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Wirtschaft: Neue Jobs kommen später

Ökonomen begrüßen viele Punkte aus der Kanzler-Rede – eine Entlastung des Arbeitsmarkts wird aber viel Zeit brauchen

Berlin - Das Kanzler-Programm zur Stärkung der deutschen Wirtschaft ist am Donnerstag bei Volkswirten und verschiedenen Branchen auf Skepsis gestoßen. Mit schnellen Impulsen für den Arbeitsmarkt wird nicht gerechnet. Zu den Kritikern gehört auch der frühere Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Gustav Horn. „Ich habe nichts gehört, was einen nennenswerten Beschäftigungseffekt haben würde“, sagte Horn dem Tagesspiegel. Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, sagte wiederum, das Programm sei „nicht konzentriert genug“. Viele Punkte dürften nicht realisiert werden, weil die nötige Zustimmung dazu fehle. Horn, der nun das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung leitet, qualifizierte das geplante Investitionsprogramm als nicht ausreichend. „Ein bisschen Gas reicht nicht.“ Er plädierte für ein Sofortprogramm in Höhe von zehn Milliarden Euro, das der Bund den Kommunen zur Verfügung stellen sollte. Das könne 0,75 Prozent Wachstum bringen.

Andere Experten begrüßten die von Schröder angekündigten zwei Milliarden Euro Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie ist nicht so optimistisch wie Schröder, geht aber davon aus, dass dadurch etwa 10000 Stellen gesichert werden könnten. Der Vizechef des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Ulrich Walwei, erwartet eine sofortige Belebung der Nachfrage.

Auch Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz, begrüßte die Schröder-Rede: „Man kann an vielen Punkten Kritik üben – im Ganzen gehen die Pläne aber in die richtige Richtung.“ Das Kanzler-Programm sei ein „nicht zu unterschätzendes Signal, dass es jetzt keinen Reformstillstand gibt“. Ähnlich sieht das DIW-Präsident Klaus Zimmermann: „Das Programm ist solide und mittelfristig richtig.“ Mehr Jobs seien aber kurzfristig nicht zu erwarten. „Im besten Fall sind in ein bis drei Jahren Effekte auf dem Arbeitsmarkt möglich.“ Eine Streichung der Eigenheimzulage würde sogar zunächst eher negative Folgen für die Bauwirtschaft haben. Verbilligte Kredite für den Mittelstand lehnte er ab. „Investitionen hängen weniger vom ohnehin niedrigen Zinsniveau ab, sondern davon, mit welchen Risiken die Firmen in Zukunft rechnen.“

Die geplante Senkung der Körperschaftsteuer stößt bei Ökonomen hingegen weitgehend auf Zustimmung. Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Walter bezeichnete die Maßnahme als „großen Wurf“. Unterstützung gibt es auch für den Fall, dass die Gegenfinanzierung über die Schließung von Schlupflöchern erfolgen sollte. „Insgesamt führt das zwar zu keiner wirklichen Entlastung“, sagte IAB-Vize Walwei. „Die psychologische Signalwirkung ist aber positiv.“ Vor allem ausländische Investoren könnten durch niedrigere Nominalsteuern angelockt werden – und das schaffe Arbeitsplätze.

Auch Hilmar Schneider vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) begrüßte die Pläne zur Steuersenkung. „So werden im europäischen Vergleich endlich gleichere Bedingungen hergestellt“, sagte er. Deutschland werde so wieder für ausländische Investoren interessant. Das gelte selbst dann, wenn eine solche Reform durch eine höhere Besteuerung von Dividenden gegenfinanziert werde. „Wenn das Unternehmen weniger Steuern zahlen muss und dadurch rentabler wird, ist es auch für die Aktionäre ein Vorteil“, sagte Schneider. Kritisch sieht Schneider die geplanten höheren Zuverdienstmöglichkeiten beim Arbeitslosengeld II. „So macht die Regierung einen guten Teil des Potenzials der Hartz-Reform kaputt“, sagte er. Bei einem höheren Zuverdienst hätten die Betroffenen nur noch wenig Anreiz, sich einen Vollzeit-Job zu suchen und ohne staatliche Unterstützung auszukommen.

Ähnlich äußerte sich der Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Axel Nitschke. „Maßvolle Zuverdienstmöglichkeiten sind nicht verkehrt“, sagte er. „Aber wenn das zu weit geht, besteht die Gefahr, dass die Menschen zu bequem werden.“

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