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Die Besteuerung der Investmentfonds ist zum Jahresanfang verändert worden. Die Umstellung funktioniert nicht.

© Andrea Warnecke/DPA-TMN

Neue Besteuerung: Steuerchaos bei Investmentfonds

Seit Anfang des Jahres gelten neue Steuerregeln für Fonds. Die Gesellschaften schaffen die Umstellung nicht, den Schaden haben die Anleger.

Eigentlich kennt sich Robert Schmidt mit Finanzen gut aus. Doch die jüngste Depotübersicht seiner Direktbank stellt den Berliner, der wie alle Anleger in diesem Text in Wirklichkeit anders heißt, vor Rätsel. Sein Investmentfonds, den er erst im vergangenen November zu einem Kurs von 71,40 Euro gekauft hatte, war nämlich eigentlich kein gutes Investment. Der Fonds stand am 31. Dezember mit einem Kurs von 70,87 Euro in seiner Depotaufstellung. Dennoch wies die Direktbank einen Gewinn von gut 160 Euro aus.

Noch schlimmer traf es Renate Siebert. Sie hatte im vergangenen Mai Anteile eines Investmentfonds für knapp 1500 Euro gekauft, der Kurswert hatte sich zum Jahresende kaum verändert. Nach Abzug der Transaktionskosten stand wirtschaftlich unterm Strich ein kleines Minus. Als Siebert ihre Fondsanteile jetzt verkaufen wollte, sollte sie aber plötzlich einen Veräußerungsgewinn von über 400 Euro versteuern. Zwei Fälle von vielen. „Bei der Stiftung Warentest haben sich zahlreiche Anleger über unerklärlich hohe Steuerabzüge beim Fondsverkauf und nicht nachvollziehbare Abrechnungen beschwert“, heißt es bei der Verbraucherschutzorganisation.

Probleme mit der neuen Investmentbesteuerung

Hintergrund der Ungereimtheiten ist die neue Investmentbesteuerung, die Anfang dieses Jahres in Kraft getreten ist. Sie soll die bislang unterschiedliche Besteuerung von in- und ausländischen Fonds harmonisieren und den Anlegern eine Steuervereinfachung bringen. So weit die Theorie. In der Praxis sind die neuen Vorschriften aber höchst kompliziert, die Umstellung schwierig.

Altfonds werden ver- und wieder gekauft, aber alles rein fiktiv

Um den Übergang vom alten zum neuen Steuerregime zu schaffen, waren und sind allerlei Klimmzüge nötig. So mussten die Depotbanken alle vor dem Jahr 2009 von den Anlegern angeschafften Altfonds zum 31. Dezember 2017 fiktiv verkaufen und sie – gleichermaßen fiktiv – zum 2. Januar 2018 neu kaufen. Durch die Hintertür hatte die Bundesregierung zuvor ihr seinerzeit gegebenes Versprechen, dass Kursgewinne für diese Altfonds für alle Zeit vom Zugriff des Fiskus verschont bleiben sollen, kassiert. Stattdessen bekommen die Anleger für Spekulationsgewinne aus den Altfonds nur noch einen Freibetrag von 100.000 Euro pro Person. Für diesen steuerlichen Neustart war auch ein – rechnerischer – Neustart im Depot erforderlich. Die Preislieferung für diese Aktionen könne sich über mehrere Wochen erstrecken, heißt es in einem Informationsblatt der Deutschen Bank für ihre Kunden, die Abrechnungen zur fiktiven Veräußerung würden sukzessive erfolgen.

Banken arbeiten mit Schätzwerten

Zudem werden sämtliche Investmentfonds ein (Rumpf-)Geschäftsjahr zum 31. Dezember 2017 einlegen und ihre Erträge thesaurieren, heißt es weiter in dem Anschreiben an die Kunden. „Bis die finalen Daten aus der fiktiven Veräußerung vorliegen, wird bei zwischenzeitlichen Verkäufen eine sogenannte Ersatzbemessungsgrundlage angewandt.“ Das Problem: Weil viele Fonds bislang keine Angaben zur Höhe der thesaurierten Erträge gemacht haben, arbeiten die Depotbanken mit Schätzwerten, die sie von den Fondsgesellschaften bekommen. Der Schätzwert liege bei sechs Prozent des Rücknahmepreises des Geschäftsjahresendes, heißt es bei der ING Diba. „So lange wir keine Stornierung des gemeldeten Schätzwerts erhalten, ist dieser Wert Teil des fiktiven Veräußerungsergebnisses zum 31. Dezember 2017“, teilte die Direktbank auf Tagesspiegel-Anfrage mit. Das heißt: Anleger, die ihre Fonds jetzt verkaufen, müssen auf die vermeintlichen Gewinne Steuern zahlen, auch wenn die Daten gar nicht stimmen. „Uns liegen schon einige Stornierungen zu Schätzwerten vom 31. Dezember 2017 vor“, räumt die ING Diba ein.

Den Schaden hat der Anleger: Erst kassiert der Staat, zurückgezahlt wird später.
Den Schaden hat der Anleger: Erst kassiert der Staat, zurückgezahlt wird später.

© fotomek- stock.adobe.com

Angaben werden später korrigiert

Die Deutsche Bank tröstet ihre Kunden damit, dass nach Vorliegen der finalen Steuerdaten automatisch eine steuerliche Korrektur und eine Buchung auf dem Konto erfolgen werde. Auch das Bundesfinanzministerium verspricht Sparern, dass der Steuereinbehalt nach Vorliegen der tatsächlichen Werte „zu korrigieren ist“. Auf die Idee, die Steuern erst dann zu berechnen, wenn die richtigen Daten vorliegen, kommt man im Ministerium aber nicht. Mit der aktuellen Praxis werde gewährleistet, „dass zunächst die Sicherung der Besteuerung erfolgt“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. „Die Werte können allerdings zu Gunsten der Steuerpflichtigen korrigiert werden“.

Tipp für Anleger: Später verkaufen

In der Investmentbranche nähert man sich den Anlegerproblemen eher pragmatisch. Je später ein Anleger seinen Fonds im Laufe des Jahres verkaufe, desto geringer sei die Wahrscheinlichkeit, dass die Ersatzbemessungsgrundlage angesetzt werde, heißt es. Für die Anleger, die nicht so lange warten wollen oder können, ist das allerdings nur ein schwacher Trost.

Zum Hintergrund:

Bis Ende des vergangenen Jahres erfolgte die Besteuerung bei Investmentfonds erst auf der Ebene des Anlegers über die Abgeltungsteuer. Auf Ausschüttungen fiel die Kapitalertragsteuer von 25 Prozent an. Anleger waren quasi so gestellt, als wären sie in Höhe ihrer Anlagen direkt am Fondsinvestment beteiligt. Auf Fondsebene waren Dividenden dagegen steuerbefreit – allerdings nur für inländische Fonds. Bei Dividendenzahlungen an ausländische Fonds war Kapitalertragsteuer fällig geworden.

Das ist jetzt anders: Seit diesem Jahr werden in- und ausländische Publikums-Investmentfonds auf Fondsebene gleich behandelt. Sie unterliegen unterschiedslos einer Besteuerung von 15 Prozent. Damit werden Dividenden sowie Mieterträge und Veräußerungsgewinne aus Immobilienbesitz belastet. Was für den Anleger aber zu einer steuerlichen Doppelbelastung führen würde.

Um dies zu vermeiden, wurde auf Ebene des Anlegers ein Ausgleich geschaffen: Ein Teil der Erträge, die man aus Investmentfonds erzielt, ist von der Besteuerung freigestellt. Je nach Fondstyp gelten unterschiedliche Sätze: 15 Prozent bei Mischfonds, 30 Prozent bei Aktienfonds, 60 Prozent bei Immobilienfonds und 80 Prozent bei Immobilienfonds mit überwiegend ausländischen Immobilien. Schwierig wird es bei thesaurierenden Fonds, die ihre Erträge ganz oder zum Großteil nutzen, um weitere Fondsanteile zu kaufen. Hier wird eine sogenannte Vorabpauschale eingeführt. Das ist eine pauschal ermittelte Bemessungsgrundlage, die die bisherige Thesaurierung ersetzt und die ebenfalls der Teilfreistellung unterliegt. Die Vorabpauschale wird anhand des Basiszinses der Bundesbank und des Rücknahmepreises der Fondsanteile zum Jahresbeginn berechnet. Sie fällt aber nur an, wenn der Rücknahmepreis am Jahresende höher ist als zu Jahresbeginn.

Zur Reform gehören schließlich auch neue Regeln für Fonds-Wertsteigerungen: Der Bestandsschutz für Veräußerungsgewinne „alter“ Investmentanteile wurde zeitlich gekappt. Bisher blieben bei einem Fondserwerb vor dem 1. Januar 2009 die bis dahin angefallenen Gewinne „ewig“ steuerfrei, das ist vorbei. Bei Veräußerungen ab diesem Jahr wird der Kursgewinn grundsätzlich steuerpflichtig - auch bei „Alt“-Anteilen. Allerdings wurde ein Freibetrag von 100.000 Euro je Privatanleger eingeführt. Erst bei Kursgewinnen darüber wird eine Besteuerung fällig.

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