zum Hauptinhalt
Die Zahl der von der Telekom registrierten Cyberattacken war im Vorjahr noch deutlich niedriger.

© dpa

Netzkriminalität: Die Telekom registriert bis zu 46 Millionen Cyberangriffe pro Tag

Sicherheitsbehörden warnen vor zunehmender Cyberkriminalität. Gerade politische Stiftungen und Universitäten seien häufig nur schlecht geschützt.

Die Telekom warnt vor einer drastischen Zunahme der Cyber-Attacken. Inzwischen registriere sie pro Tag bis zu 46 Millionen Angriffe auf ihre Infrastruktur, sagte der Sicherheitschef des Unternehmens, Dirk Backofen, am Donnerstag auf einer Konferenz des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam. Es ist ein rasanter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Damals waren es in der Spitze höchstens 14 Millionen Attacken, im Durchschnitt zwölf Millionen. Heute sind es mit 31 Millionen fast viermal so viele.

Unter den vielen Attacken seien jeden Tag drei bis acht neue Angriffsmuster, die die Telekom noch nie gesehen habe, sagte der Telekom-Sicherheitschef. Diese unbekannten Muster seien besonders wertvoll für das Unternehmen, sagte Backofen. „Daraus definieren wir unsere Schutzmechanismen.“

Weiter sagte er: „Der Großteil der Attacken wird heute nicht mehr händisch, sondern von Botnetzen ausgeführt.“ Dabei werden Hunderte Rechner mit Schadsoftware infiziert und anschließend für Cyber-Attacken missbraucht. Deshalb seien Angriffe heute viel schneller erfolgreich, heißt es in einer Mitteilung der Telekom. Auch der Vize-Chef des Bundesnachrichtendiensts, Werner Szesny, bestätigte den Trend: „Die Wucht der Angriffe nimmt weiter zu.“

Huawai gibt sich harmlos

Ein Großteil der Attacken auf die Industrie werde aus dem Iran, Syrien und Nordkorea verübt, sagte Backofen. „Nach wie vor kommen die meisten Hacker-Gruppen aber aus Russland und China.“ Auch deshalb war auf der Sicherheitskonferenz mit großer Spannung der Auftritt des Vize-Huawei-Chefs Hu Houkun erwartet worden. Erst wenige Tage alt sind die Sanktionen von US-Präsident Donald Trump gegen den Konzern, den er als Sicherheitsgefahr einstuft. Huawei wird ein enger Draht zur chinesischen Regierung nachgesagt. Zu Jahresbeginn hatte zudem das Auswärtige Amt davor gewarnt, dass Huawei Chinas Rechtsprechung unterliege und deshalb dazu verpflichtet sei, mit chinesischen Nachrichtendiensten zusammenzuarbeiten.

In Potsdam aber gab sich Huawei-Manager Hu Houkun als Verfechter des freien Handels. Die US-Sanktionen bezeichnete er als „gefährlichen Präzedenzfall“. „Die US-Regierung erlegt Huawei sehr unfaire Einschränkungen auf, auf der Grundlage unbegründeter Anschuldigungen. Aber wer weiß, was als nächstes kommt, wenn sich dieses Verhalten so fortsetzt?“ Heute gehe es gegen Huawei, „morgen könnten es Ihre Branche, Ihr Unternehmen und Ihre Verbraucher sein“, sagte er. "Wir wollen keinen neuen Handelskrieg, wir leben in einer verbundenen Welt."

Außerdem lobte der Huawei-Vize, dass Deutschland und andere europäische Staaten den USA nicht gefolgt seien. Statt Gefühlsentscheidungen brauche es klar definierte Sicherheitsstandards und unabhängige Überprüfungen für Unternehmen.

Europa-Wahl bisher kaum Ziel von Attacken

Ob Huawei nun eine Gefahr für die deutsche Infrastruktur – etwa beim 5G-Ausbau – ist, dazu wollten sich am Donnerstag weder die Telekom noch die Sicherheitsbehörden äußern. So verwies Vize-Verfassungsschutz-Chef Michael Niemeier auf Änderungen im Telekommunikations- und im IT-Sicherheitsgesetz. Durch diese sei die Schwelle für Aufträge für den Ausbau des 5G-Netzes sehr hoch gesetzt. Dann müsse man sehen, welcher Anbieter diese Kriterien erfülle.

Der Chef des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, gab vorsichtige Entwarnung: „Bis jetzt konnten wir nicht feststellen, dass die Technik in Huawei-Geräten für nachrichtendienstliche Zwecke genutzt wird.“ In Bezug auf die Europa-Wahlen registrierten die Sicherheitsbehörden keine nennenswerten Attacken im Cyberraum. „Wir haben eine erhöhte Wachbereitschaft, wir sehen aber keine außergewöhnlichen Aktivitäten“, sagte Schönbohm. Es sei „alles im grünen Bereich“.

Dennoch würde es seit Jahren Einflusskampagnen vor allem von Russland geben, sagte Niemeier. "Das sind dann insbesondere EU-ablehnende und -verzerrende Narrative." Tatsächliche Cyber-Angriffe im politischen Raum seien zuletzt meist auf Einrichtungen verübt worden, deren "Firewalls nicht so hoch sind", so Niemeier. Als Beispiele nannte er etwa politische Stiftungen und Universitäten. "Die Qualität dieser Angriffe hat definitiv zugenommen", sagte er. Optimal gerüstet fühlen sich die Sicherheitsbehörden für diese Gefahr nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false