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Wirtschaft: Neue Bundesländer: Der Aufschwung Ost steht nicht auf der Kippe

Wirtschaftlich und sozial steht Ostdeutschland nicht auf der Kippe - von einem Mezzogiorno, einer dauerhaft zurückbleibenden Subventionsregion in den neuen Bundesländern, kann gegenwärtig keine Rede sein. Mit dieser Einschätzung widersprachen deutsche Ökonomen am Freitag der Auffassung des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD), der am Tag zuvor in einem Brief an seine Parteifreunde die wirtschaftliche Abkopplung des Ostens vom Westen und eine tiefere soziale Spaltung der beiden Landesteile konstatiert hatte.

Wirtschaftlich und sozial steht Ostdeutschland nicht auf der Kippe - von einem Mezzogiorno, einer dauerhaft zurückbleibenden Subventionsregion in den neuen Bundesländern, kann gegenwärtig keine Rede sein. Mit dieser Einschätzung widersprachen deutsche Ökonomen am Freitag der Auffassung des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD), der am Tag zuvor in einem Brief an seine Parteifreunde die wirtschaftliche Abkopplung des Ostens vom Westen und eine tiefere soziale Spaltung der beiden Landesteile konstatiert hatte.

Im Vergleich mit Westdeutschland sei die Wirtschaft hierzulande "sehr weit voran gekommen", sagte der Magdeburger Wirtschaftsprofessor Karl-Heinz Paqué dem Tagesspiegel. Dass bisher keine Gleichheit der Standards erreicht worden ist, hält er für vollkommen normal. Im Bewusstsein der Politik würden überzogene Erwartungen an den Aufbauprozess Ost immer wieder zu pessimistischen Einschätzungen, wie der von Wolfgang Thierse, führen. Niemand dürfe allerdings vergessen, welche zurück gebliebenen Industriestrukturen die DDR-Regierungen 1990 hinterlassen hätten.

Paqués Auffassung teilt auch der Ökonom Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Zwar seien die Wachstumsraten der Wirtschaft im Osten niedriger als die des Westens. Einzelne Branche und Regionen entwickelten sich aber weit dynamischer als in den alten Bundesländern. "Grund zu der Befürchtung, dass der Osten weiter zurückfällt, gibt es nicht", glaubt Brenke.

Übereinstimmend stellten beide Ökonomen fest, dass der Prozess des Aufbaues einer funktionstüchtigen Infrastruktur in den neuen Ländern jetzt nahezu abgeschlossen ist. Verkehrs-und Telekommunikationssysteme müssten allenfalls regional ergänzt werden. Für den Magdeburger Wissenschaftler Paqué tritt der Aufbau Ost nun "in die Phase Zwei". Sie sei gekennzeichnet durch eine starke Zunahme der Bedeutung von Innovation und Forschung, damit die Unternehmen mehr weltmarktfähige Produkte herstellen können. Sowohl Brenke als auch Paqué forderten deshalb die Politiker auf, bei den anstehenden Verhandlungen von Bund und Ländern um die Fortführung des Solidarpaktes nach 2004 darauf zu achten, dass Innovationen vom Staat verstärkt gefördert werden. Dabei müssten Regionen mit großem Wachstumspotenzial, wie Jena, Dresden oder Zwickau stärker unterstützt werden. "Wir müssen weg vom Gießkannenprinzip", sagte Paqué.

Sorgen bereitet den Ökonomen indes das anhaltende personelle Ausbluten des Ostens. Weil noch zu wenige Jobs in höherwertigen Dienstleistungsbranchen angeboten werden, hatte auch Wolfgang Thierse beklagt, dass die "jungen, gut qualifizierten Ostdeutschen" in Richtung Westen abwandern und die Hoffnungen der neuen Bundesländer, innovationsstärker zu werden, zunichte gemacht werden. Der DIW-Wissenschaftler Brenke forderte die Universitäten und Unternehmen in Ostdeutschland auf, den Nachwuchs nicht aus den Augen zu verlieren und jungen Leuten Angebote zur Aus- und Weiterbildung zu machen.

Zugleich warnte Paqué die Arbeitgeber davor, das Lohnniveau im Osten weiter zu drücken. Nachdem der Flächentarifvertrag im Osten "faktisch tot" und der Arbeitsmarkt dereguliert sei, betrage die Lohndifferenz zum Westen im Schnitt 25 Prozent. Das sei das untere Ende.

asi

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