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Verfall. Ecken wie diese werden im Osten weniger, aber es gibt sie noch.

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Neue Bundesländer: Solidarität für alle

Wirtschaftswissenschaftler zweifeln an der einseitigen Ost-Förderung – das Gutachten bleibt unter Verschluss.

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Dass der Aufbau Ost mehr als 20 Jahre nach dem Fall der Mauer stockt, ist nicht neu. Dass Gutachten, die das belegen, nicht den Weg in die Öffentlichkeit finden, ist umso verwunderlicher.

Seit einem halben Jahr staubt das rund 160-seitige Papier „Wirtschaftlicher Stand und Perspektiven für Ostdeutschland“ im Bundesinnenministerium vor sich hin. Wissenschaftler unter Federführung des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) kommen darin zu dem Schluss, dass die bisherige Förderpolitik für die ostdeutschen Länder radikal geändert werden muss.

„Wir sprechen uns dafür aus, dass nicht mehr mit der Gießkanne gefördert wird“, sagte Jutta Günther, die die Abteilung Strukturökonomik beim IWH leitet. „Clusterbildung, die sowohl Unternehmen als auch Forschungseinrichtungen einbezieht, ist dagegen sinnvoll – und zwar in Ost und West, Nord und Süd.“ Der bis 2019 laufende Solidarpakt II, mit dem der Aufbau Ost fortgeführt wird, werde jedoch nicht infrage gestellt, betonte Günther.

Das Dokument soll im Sommer vergangenen Jahres bereits vom Ostbeauftragten der Bundesregierung Christoph Bergner (CDU) freigegeben worden sein. Bevor dieser kurz darauf einen Rückzieher machte, landeten einige Exemplare in deutschen Universitätsbibliotheken.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die am Montag als erste darüber berichtete, mutmaßte, das Gutachten sei aus Furcht vor einer neuen Ost-West-Debatte zurückgezogen worden. Bergner hingegen behauptet, die Wissenschaftler seien sich nicht einig in ihren Schlussfolgerungen.

Dem widerspricht das IWH. Es sei zwar richtig, dass das IWH und das ebenfalls beteiligte Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien, wie eine Clusterbildung künftig auszusehen habe. Dass eine bundesweite Förderung dieses Instruments notwendig sei, sei jedoch Konsens gewesen. „Die Meinungsunterschiede sind marginal und dürften kein Grund sein, das Gutachten nicht zu veröffentlichen.“

Die Bundesregierung dementiert zwar, das Papier unter Verschluss zu halten. Mit der Ruhe ist es dennoch vorbei.

Stimmen aus Bayern fordern die sofortige Freigabe. „Wenn wir jetzt durch die Studie erfahren, dass Fördermittel im Osten auf die Dauer keine gleichen Lebensverhältnisse herstellen, dann ist das ein zusätzliches Argument, warum man den Länderfinanzausgleich neu verhandeln muss“, sagte Katja Hessel (FDP), Wirtschaftsstaatssekretärin in München. Auch der Innenausschuss im Bundestag wird sich mit dem Papier beschäftigen.

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