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Wirtschaft: Nervosität vor der Tagung des IWF

USA und Europa verfolgen unterschiedliche Ziele

Washington - Bei der heute beginnenden Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank wird die längerfristige Planung erneut in den akuten Krisenschlagzeilen untergehen. So geht das nun schon seit gut drei Jahren. Auf der offiziellen Tagesordnung stehen Projekte, deren Verwirklichung mehrere Jahre dauert wie die Finanzmarktkontrolle und die Weiterentwicklung des Weltwährungssystems oder in früheren Jahren die Neuverteilung der Stimmrechte. Doch wenn die Finanzminister und Notenbankchefs dann im Frühjahr und Herbst zusammenkommen, dominieren andere Sorgen. 2008 war es der Schock über die globale Finanzkrise, 2009 die Abstimmung der Maßnahmen gegen eine weltweite Depression, 2010 die heraufziehende Griechenlandkrise, die sich bald zu einer generellen Eurokrise ausweitete. 2011 verschärfen die Budget- und Schuldenprobleme der USA die allgemeine Unsicherheit.

Auch an diesem Wochenende wird die Panikstimmung der Märkte die Pressekonferenzen dominieren. Der jüngste Versuch der US-Notenbank, die Konjunktur zu beleben, indem sie auf noch längerfristige Staatsanleihen umschichtet und so die Zinsen auf weite Sicht niedrig hält, scheint zu verpuffen. In der Eurozone ist die Bonität weiterer Staaten zurückgestuft worden, und die Zweifel, ob die hoch verschuldeten Länder ihre Verpflichtungen erfüllen, wachsen. Im World Economic Outlook (WEO) hat der IWF gerade die Wachstumsprognosen reduziert: für die Weltwirtschaft von 4,5 auf 4 Prozent 2012. In den USA sei 2011 nur noch mit 1,5 Prozent Wachstum zu rechnen, in der Eurozone mit 1,6 Prozent, in China mit 9,5 Prozent (nach 10,3 Prozent 2010) und in Indien mit 7,8 Prozent (2010: 10,1 Prozent).

Wer mit leitenden Angestellten des IWF und der Weltbank in Washington spricht, trifft auf gedrückte Laune, nicht aber auf Katastrophenstimmung. Sie interpretieren die Berg- und Talfahrt an den Börsen überwiegend als nervöse Überreaktion und kommentieren die Bedenken, ob die Politiker in den USA ihr Schuldenproblem lösen und die in Europa die Eurokrise in den Griff bekommen, mit dem nachsichtigen Hinweis, in der Politik gehe es nicht allein um die handwerklich richtigen Reaktionen, sondern auch darum, Mehrheiten dafür zu finden. „Wir haben die Instrumente, um die Probleme zu lösen“, versichert ein hochrangiger IWF-Vertreter.

Die Krisenlage im Herbst 2011 ist für IWF und Weltbank eine andere als 2008 und bei Weitem nicht so bedrohlich wie damals. Es ist jedoch schwieriger geworden Hilfspakete zu schnüren, die die Lage rasch und sichtbar verbessern. Zu Beginn der globalen Krise waren die Reaktionen koordiniert und wiesen alle in dieselbe Richtung: Geld bereitstellen und Wachstum ankurbeln.

Heute finden sich die Staaten in unterschiedlichen Situationen wieder; ihre Interessen und Handlungsmöglichkeiten differieren. Das macht es nahezu unmöglich, so koordiniert und gemeinsam zu reagieren wie 2008 nach der Pleite der Lehman-Bank. Die USA wollen weiter die Wirtschaft stimulieren, haben aber ihre Mittel dazu verbraucht. Deutschland möchte zur Budgetdisziplin zurückkehren und die staatliche Förderung zurückfahren. Im Fall Griechenland raten IWF-Vertreter, „die beschlossenen Programme erst mal wirken zu lassen“, ehe man nach neuen Maßnahmen ruft. Christoph von Marschall

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