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Wirtschaft: Netzkultur aus dem Kreuzberger Hinterhof

Was hat eine Berliner Punkband mit dem US-amerikanischen Verteidigungssystem gemeinsam? Ganz einfach: Der Name "defcon" verbindet sie.

Was hat eine Berliner Punkband mit dem US-amerikanischen Verteidigungssystem gemeinsam? Ganz einfach: Der Name "defcon" verbindet sie.Während Kinogänger das Kürzel für die Alarmstufen im US-Verteidigungssystem aus dem Atomkriegszenario "War games" kennen, steht "defcon" in der Berliner Musikszene für einen Song der Band "Pop will eat itself".Und genau diesen Titel aus dem Repertoire seiner Lieblingsband hat sich der Berliner Johnny Haeussler für sein Unternehmen ausgesucht.In leicht abgewandelter Form zwar - das "n" wurde gegen "m" getauscht, da ihm "das Ganze dann doch zu militärisch war" - prangt der Name auf der brandneuen schwarz-lila-farbenen Visitenkarte."Defcom" steht hier für definitive Kommunikation."Klingt gut", meint der 34jährige Gründer, der unter dem Label Musik im Internet vermarkten will.

Der Name ist für das Unternehmen Programm.Schließlich ist Musik "ein hochkommunikatives Medium", wie Haeussler erklärt.Der ehemalige Gitarist und Sänger muß es wissen.Bis 1994 war er selbst bei der Berliner Band "Plan B" aktiv.Dann stieg er aus, da sich die Arbeit immer mehr auf "die Kommunikation mit der Plattenfirma" beschränkte.Seine Brötchen verdiente der gebürtige Berliner als Musikjournalist.Beim Lokalsender "Radio Fritz" ist er derzeit auch noch einmal wöchentlich zu hören.Schon Anfang der neunziger Jahre beschäftigte sich der Autodidakt aber auch mit dem Internet.Dieses neue Medium bietet Raum für kreative Leute, dachte sich Haeussler.

In einem typischen Kreuzberger Hinterhof, erste Etage links, startete er zunächst als Ein-Mann-Betrieb.Bald jedoch wurde ihm "das alles irgendwie zuviel".Mittlerweile beschäftigt er vier freie Mitarbeiter.Sie basteln an Webseiten für alles "was mit Musik und Medien zu tun hat".Das sind Musikgruppen, Platten-Labels oder auch Zeitschriften.So lassen beispielsweise die Berliner "Lemonbabies" oder die junge Hiphop-Band "Fettes Brot" aus Hamburg ihre Seiten bei Defcom bauen.Auch das Berliner Techno-Label "Studio K7" lässt seinen Online-Katalog bei der Kreuzberger Adresse pflegen.Darin findet sich nicht nur eine Liste der neuesten Veröffentlichungen, sondern auch Informationen über Platten und CDs.Auf Wunsch kann der Besucher über die Webseite johnny@defcom.de einen Blick auf Foto und Lebenslauf der Künstler werfen und sich deren Songs auch anhören.Alles, was er dazu braucht, ist eine Soundkarte.

"Wir wollen eine Alternative zu den herkömmlichen Werbeagenturen sein", erläutert Haeussler sein Konzept.Denn die hätten, so der Gründer, "keine Ahnung von der Netzkultur".Als Musiker und Journalist dagegen, glaubt Haeussler, hat er dagegen den idealen Background für das Markting per Internet.Seinem alten Traum, daß sich jede Band direkt über das Internet vermarkten kann, ohne von einer Plattenfirma abhängig zu sein, kam er jetzt ein Stückchen näher.Den Startschuß gab eine kleine Randnotiz in einer Computerzeitschrift, in der Teilnehmer für den Multimedia-Wettbewerb des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung gesucht wurden.Haeussler hat zwar nie gedacht, daß "die das interessiert", schickte aber trotzdem sein Konzept ein, das er innerhalb von nur zwei Tagen zu Papier gebracht hatte.Seine Idee wurde prompt prämiert.Das Preisgeld bietet nun das Startkapital für den Ausbau seines Büros.

Haeussler will allerdings nicht nur ein weiterer "Music on demand"-Anbieter (MoD) werden, die es in den USA überdies schon gibt.Er will auch weiterhin einen Komplett-Service für die Bands anbieten, mit dem diese nicht nur ihre Musik über das Internet verkaufen, sondern gleichzeitig auch sich selbst darstellen und einen Kontakt zu ihren Fans herstellen können.

Sein wirtschaftliches Ziel dabei ist bescheiden gesteckt: Haeussler will nicht "das große Geld machen", sondern mit "guten Leuten gute Sachen machen" - und davon leben können.

Weitere Informationen unter www.defcom.de

FRIEDERIKE STORZ

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