter, weil sie fürchten, dass diese ihnen weglaufen könnten. Doch das Argument verliert an Gewicht, je mehr Banken beim Minuszins mitziehen. Bankenprofessor Hans-Peter Burghof sagt: „Die Frage ist, wie lange die Niedrigzinsphase noch anhält und wie lange Institute aus dem Einlagengeschäft noch Verluste in Kauf nehmen können.“

Für die deutschen Sparer bedeutet bereits die Diskussion über einen Minuszins einen Einschnitt. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.“ Mit diesem Sprichwort ist so mancher Bundesbürger groß geworden. Jeder zweite Deutsche hat zu Hause mindestens ein Sparschwein stehen, sagen die Statistiker. Kinder werden seit jeher mit ihren ersten Groschen zur Bank geschickt, um sie einzuzahlen. Eine Generation gibt die Spartradition an die nächste weiter. Nicht umsonst sprechen wir von der deutschen Sparkultur. Allein dieser Begriff zeigt, wie sehr wir Bundesbürger uns damit identifizieren, Geld für später zurückzulegen.

Vor allem Jüngere verzichten aufs Sparen - ihnen fehlt der Anreiz, sagen sie

Das Vertrauen der Sparer ist angeschlagen, seit die erste Bank einen Minuszins eingeführt hat.
Das Vertrauen der Sparer ist angeschlagen, seit die erste Bank einen Minuszins eingeführt hat.

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60 Prozent der Bundesbürger sparen regelmäßig einen Teil ihrer Einkünfte, zeigt ein Blick in die Statistik. Selbst Menschen, die nicht viel Geld haben, legen etwas zur Seite. Lieber geben sich Bundesbürger mit einer kleineren Wohnung zufrieden, als auf das gute Gefühl zu verzichten, ein paar Kröten auf der hohen Kante liegen zu haben.

„Deutsche nutzen trotz hoher Inflationsrate Girokonten und Sparbücher über längere Zeit für größere Geldbeträge, statt ihr Erspartes gewinnbringender anzulegen“, heißt es in der Untersuchung der Bank of Scotland. Gerade Institute aus dem EU-Ausland freuen sich darüber. Für sie sind die deutschen Sparer begehrte Kunden. So wirbt beispielsweise die spanische Santander Bank über ihre deutsche Tochter um die Ersparnisse der Bundesbürger.

Schon länger verlieren Sparer real Vermögen

Dieser Konkurrenz wollen die hiesigen Sparkassen, Volksbanken und sonstigen Geldhäuser nicht einfach das Feld überlassen. Allein schon deshalb sträuben sie sich noch vor der Einführung eines  Minuszinses. Allen voran die Sparkassen. Schließlich steckt bei ihnen das Sparen bereits im Namen. Nicht auszudenken, was passiert, wenn den Sparkassen die Sparer davonlaufen. Verbandschef Georg Fahrenschon warnt deshalb seit Monaten vor den Auswirkungen der Niedrigzinspolitik der EZB.

Auch die Sparer fühlen sich veräppelt – und zwar nicht erst, seit die Skatbank mit frechem Beispiel voranging. Auch ohne Minuszeichen vorm Zinssatz verlieren sie real Vermögen. Denn wenn man die Preissteigerungsrate abzieht, bleibt schon jetzt von ihren Zinsen wenig oder nichts übrig.

Die Jüngeren verzichten aufs Sparen

Während die Älteren noch ihr Geld zur Bank tragen, begehren die Jüngeren auf. Banker warnen vor einer „Erosion der Sparkultur“ unter den 14- bis 29-Jährigen. Die Hälfte von ihnen legt kein Geld fürs Alter zurück. Manchen mögen dafür schlicht die  Mittel fehlen – viele geben in Umfragen aber auch an, keinen Sinn mehr im Sparen zu sehen. Dabei müssten gerade die Jüngeren Geld zurücklegen, um sich auf eine Zeit vorzubereiten, in der es kaum noch Geld aus der gesetzlichen Rentenversicherung gibt.

Am Ende erleben wir gar die Rückkehr eines Klassikers – wenn die Deutschen ihr Erspartes wieder wie früher in der Kaffeedose im Küchenschrank horten. Das ist zwar retro. Aber immerhin gibt es darauf keinen Strafzins.

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